Gemeindefinanzen: Es kracht und knirscht!

Ein Bild der Gemeinde Dürnstein in der Wachau in Niederösterreich. Symbolbild für die Gemeindefinanzen.
Niederösterreich ist schön. Doch so idyllisch wie hier - Dürnstein in der Wachau - geht es längst nicht überall zu. Die Gemeindefinanzen sind vielerorts ein Theme. | © AdobeStocks/JFL Photography
In der Kostenfalle: 2023 fehlen Österreichs Gemeinden 1,2 Milliarden Euro. Bürgermeister:innen drehen das Licht ab, stoppen wichtige Investitionen und lernen im Schnellverfahren, wie man hart am Limit überlebt. Die Gemeindefinanzen werden zum Problem.
Österreichs Gemeinden brüten derzeit über ihren Budgets für 2023, und es sieht nicht gut aus. Immer mehr Gemeinden krachen, immer mehr sind im Zuge der Teuerung finanziell am Limit. Die Prognosen zeichnen ein düsteres Bild. 2023 werden die laufenden Ausgaben ungefähr doppelt so stark steigen wie die Einnahmen (siehe Grafik). Das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) hat berechnet, dass im kommenden Jahr bis zu 1,2 Milliarden Euro fehlen. Ohne Gegenmaßnahmen fällt diese Finanzlücke somit größer aus als jene im Corona-Jahr 2020. Damals kam es pandemiebedingt zu Mindereinnahmen von „nur“ 650 Millionen Euro.

Die Gemeindefinanzen sind am Limit

Viele Bauprojekte sind aufgrund der gestiegenen Baukosten und höheren Kreditzinsen bereits horrend teuer geworden. Auch die Instandhaltungskosten explodieren im Zuge der Teuerung. Die Energiekosten haben sich günstigstenfalls verdoppelt. Sie könnten – abhängig von den bisherigen Verträgen – auf bis das Zehnfache steigen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine gehörige Portion Realismus. Denn so wichtig die Energiesparmaßnahmen der Gemeinden auch sind, die aktuellen Preissteigerungen können dadurch unmöglich wettgemacht werden.

Thomas Kattnig von der Gewerkschaft younion im Portrait. Ein Interview über Gemeindefinanzen.
„Wir brauchen sofort ein Hilfspaket des Bundes“, so Thomas Kattnig, younion, da bei den aktuell angespannten Gemeindefinanzen die soziale Infrastruktur auf der Strecke bleiben könnte. | © Markus Zahradnik

Anstehende wichtige Projekte wie die Kinderbetreuungsoffensive  – schon jetzt ist absehbar, dass das Geld aus der 15a-Vereinbarung nicht reicht – in Niederösterreich machen die Situation für die Kommunen nicht einfacher. Zukünftig soll der Kindergarten-Eintritt ab zwei statt wie bisher zweieinhalb Jahren möglich sein. Außerdem soll es maximal eine Schließungswoche im Sommer geben. Die Landesregierung strebt obendrein kleinere Gruppen an. Für all das braucht es mehr Personal. Zahlreiche Gemeinden müssen zudem Räumlichkeiten ausbauen. Dabei lief es zu Jahresbeginn noch so gut. Nach dem Corona-Tief 2020 entwickelte sich 2021 besser als erwartet, und die Kommunen konnten grosso modo wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen. Doch es musste offenbar erst besser werden, um dann wieder schlechter zu werden. „Darauf konnte man sich nicht vorbereiten“, sagt Thomas Kattnig von der Daseinsgewerkschaft younion gegenüber Arbeit&Wirtschaft.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) geht jedenfalls von anhaltend hohen Inflationsraten um die fünf Prozent im kommenden Jahr aus. Das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent wird wohl noch länger unerreicht bleiben – oder wie Finanzminister Magnus Brunner es in seiner Budgetrede formulierte: Die hohe Inflation werde die Österreicher:innen „natürlich noch länger begleiten“.

Die Folgen der Inflation für die Gemeindefinanzen

„Der Sachaufwand ist bereits jetzt deutlich gestiegen“, sagt Hans Pitlik vom WIFO. Dennoch sieht der Experte für heuer noch keine allzu großen Probleme für die Gemeindefinanzen. Die Steuereinnahmen sprudeln – denn hohe Inflation bedeutet auch das –, und davon haben letztlich auch die Gemeinden etwas. Die Auswirkungen der Inflation und der wirtschaftlichen Unsicherheiten werden erst 2023 voll durchschlagen und auch 2024 zu Folgekosten führen. Konkret heißt das: Im kommenden Jahr steigen auch im öffentlichen Sektor die Personalkosten empfindlich – die Tarifverhandlungen laufen noch. Es sei zu befürchten, dass frei werdende Stellen nicht nachbesetzt werden.

Ein großer Unsicherheitsfaktor sei zudem, wie stark die Teuerung auf das Sozialbudget der Gemeinden durchschlägt. Die Transferzahlungen an die Länder für Soziales und Gesundheit steigen jedenfalls. „Dieser Bereich entwickelt sich besonders dynamisch, die Anteile an den Gemeindeausgaben werden immer größer“, betont KDZ-Expertin Karoline Mitterer. Unterm Strich rechnen Expert:innen damit, dass die Gemeinden weniger investieren. Auch Pitlik sieht eine Abschwächung der Investitionsleistungen: „Hier einzusparen ist relativ einfach, indem man bestimmte Investitionen um ein Jahr verschiebt.“

Mehr Schulden sind für Gemeinden keine Option

Der Konjunkturmotor in der Gemeinde läuft also Gefahr, ins Stottern zu geraten oder ganz auszufallen, bedeuten doch gestoppte kommunale Bauprojekte nicht zuletzt fehlende Aufträge für regionale Unternehmen. Denn die Gemeinden sind wichtige Auftraggeber: „3,9 Milliarden Euro investieren die Kommunen pro Jahr, und diese regionale Wertschöpfung ist gerade gefährdet“, betont Kattnig.

Grafik zum Thema regionale Wertschöpfung gefährdet: Jährliche Investitionen der Kommunen.

In der Folge muss laut Mitterer damit gerechnet werden, dass die Anzahl der Abgangsgemeinden – das sind jene, die keine freie Finanzspitze für Investitionen haben – 2023 wieder auf Corona-Niveau steigen werden. Im Jahr 2020 war in etwa jede dritte österreichische Gemeinde eine Abgangsgemeinde. Für Gemeinden in dieser Situation ist trotzdem noch nicht alles verloren. Es bedeutet noch nicht automatisch, irgendwann unter der Zwangsverwaltung des Landes zu enden. „Ein Jahr ist kein Problem, schwierig wird es, wenn die Krise über mehrere Jahre anhält“, sagt Mitterer.

Einfach mehr Schulden machen ist keine Option, zumal die Nettoneuverschuldung der Gemeinden ausgewogen sein muss. Durch hohe Verschuldung würden die Gemeinden ihre Probleme nur in die Zukunft verschieben und Abgangsgemeinden tiefer in die Abwärtsspirale rutschen. Deshalb gibt es seitens der Länder relativ enge Grenzen für Gemeinden in Sachen Verschuldung – etwa das Verbot der Darlehensfinanzierung der laufenden Ausgaben –, die auch in Krisenzeiten nur begrenzt erweitert werden.

Gemeindefinanzen: Was tun?

Was muss also kurzfristig und was mittelfristig getan werden, um die Gemeinden zu stärken? Wichtig ist, dass die Gemeinden liquide bleiben und investieren können, betont Mitterer: „Hier sind alle Gebietskörperschaften, also auch Bund und Länder, in die Pflicht zu nehmen.“ In Finanzminister Magnus Brunners Budgetplan für 2023 ist zwar ein kommunales Investitionspaket über eine halbe Milliarde Euro vorgesehen – mit einem Fokus auf Energieeffizienz. Dabei sollte jedoch auf die soziale Infrastruktur nicht vergessen werden, mahnt Mitterer. „Dabei sollte neben den bereits geplanten Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung auch ein Schwerpunkt auf die soziale Infrastruktur gelegt werden“, empfiehlt die Expertin.

„Wir brauchen sofort ein Hilfspaket des Bundes“, fordert Kattnig von der younion. Nicht nur in der Daseinsgewerkschaft geht die Sorge um, dass bei angespannten Gemeindefinanzen die soziale Infrastruktur auf der Strecke bleiben könnte. Investitionen in den Bereichen Pflege, Betreuung und Elementarpädagogik sind laut Kattnig besonders wichtig, damit die Kommunen auf die demografischen Veränderungen reagieren können.

Bedarf und Transparenz

Grundsätzlich stehen Österreichs Gemeinden für Investitionen auch die vom jeweiligen Bundesland zurückbehaltenen Mittel aus der sogenannten Bedarfszuweisung zur Verfügung. Angesichts der angespannten Finanzlage kommt diesem Geldtopf aktuell eine besondere Bedeutung zu. Es ist nämlich so, dass die Gemeinden aus dem Finanzausgleich einen Anteil von 11,88 Prozent bekommen. Allerdings können sie darüber nicht zur Gänze verfügen, weil das Land einen Teil einbehält. Bei Bedarf fragen die Gemeinden um Geld aus diesem Topf für ihre Investitionsprojekte an. Für die Verteilung gibt es zwar Regeln, aufgrund deren Interpretation jedoch auch einen Graubereich. Es wird immer wieder kritisiert, dass die Bedarfszuweisung in einigen Bundesländern als „politisches Geld“ eingesetzt wird. Niederösterreich eilt diesbezüglich ein gewisser Ruf voraus.

Dass es auch anders geht, macht Salzburg vor. Das Bundesland setzt auf maximale Transparenz. Es gibt eine Datenbank, die einsehbar ist, in der alle eingereichten Gemeindeprojekte eingepflegt sind und aus der ganz klar hervorgeht, welche Projekte in welcher Höhe finanziert werden. Laut Expert:innen ist jetzt der ideale Zeitpunkt, die längst überfällige Reform der Bedarfszuweisung österreichweit verpflichtend umzusetzen.

Grafik zum Finanzausgleich. Der Anteil der Gemeinden am Gesamtvolumen.

Mittelfristig schlummern ungenutzte Gemeindeeinnahmen in der Anhebung der Grundsteuer. Sie basiert bis heute auf Einheitswerten aus den 70er-Jahren. „Das ist weder gerecht noch gerechtfertigt. Die Einkünfte aus der Grundsteuer sind niedriger als die GIS-Einnahmen“, betont Mitterer. Da die Grundsteuer im Gegensatz zur Kommunalsteuer, die sich aus den Lohnnebenkosten finanziert, eine von der Konjunktur unabhängige Abgabe ist, würde mehr Geld aus dieser Quelle den Gemeinden auch mehr (finanzielle) Autonomie bringen.

Gemeinden: Immer mehr Aufgaben, immer weniger Geld

In Deutschland wird übrigens gerade an einem neuen, zeitgemäßen Grundsteuermodell gearbeitet, das zur Orientierung dienen kann. Ein solches Steuerprojekt ist laut Expert:innen nicht auf die Schnelle umsetzbar. Ein Grund mehr, es möglichst rasch auf den Weg zu bringen. Mitterer kritisiert zudem, dass der Verteilungsschlüssel des Finanzausgleichs dringend zugunsten der Gemeinden anzupassen ist. „Denn die Gemeinden übernehmen immer mehr Aufgaben, bekommen aber nicht mehr Geld.“

Karoline Mitterer, Expertin des KDZ, im Interview zum Thema Gemeindefinanzen.
Ungenutzte Einnahmequelle für Gemeinden: Die Grundsteuer basiert auf Einheitswerten aus den 70er-Jahren – „das ist weder gerecht noch gerechtfertigt“, so Karoline Mitterer, Expertin des KDZ. | ©Markus Zahradnik

Eine schnelle Lösung, die Einnahmen der Gemeinden zu steigern, ist freilich das Anheben klassischer Kommunalgebühren wie für Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Parken. Noch nehmen viele Bürgermeister:innen davon Abstand, weil das die Inflation weiter antreiben würde, weil sie die Menschen nicht mit weiteren Mehrkosten belasten wollen und auch weil das wenig populär ist – vor allem dann, wenn die Nachbargemeinde es nicht tut.

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