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  1. Seite 1 - Crowdwork und Crowdsourcing
  2. Seite 2 - Hybride betriebliche Beschäftigungssysteme
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Die Automatisierung ökonomischer Prozesse ist nicht neu. Das Digitalisieren von Dienstleistungen gestaltet den Arbeitsmarkt grundlegend um.

Ein Report der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass weltweit bereits mehr als 20 Millionen Menschen auf den elf größten Crowdsourcing-Plattformen registriert sind. Weltweit agierende Unternehmen wie Siemens, IBM, SAP, Bosch und BMW lagern Clickwork und qualifizierte Arbeit, wie Design oder Software-Entwicklung, über eigene Plattformen aus.

„Die Gig-Economy untergräbt die normativen Arbeitsmodelle“, meint die britische Arbeitsforscherin Ursula Huws. „Sie führt zu Entprofessionalisierung. Kundenbewertungen sind Werkzeuge dazu. Eine Arbeit wird nicht mehr durch Kollegen bewertet, sondern durch den Kunden, der von Faktoren beeinflusst ist, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Leute geben eine schlechte Bewertung, weil ihnen das Gesicht des Uber-Fahrers nicht gefällt.“

Atomisierter Wettbewerb

Die Digitalisierung bietet auch neue Möglichkeiten hybrider betrieblicher Beschäftigungssysteme. ArbeitnehmerInnen werden zunehmend an der Peripherie des Unternehmens angesiedelt, wo sie nach Bedarf über Crowdsourcing-Modelle in den Arbeitsprozess integriert werden können.

Durch die Arbeit „on demand“ löst sich die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zunehmend auf. „Mit der Organisationsmitgliedschaft ist der Konfliktpartner abhandengekommen, mit dem auch Kompromisse geschlossen werden können. Atomisierter Wettbewerb tritt an die Stelle kollektiver Konflikte. Dem Arbeitskraftanbieter bleibt nur die Expansion der eigenen Arbeitszeit“, schreiben Nachtwey und Staab.

Noch verdienten sich auf den digitalisierten Arbeitsmärkten vielfach Selbstständige oder studentische ClickworkerInnen ein Zubrot zu regulärer Beschäftigung. Der digitalisierte Kapitalismus zeige aber Monopolisierungstendenzen. Er zerstört kollektive Institutionen und setzt auf freie Marktakteure, die autonom, aber machtlos um Aufträge konkurrieren.

Weniger drastisch fällt die Prognose des österreichischen Soziologen Flecker aus. „Digitale Arbeit kann mit der Ausweitung von Handlungsspielräumen und partizipativen Managementformen verbunden sein, aber auch mit hoch arbeitsteiligen und dequalifizierenden Formen der Arbeitsgestaltung.“ Niedrig Qualifizierte würden aber voraussichtlich weiter unter Druck geraten.
Geeignete politische Maßnahmen könnten den Verlust von Arbeitsplätzen zumindest minimieren. Schreckensszenarien wie „Uns geht die Arbeit aus“ liegt oft die viel zitierte „Oxford-Studie“ von Frey und Osborne zugrunde, die das Automationsrisiko von Berufen beschreibt. Demzufolge sind in den nächsten Jahren 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA automatisierbar.

Andere Untersuchungen schätzen, dass im Durchschnitt der 21 OECD-Länder neun Prozent, in Österreich zwölf Prozent automatisierbar sind. Laut Studie des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) über die Beschäftigungswirkung von Industrie 4.0 in Deutschland entstehen bis 2020 zusätzlich 250.000 Arbeitsplätze, 260.000 könnten verloren gehen. Demnach ist die Wirkung im Saldo gering – bei beträchtlicher Verschiebung innerhalb der Berufe.

Gerechte Verteilung

Durch die Digitalisierung der Arbeit stellt sich eine alte Frage neu: Wie organisiert sich das globale „Cybertariat“, wenn bisherige Institutionen des Arbeitsmarktes wegfallen? Ansatzpunkte ergäben sich laut dem Soziologen Jörg Flecker daraus, dass sich die Arbeit über das Internet nicht im globalen Cyberspace auflöst, sondern in der Regel noch im nationalstaatlichen, zumindest aber im europäischen Rahmen verbleibt.

Arbeitszeitverkürzung wäre ein Ansatz, meint Flecker. „Wir könnten mit weniger Erwerbsarbeit auskommen, wenn eine gerechtere Verteilung garantiert, dass alle an der stärker automatisierten Wertschöpfung teilhaben.“

Lesetipp: „Arbeit 4.0 – Auswirkungen technologischer Veränderungen auf die Arbeitswelt“, Jörg Flecker et al. In: „Sozialpolitische Entwicklungen und Maßnahmen 2015–2016“

Von
Gabriele Müller
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/18.

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