Coverstory: Wie funktioniert Populismus?

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In Österreich die FPÖ, in den USA Donald Trump, in Deutschland die AfD - in vielen Teilen der Welt sind populistische Parteien seit Jahren im Aufwind. Das ist kein Zufall. Hinter ihren Erfolgen stecken ausgeklügelte, zum Teil altbewährte Strategien. Nur wer diese kennt, kann den PopulistInnen den Wind aus den Segeln nehmen.

Falsche Zahlen und Behauptungen

Um zu beweisen, dass ihre Hetze gegen die „Anderen“ berechtigt ist, arbeiten PopulistInnen mit falschen Zahlen und falschen Behauptungen. Sie aktivieren negative Gefühle, Ängste und Vorurteile, indem sie empörende Einzelfälle aus der konstruierten Gruppe der „Anderen“ schildern und diese dann für die gesamte Gruppe verallgemeinern.

Dass die dazu präsentierten Zahlen mitunter frei erfunden sind, ist für sie unproblematisch, weil die Zahlen ohne intensive Recherche kaum überprüfbar sind. So hat zum Beispiel Heinz-Christian Strache auf seiner Facebook-Seite bereits mehrmals eine Grafik veröffentlicht, die belegen soll, wie sehr der österreichische Staat AsylwerberInnen gegenüber Einheimischen bevorzugt.

In Straches Darstellung wird ein Asylwerber mit sechs Kindern mit einem Facharbeiter mit drei Kindern verglichen. Dem Asylwerber werden außerdem Zahlungen aus der Familienbeihilfe zugerechnet, obwohl AsylwerberInnen keine Familienbeihilfe erhalten. Und die Ausgaben der Krankenversicherung werden nur der AsylwerberInnenfamilie in Rechnung gestellt, obwohl ÖsterreicherInnen genauso darauf Anspruch haben.

Die Zahlen sind falsch, die Botschaft kommt trotzdem an. Das personifizierte Paradebeispiel für falsche und irreführende Behauptungen ist US-Präsident Donald Trump. Niemand lügt nachweislich so viel wie er. Laut Fact Checker der „Washington Post“ verbreitete Trump seit seiner Amtseinführung im Jänner 2017 im Schnitt fünf Unwahrheiten am Tag – schon Anfang August hatte er die Tausendermarke geknackt.

Die Rolle der Medien

Qualitätsmedien orientieren sich an Tatsachen, überprüfen Aussagen und Zahlen, und sie stellen kritische Fragen. Für populistische Politik sind sie damit unbrauchbar. Stattdessen werden sie mit Ausdrücken wie „Lügenpresse“ zu Feinden erklärt.

Ausgewählte Massenmedien hingegen nehmen die Rolle als Partner ein. „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen“, sagt beispielsweise Richard Schmitt, Chefredakteur von krone.at.

Um ihre Botschaften noch weiter zu streuen, bauen PopulistInnen zusätzlich eine eigene Medienwelt auf. Darum hat Donald Trump den Leiter des Zentralorgans der rechtsextremen „Alt-Right“-Bewegung, „Breitbart“-Chef Stephen Bannon, in sein Wahlkampfteam geholt. Und auch die FPÖ hat in den vergangenen Jahren ein kleines Medienimperium aufgebaut: Neben ihrer traditionellen Parteizeitung „Neue Freie Zeitung“, der von Andreas Mölzer herausgegebenen Wochenzeitung „Zur Zeit“ und dem freiheitlichen Monatsmagazin „Aula“ gibt es seit 2015 bzw. 2016 im FPÖ-Umfeld zwei neue Printprodukte: die Zeitschriften „Info-Direkt“ und „Wochenblick“ – beide haben ihren Sitz in Oberösterreich und beide haben trotz personeller Überschneidungen offiziell nichts mit der FPÖ zu tun.

Schon im Jahr 2012 startete die FPÖ ihr eigenes Internetfernsehen: FPÖ TV konzentriert sich auf Jubelmeldungen über die eigene und Negativberichterstattung über andere Parteien. Und seit 2009 ist die unter anderem von FPÖ-Politiker Martin Graf gegründete Website unzensuriert.at online, auf der die FPÖ inseriert und deren Inhalte von FPÖ-PolitikerInnen gerne auf Facebook geteilt werden.

Ihr mediales Netzwerk nutzen PopulistInnen gerne, um mehr direkte Demokratie zu fordern. Dabei geht es ihnen in Wahrheit nicht um „mehr“ Demokratie, sondern um eine „andere“, populistischere Demokratie.

Direktdemokratische Entscheidungen wie Volksentscheide lassen sich zum einen sehr viel schwerer korrigieren als Parlamentsbeschlüsse – man denke an die Brexit-Abstimmung –, aber Volksbefragungen, Volksabstimmungen und Referenden bringen PopulistInnen auch etwas, bevor sie überhaupt stattfinden. Nämlich: Abstimmungskampagnen.

Derartige Kampagnen zu fahren fällt PopulistInnen wesentlich leichter, als normale Parlaments- oder gar Regierungsarbeit zu leisten. Mit Abstimmungskampagnen können PopulistInnen Druck aufbauen – Druck auf die Regierung, wenn sie in der Opposition sind, Druck auf Regierungspartner, wenn sie in einer Koalition regieren.

Feinde der Demokratie

Sind PopulistInnen an der Macht, richten sie diese Macht ganz schnell darauf aus, eigene, antipluralistische Gesetze und Verfassungen zu erlassen, um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. Den „Volkswillen“ versuchen sie dann möglichst schnell auszuhebeln, die Demokratie und ihre Institutionen autoritär umzubauen. Anschauliche Beispiele sind die jüngsten politischen Entwicklungen in Ungarn, Polen oder in der Türkei.

Populistische Bewegungen sind autoritär, stehen unter der direkten Leitung einer Gruppe oder Einzelperson. An der Ausweitung der Partizipation haben PopulistInnen keinerlei Interesse. Denn PopulistInnen sind Feinde der Demokratie.

Von
Dietmar Meister

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/17.

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Über den/die Autor:in

Dietmar Meister

Dietmar Meister ist Chef vom Dienst in der Kommunikationsabteilung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Der gebürtige Südtiroler lebt seit 15 Jahren in Wien, wo er Journalismus und Politikwissenschaft studiert und mehrere Jahre als freier Journalist und Redakteur gearbeitet hat.

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