Reportage: Das Beste beider Welten

Inhalt

  1. Seite 1 - Neue Wege der Zusammenarbeit
  2. Seite 2 - Keine soziale Sicherheit
  3. Seite 3 - Nach innen selbstständig
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Bei Beschäftigungsgenossenschaften greifen die Vorteile von selbstständiger Arbeit und sozialer Sicherheit des Dienstverhältnisses ineinander. Bringt diese österreichische Pionier-Idee EPUs das gute Leben?

1.600 Euro brutto

Nach den Jahren schätzt er auch die großen wirtschaftlichen Vorteile: „In puncto Kapital und Kompetenz lassen sich ganz neue Ziele erreichen. Man bekommt mehr Planungssicherheit und bringt mehr Liquidität auf den Tisch.“ Den Genossenschaftsbeitrag legen die Mitglieder selbst fest, in der Höhe des individuell gewünschten Bruttogehalts. Jedes Mitglied bringt einen persönlichen Businessplan ein, mit welchen Projekten man zur Deckung der in Kostenstellen organisierten Einheiten beiträgt. Für nicht realisierte Projekte werden Rücklagen gebildet. Fast alle arbeiten in einer 30-Stunden-Anstellung und verdienen um die 1.600

Euro brutto. „Zeitwohlstand ist uns wichtig. Wenn ich genug erwirtschaftet habe, kann ich etwas Experimentelles machen, das bringt eine gute Lebensbalance ins Unternehmerische.“

G’scheit, aber aufwendig

Denken in Kooperation ist g’scheit, aber aufwendig. Wer sich in einer Beschäftigungsgenossenschaft zusammentut, braucht Zeit und Geduld für Abstimmungsprozesse bis hin zur Bereitschaft, Entscheidungen neu zu überdenken. „Man muss kooperativ und kommunikativ sein. Das ist wie in einer WG. Über Grunddinge muss man sich einig sein. Für viele „EinzelkämpferInnen“ ist das ein Horror. Es braucht kulturell eine andere Herangehensweise, und das ist eine große Herausforderung“, so Hollinetz von Otelo.

„Entweder kann man sich gerade vor Arbeit nicht retten, oder man steht unter Druck, weil es zu wenig Arbeit gibt“, schildert Bernd Haberl ein Dilemma der Selbstständigkeit. Die Genossenschaft soll ein Ausweg daraus sein.

Aber die Gründung einer Genossenschaft braucht Zeit. Satzung, Haftungsgrenzen, Klärung arbeitsrechtlicher Belange, Eintragung in einem Revisionsverband: Das kann schon bis zu eineinhalb Jahre dauern. Bisher gingen diesen Weg Otelo, New World of Work, Smart, Inrego und eben Lekton. Die einen verstehen sich als enger Zusammenschluss, die anderen eher als solidarische Dachgemeinschaft. Gemeinsam haben sie den Wunsch, neue Formen des Zusammenarbeitens auszuprobieren.

„Selbst und ständig“, heißt der oft gar nicht ironisch gemeinte Stehsatz von Ein-Personen-UnternehmerInnen. Lekton-Grafiker und Programmierer Bernd Haberl kennt das Dilemma des Zuviel oder Zuwenig: „Entweder kann man sich gerade vor Arbeit nicht retten, oder man steht unter Druck, weil es zu wenig Aufträge gibt.“ Um diesem Dilemma zu begegnen, will man die Mitgliederzahl verdoppeln, denn so werden alle ein wenig ersetzbarer und können sich gegenseitig gut vertreten. In der Zusammenarbeit lassen sich Kompetenzen gut bündeln, zugleich wird arbeitsteiliger vorgegangen, man muss nicht mehr alles machen und können.

Nach innen selbstständig

Das Portfolio von Lekton ist vielfältig: Die Genossenschaft macht Grafikdesign, gestaltet Websites, bereitet komplexe Datensätze als Infografiken auf und entwickelt (Open-Source-)Software. Lekton arbeitet für kleine und auch große Auftraggeber der öffentlichen Hand wie für die Statistik der Stadt Wien oder im Rahmen eines Forschungsprojekts für das Tech Lab des Technischen Museums. Hier bringt die Beschäftigungsgenossenschaft das Plus, professioneller wahrgenommen zu werden, während nach innen hin jeder selbstständig bleibt.

Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der AK Wien
wien.arbeiterkammer.at/digifonds

Von
Beatrix Beneder
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/19.

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aw@oegb.at

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