Von wegen Scheinjob. Eine Reportage

Inhalt

  1. Seite 1 - Wirtschaftliche Ziele mit sozialen Ansprüchen
  2. Seite 2 - Vom Transitarbeitsplatz zur Festanstellung
  3. Seite 3 - Stück für Stück Leute aufbauen
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In Sozialökonomischen Betrieben soll langzeitarbeitslosen Menschen geholfen werden, über sinnstiftende und würdevolle Arbeit einen Weg in eine neue Vollzeitstelle zu finden. Eine Reise in eine Spar-Filiale und ein Restaurant des Inigo-Programms der Caritas.

Neben dem Einzelhandel ist auch die Gastronomie ein wichtiger Zweig, wenn es darum geht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Stück für Stück Leute aufbauen

Yousif Zumrawi (61)
Yousif Zumrawi hatte Probleme, auf Grund seines Alters einen neuen Job zu finden.

Wie lange sind Sie schon hier?

Etwas über ein Jahr.

Was haben Sie davor gemacht?
Ich war vorher auch in der Gastronomie. In Pubs. Ich war längere Zeit arbeitslos, dann hat mich das AMS hierher geschickt.

Warum wurden Sie arbeitslos?

Das war das Alter. Ich habe in Hotels gearbeitet, später dann im WUK, dann bin ich weg, weil ich ein Lokal aufmachen wollte, das hat aber nicht geklappt. Dann habe ich immer wieder und wieder gesucht, es hat aber nie geklappt.

Wie ist es hier im Vergleich zu anderen Arbeitsstellen?

Die Arbeitszeiten sind überall gleich. Aber hier arbeiten wirklich nette Leute, die darauf schauen, dass man sich wohl fühlt.

Suchen Sie eine andere Stelle?

Wenn es geht, würde ich gerne hierbleiben.

Milanka Kostic (31)
Milanka Kostic hat Spaß an ihrer Arbeit.

Wie lange sind sie schon hier

Zwei Monate. Vorher war ich auch Küchenhilfe.

Wie haben Sie den vorherigen Job verloren?

Ich habe gekündigt. Ich wollte nicht mehr. Es waren mehr Arbeitsstunden, aber weniger Bezahlung als hier. Das AMS hat mich dann hierher vermittelt.

Wie ist die Arbeit hier im Vergleich zu anderen Betrieben?

Super. Es ist leichter und lustiger. Es macht richtig Spaß, hier zu arbeiten.

Joy Ogbonmwan (34)
Joy Ogbonmwan freut sich über die besseren Arbeitszeiten, die vor allem auch ihrer Familie zugute kommen.

Wie lange arbeiten Sie schon hier?

Seit fünf Monaten. Vorher war ich auch als Küchenhilfe angestellt.

Dann waren Sie arbeitslos?

Ja. Dann hat mich das AMS hergeschickt.

Wie ist es hier im Vergleich zur anderen Küche?

Sehr gut. Die Leute hier helfen mir sehr. Sie schauen, ob es andere Stellen gibt und helfen bei der Suche. Die Kollegen hier sind sehr nett. In der anderen Küche konnte ich weniger Stunden arbeiten. Aber je mehr man arbeiten kann, desto besser ist es für mich. Ich habe drei Kinder und die Arbeitszeiten hier sind besser.

Amanda Hinner (29)
Amanda Hinner schätzt vor allem das gute Teamwork.

Wie lange sind sie schon hier?

Ich habe vor drei Monaten das zweite Mal wieder hier angefangen. Davor war ich auf Krankenstand wegen der Bandscheiben. Das erste Mal angefangen habe ich hier vor etwa neun Monaten. Aber ich wollte die Arbeit hier fertig machen. Ich wollte nicht anfangen, dann in den Krankenstand und dann aufhören. Ich wollte etwas arbeiten.

Was haben Sie davor gemacht?

Nur im Gastgewerbe gearbeitet. Ich habe mit 15 angefangen. Meine ganze Familie hat dort gearbeitet. Seitdem mache ich das. Meine Familie hat mir immer nur Gutes erzählt. Ich habe mir gedacht: Warum nicht?

Haben Sie eine Lehre gemacht?

Ja. Ich habe sie drei Jahre gemacht, bin aber bei der Abschlussprüfung immer an den Weinen gescheitert. Jetzt schaue ich, dass ich durch das Inigo einen Abschluss kriege. In zwei Wochen habe ich auch ein Bewerbungsgespräch.

Wie gefällt es Ihnen hier?

Sehr gut. Es ist sehr locker und ich habe Arbeitskollegen, mit denen ich mich sehr gut verstehe. In anderen Lokalen war es oft so, dass man nur für sich arbeitete und es kein Teamwork gibt. Hier ist das anders. Als ich nach meinem Krankenstand wieder rein kam, war es erst einmal schwer, mich wieder einzugewöhnen, weil es natürlich viele neue Gesichter gab, aber mit der Zeit hat das gut geklappt. Wir helfen uns viel untereinander.

Neben dem Einzelhandel ist auch die Gastronomie ein wichtiger Zweig, wenn es darum geht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Caritas betreibt zu diesem Zweck das Restaurant Inigo im ersten Bezirk, das unter den gleichen Vorgaben geführt wird, wie die Spar-Filiale.

Hier ist Christian Jordan der Küchenchef. Er ist eine der Fachkräfte, die hier langzeitarbeitslose Menschen anleiten. Das … und Psychologe: „Die Leute kommen hier oft niedergeschlagen her, dann muss man sie erst einmal aufbauen und eingliedern. Stück für Stück.“

Kleine Küche, großer Andrang

Das ist bei Inigo Teamarbeit. Die Küche ist klein, der Andrang groß. Der Ton ist bestimmt, aber freundschaftlich. Es wird viel gelacht. Trotz der körperlichen Belastung. In kaum einem anderen Beruf müssen Menschen so viel laufen wie KellnerInnen.

Das hat zum Beispiel Amanda Hinner zu spüren bekommen. Obwohl gerade einmal 29 Jahre alt, hatte sie schon Probleme mit den Bandscheiben und musste aussetzen. In so einem Beruf ist das Alter natürlich ein doppeltes Handicap. Yousif Zumrawi beispielsweise hatte immer vergleichsweise gute Jobs. Vor nicht allzu langer Zeit wollte er dann sein eigenes Lokal eröffnen, das klappte aber nicht. Anschließend suchte und suchte er, konnte aber keine neue Stelle finden.

Sinnstiftende, würdevolle Arbeit

Manch einem, der hier arbeitet, ging es auch darum, sich nicht alles gefallen zu lassen. Die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie sind mitunter hart, ohne, dass sich das für die Angestellten auszahlt. Schon gar nicht für die, die im Hintergrund arbeiten und kein direktes Trinkgeld bekommen. Die Küchenhilfen. Bei Inigo gibt es einige, die hier sind, weil sie sich nicht mehr ausbeuten lassen wollten. Hier finden sie einen Arbeitsplatz, der sinnstiftend und würdevoll gleichzeitig ist.

Sorgen um Inigo muss man sich keine machen. Dafür ist der Ruf zu gut und die Arbeit zu erfolgreich. In einer Spar-Filiale soll bald eine Küche errichtet werden, um Lebensmittel zu verkochen, die nicht mehr verkauft werden können. Die Finanzierung steht teilweise, die Behördengänge stehen noch aus. Ein großes Problem ist freilich, dass es Finanzierungszusagen immer nur für ein Jahr gibt. Ein extrem kurzes Zeitfenster, wenn man bedenkt, dass hier Betriebe mit ein paar Dutzend MitarbeiterInnen am Laufen gehalten werden.

In den hellen, hohen Regalen der Spar-Filiale sind diese Probleme weit weg. Zum Glück. Neue Ware ist angekommen und die muss in die Regale. Innerhalb von Sekunden stehen Kisten in den Ecken und Emily, Saad und Jawdat räumen auf, als wäre es das eigene Küchenregal. Danke schön.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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