Flexibel in der „gesunden Vollzeit“

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Woran sich die österreichische arbeitszeitpolitische Debatte orientieren könnte, wenn sie die Flexibilisierung der Arbeitszeiten auch gesundheitsorientiert umsetzen will.
Die österreichische Arbeitszeitpolitik ist aktuell von zwei großen Debatten geprägt. Die eine befasst sich mit der Forderung nach einer weiteren Flexibilisierung und Verlängerung der Arbeitszeit. Sie wird mit starken Schwankungen im Arbeitsbedarf seitens der Unternehmen begründet sowie mit dem Wunsch der Beschäftigten selbst, ihre Arbeitszeiten selbstbestimmter gestalten zu können. Die andere Debatte fordert hingegen angesichts hoher Arbeitslosenzahlen und steigender Gesundheitsbelastungen in der Arbeitswelt umfassende Arbeitszeitverkürzungen. Zwischen diesen Polen ist das Konzept der „gesunden Vollzeit“ als vermittelndes arbeitszeitpolitisches Leitbild angesiedelt.

Gesunde Vollzeit

Sie folgt grundsätzlich dem Prinzip des ArbeitnehmerInnenschutzes, also der Vermeidung von Schäden an der physischen, psychischen und sozialen Integrität der Beschäftigten. Denn hinsichtlich des Interessenabgleichs zwischen betrieblichen und privaten Risiken bergen flexible Arbeitszeiten in Verbindung mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ein erhöhtes Risiko für entgrenzte und belastende Arbeitszeiten, die sich negativ auf die Gesundheit und zentrale soziale Bereiche wie die Familie auswirken können. Die Orientierung am arbeitszeitpolitischen Leitbild der „gesunden Vollzeit“ soll am Beispiel der Gleitzeit zeigen, unter welchen Bedingungen Flexibilität mit Gesundheit einhergehen kann. Gleitzeit setzt allerdings voraus, dass Betriebe bestimmte Bedingungen erfüllen, damit mehr Spielräume (z. B. hinsichtlich der Höchst- und Normalarbeitszeiten) in der Arbeitszeitgestaltung möglich sind.

Während im Arbeitszeitgesetz vorgesehen ist, dass die Gleitzeit außerhalb von definierten Kernarbeitszeiten weitestgehend Selbstbestimmungsspielräume der Beschäftigten erlauben soll, werden diese Spielräume in der Praxis an und für sich von nicht formal festgelegten betrieblichen Erfordernissen abhängig gemacht. Die Beschäftigten wissen dadurch häufig nicht, wann sie aufgrund privater Interessen ihre Arbeitszeiten tatsächlich anpassen können (z. B. früher das Büro verlassen). Aus diesem Grund wird im Regelfall auch weniger dringlichen beruflichen Interessen der Vorrang gegeben, während bei privaten eher nur außergewöhnliche Gründe für Abwesenheiten akzeptiert werden, wie zum Beispiel Arztbesuche oder familiäre Notfälle.

Während es einem Teil der Beschäftigten gelingt, die Gleitzeit tatsächlich auch selbstbestimmt zu erleben, nimmt ein anderer Teil ihre Arbeitszeiten auch im Gleitzeitmodell als überwiegend fremdbestimmt wahr. Das heißt, um den Beschäftigen tatsächlich mehrheitlich selbstbestimmte Arbeitszeiten zu ermöglichen, reicht es nicht, Gleitzeit bloß formal einzuführen, sondern es müssen zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um die Selbstbestimmungsspielräume im Arbeitsalltag zu verwirklichen.

Warum die Selbstbestimmung wichtig ist, zeigt ein Blick auf jene Beschäftigten, die eher fremdbestimmte Arbeitszeiten aufweisen. Denn diese tendieren eher zu unüblichen Arbeitszeiten (an Abenden, Wochenenden und im Urlaub), zu verlängerten Arbeitszeiten und zu einer höheren Arbeitsbelastung. Das heißt, wenn bei flexiblen Arbeitszeiten hinreichend Selbstbestimmung möglich ist und eben nicht aufgrund der Arbeitsaufgaben oder anderer betrieblicher Bedingungen Fremdbestimmung vorherrscht, können diese auch ohne erhöhte Arbeitsbelastungen realisiert werden.

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