Gefährliche Nebenwirkungen

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Die Regierung will den "wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort" als Staatsziel in der Verfassung verankern. Dieses Vorhaben ist mit großer Vorsicht zu genießen.

Allgemein statt partikular

Ein Staatsziel sollte ganz allgemein über Partikularinteressen stehen, im konkreten Fall nicht einseitig Unternehmensinteressen bedienen. Der Fokus der Bestimmung ist sehr eng und folgt der Logik der Betriebswirtschaftslehre. Während aus betriebswirtschaftlicher, unternehmerischer Sicht zumeist die kurzfristige Optimierung der Produktionsfaktoren im Mittelpunkt steht, dominiert aus volkswirtschaftlicher Perspektive die mittel- und langfristige Sicht, wenn es darum geht, das ökonomische Potenzial einer Volkwirtschaft zu erhöhen. Volkswirtschaftlich zentral ist eine langfristige, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie zur Weiterentwicklung wirtschaftlicher Aktivitäten, bei der die Menschen mit ihren Ideen, Fähigkeiten und Potenzialen sowie deren Umwelt im Mittelpunkt stehen. Denn diese Faktoren bestimmen schließlich das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft und damit auch deren Wohlstandsniveau. Eine langfristige Nachhaltigkeitsperspektive ist daher kurzfristigen Wettbewerbsfaktoren, die auf kostenmäßige bzw. preisliche Aspekte fokussieren, vorzuziehen.

Ziel einer ökonomischen Betrachtungsweise und damit einer Staatszielbestimmung sollte daher eine wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik bzw. ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit sein. Österreich hat sich im Rahmen internationaler Verträge wie den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen zur Nachhaltigkeit verpflichtet. Ziel acht definiert, dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern.

Als Argument für das neue Gesetz werden auch zu lange Genehmigungsverfahren genannt. Die AK sieht die lange Verfahrensdauer bei großen Infrastrukturprojekten als problematisch an. Die geplante Staatszielbestimmung ist aber nicht zielführend, weil damit kein Genehmigungsverfahren schneller ablaufen wird. Wenn etwas für zügigere Verfahren und mehr Vorhersehbarkeit von Entscheidungen getan werden soll, dann sollte über eine Bündelung der relevanten Kompetenzen beim Bund geredet und für eine verbindliche Planungskoordination zwischen der Landesraumordnung und der Bundesinfrastrukturplanung gesorgt werden.

Die Staatszielbestimmung kann also nur als Anlassgesetzgebung bezeichnet werden. Der Kollateralschaden, der mit dieser Bestimmung im Hinblick auf eine nachhaltige gesamtwirtschaftliche Strategie entstehen kann, ist indes enorm. Statt den „Wirtschaftsstandort“ verfassungsrechtlich abzusichern, gilt es, die längst überfällige verfassungsmäßige Verankerung sozialer Grundrechte als Gegengewicht zu wirtschaftlichen Grundrechten in der Verfassung zu verankern. Aus der Sicht der AK gibt es keinen unmittelbaren Bedarf für ein Staatsziel „Wirtschaftswachstum“ oder „Wirtschaftsstandort“ in der Verfassung. Ein einseitiger Wettbewerbsbegriff, der nur das Wohl der Unternehmen, nicht aber der Menschen im Blick hat, hat in der österreichischen Verfassung nichts verloren.

Stellungnahme der Bundesarbeitskammer zum Verfassungsgesetz
Nachhaltige Entwicklung – Agenda 2030/SDGs

Von
Christa Schlager und Werner Hochreiter 
Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien/Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.

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