Ein Zwillingspaar?

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Rechtspopulismus baut auf die Empfänglichkeit der Bevölkerung für fremdenfeindliche Vorurteile.

Angeblich wahre Probleme

RechtspopulistInnen tarnen und rechtfertigen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit oftmals damit, dass sie sagen, sie würden damit „die wahren Probleme ansprechen“. Doch unter „wahre Probleme ansprechen“ werden vielfach das Schüren von Vorurteilen und das Spiel mit Feindbildern verstanden. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird zum Akt „des Mutes“ bzw. zum Akt „der Überwindung von politischer Korrektheit“ erklärt.

Dabei ist es in einer funktionierenden Demokratie in der Tat wichtig, Probleme klar anzusprechen – allerdings ohne zeitgleich eine Vorurteilsmaschinerie anzuwerfen. Zum Beispiel war die FPÖ in Österreich tatsächlich die erste Partei, die auf die Gefahr antidemokratischer islamistischer Strömungen hingewiesen hat. Allerdings war der kritische Fingerzeig vonseiten der FPÖ nie lösungsorientiert ausgerichtet, sondern Teil ihres Geschäftsmodells der Frontenbildung gegen „die Anderen“. Daher wurde von der FPÖ auch „der Islam“ als Ganzes zum Feindbild erklärt, und es wurde Stimmung gegen alle im Land befindlichen MuslimInnen gemacht. Das Geschäftsmodell der Frontenbildung würde ins Stottern geraten, wenn man stattdessen gemeinsam mit MuslimInnen gegen fundamentalistische Strömungen kämpfen würde.

Zweierlei Maß

Eine Generalisierung zum Zwecke der Frontenbildung geschieht auch in anderen Bereichen, etwa im Bereich der Kriminalität. Verbrechensfälle werden sorgfältig danach ausgewählt, ob sie sich für den Aufbau von Fronten eignen, um ethnisch und religiös definierte Gruppen pauschal zum Problem zu erklären. Im Frühjahr 2017 gab es beispielsweise binnen kurzer Zeit zwei dramatische Ereignisse in Deutschland: Ein 19-jähriger Mann tötete mit zahllosen Messerstichen zuerst einen neunjährigen Nachbarsjungen und kurz darauf einen Bekannten, bei dem er untergetaucht war. Der junge Mann hieß Marcel H. und war hellhäutig. Zu ihm fand sich kein Eintrag auf den Facebook-Seiten der FPÖ-Spitze. Wenige Tage später attackierte ein 36-jähriger Mann in Düsseldorf mehrere Menschen zuerst in der S-Bahn und dann am Bahnhof mit einer Axt und verletzte einige schwer. Laut Ermittlern soll der Mann an paranoider Schizophrenie erkrankt sein und einen psychotischen Schub gehabt haben. Doch der Mann hieß Fatmir A. und war Asylbewerber aus dem Kosovo. Das reichte für FPÖ-Spitzenpolitiker, um den Mann auf ihre Facebook-Seiten zu befördern. Seine psychische Krankheit wurde infrage gestellt. Während Doppelmörder Marcel H. nicht der richtige Mann für das Frontenbildungs-Geschäftsmodell der FPÖ war, passte Axt-Angreifer Fatmir A. perfekt in das Feindbild- und Aufwiegelungsschema.

Im Zuge solcher Aufwiegelungen werden Personen, die sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen, mit Personen, die ein Verbrechen begangen haben, zu einer Gruppe, zu einer Front verschmolzen, nur weil sie den gleichen ethnischen oder religiösen Hintergrund haben. Rechte Parteien nutzen unser Bedürfnis aus, böse Taten einzuordnen und an einem vermeintlich alles erklärenden Merkmal festzumachen.

Um der Frontenbildungsmaschinerie der RechtspopulistInnen gegenzusteuern, braucht es ein Bewusstsein darüber, dass Rassismus kein überwundenes Relikt der Vergangenheit ist, sondern eine aktuelle Gefahr. Es sind nicht nur einige wenige Spinner, die mit rassistischem Denken aufgewachsen sind. Sehr viele Menschen – auch der Autor dieser Zeilen – wurden im Laufe ihrer Sozialisation mit unterschiedlichen Formen von Vorurteilen, Generalisierungen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit konfrontiert. Sehr viele haben Teile davon verinnerlicht. Im Idealfall wurde ein großer Teil davon wieder verlernt. Doch nicht allen fällt dieses Verlernen leicht. Viele empfinden die Anstrengung, die damit verbunden ist, als unangenehm.

Herausforderung

RechtspopulistInnen machen sich das zunutze. Und sie haben dabei allzu oft leichtes Spiel, weil vielen das Bewusstsein dafür verloren gegangen ist, wie wichtig die Bekämpfung von Rassismus und radikalem Nationalismus ist. Es ist ein Kampf, der gerade mit der zunehmenden Distanz zu den rassistischen und nationalistischen Großverbrechen des Nationalsozialismus immer wieder und immer wieder intensiv geführt werden muss.

Von
Alexander Pollak
Sprecher der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/17.

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