Coverstory: Das Wackelhaus

Jeder Vierte wünscht sich: „Die Politik muss sich mehr ums Wohnen kümmern.“ AK-Mietumfrage 2017
(C) Foto: Markus Zahradnik, Konzept & Produktion: Thomas Jarmer

Inhalt

  1. Seite 1 - Angebot und Problem Befristung
  2. Seite 2 - Schleichende Privatisierung
  3. Seite 3 - Kluge Raumordnung
  4. Auf einer Seite lesen >
Massive Preisanstiege, MaklerInnengebühren, Befristungen und intransparente Zuschläge: Wohnungssuchende kämpfen mit vielen Schwierigkeiten. Wie schaffen wir es, dass städtisches Wohnen wieder leistbar wird?
Einst waren es Horrorberichte aus Städten wie New York, London oder Paris: Endlose Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen, unfassbar hohe Mieten und Wohnungen, die diese Bezeichnung kaum zu verdienen schienen, weil sie so klein waren. In Städten wie Innsbruck scheint man inzwischen gar nicht mehr so weit von solchen Zuständen entfernt zu sein. Und auch in Wien stoßen Wohnungssuchende immer häufiger auf dieselben Probleme: zu teure Mieten, zu hohe Maklergebühren und viel zu viele Befristungen.

Mietumfrage: Mehr als die Hälfte gab an, dass die Mieten allgemein zu hoch sind.

Das bestätigt auch die 2017 von der AK durchgeführte Mietumfrage. Über 3.300 Personen haben daran teilgenommen und ihre Erfahrungen geteilt. Mehr als die Hälfte gab an, dass die Mieten allgemein zu hoch sind. 42 Prozent der Befragten stuften dabei die Wohnkosten als sehr hoch oder hoch belastend ein. Das liegt vor allem daran, dass sich Mietkosten überproportional zur Lohnsteigerung entwickelten. Während sich der Medianlohn in den letzten zehn Jahren nur um 22 Prozent erhöhte, beträgt die Steigerung der Wohnkosten bei Mietwohnungen 35 Prozent. Bei den Betriebskosten ist ein Anstieg von 20 Prozent zu verzeichnen. Früher galt die Faustregel, dass für das Wohnen zwischen 20 und 25 Prozent des Gehalts einzurechnen waren. Wer heute jedoch keine Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung hat, gibt bereits im Schnitt zwischen 30 und 40 Prozent des Gehalts fürs Wohnen aus.

Mehr als jedes zweite Mietverhältnis bei privaten Mietwohnungen ist befristet.

Eine weitere Problematik stellt das Wohnen auf Zeit dar: Mehr als jedes zweite Mietverhältnis bei privaten Mietwohnungen ist befristet. Demgegenüber steht die Zahl jener MieterInnen, die tatsächlich eine Befristung wollten – und das sind lediglich 13 Prozent. Und dennoch ließen sich 87 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen entgegen eigenem Wunsch und aufgrund fehlender Alternativen auf ein befristetes Mietverhältnis ein. Zahlen der Statistik Austria belegen dies: Von 2008 bis 2018 hat sich die Zahl der befristeten privaten Mietverträge von 359.863 auf 657.638 fast verdoppelt. Werden Wohnungen von privaten VermieterInnen eines Tages beispielsweise für den Wohnbedarf der Kinder gebraucht, können Befristungen durchaus Sinn machen. Nicht jedoch bei kommerziellen Vermietern, bei denen einzig die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht.

Problem Befristungen

Auch die Dauer der Befristungen ist in vielen Fällen problematisch. 71 Prozent der befristeten Verträge werden auf die Dauer von weniger als fünf Jahren abgeschlossen. Alarmierend ist jedoch auch, dass weitere 14 Prozent der befristeten Verträge sogar eine Dauer von unter drei Jahren haben, was gesetzlich gar nicht zulässig ist. Die Mindestdauer beträgt immerhin drei Jahre. Ein weiteres zentrales Thema sind die hohen Maklergebühren. Denn am privaten Wohnungsmarkt beauftragen VermieterInnen immer öfter Makler und wälzen die Kosten dafür auf die MieterInnen ab. Deshalb fordern AK und Gewerkschaften auch, dass jene, die Maklerunternehmen bestellen, diese auch bezahlen.

Klar ist: Es braucht Maßnahmen zur Entlastung der MieterInnen.

Klar ist: Es braucht Maßnahmen zur Entlastung der MieterInnen. Die Befragten wünschen sich in erster Linie Mietenbegrenzungen, die Abschaffung von Provisionsgebühren sowie einen leichteren Zugang zum sozialen Wohnbau. Denn die Frage des Wohnens ist eben auch eine Verteilungsfrage: Wenn ein größerer Teil des Einkommens ins Wohnen fließen muss, macht sich das natürlich auch beim Haushaltsbudget bemerkbar – und je höher der Verdienst, desto geringer der Anteil, den die Wohnausgaben ausmachen. Daher ist auch die folgende Kernaussage der Mietumfrage nicht verwunderlich: „Jeder Vierte wünscht sich: Die Politik muss sich mehr ums Wohnen kümmern.“

Doch wer genau sitzt hier am Hebel, um leistbares Wohnen zu ermöglichen? Sind es die Länder? Ist es der Bund? Generell liegt die Wohnbauförderung in der Kompetenz der Länder. „Übersehen wird dabei geflissentlich, dass der Bund mittels Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), Mietrecht, indirekter Förderinstrumente und der Bundesverfassung selbst wichtige Hebel in der Hand hält“, so Walter Rosifka, Leiter des Teams Wohnen der AK Wien. „Er setzt diese allerdings nur unzureichend für leistbares Wohnen in Bewegung.“

„Damit die Kosten für das Wohnen nicht einen noch höheren Anteil des Einkommens der Haushalte verschlingen, braucht es vor allem eine Ausweitung des sozialen Wohnungsangebots und eine Reform des Mietrechts.“ Lukas Tockner, Referent für Wohnungspolitik der AK Wien

Mehr Angebot!

Oft gehe es nur darum, durch Neubauten das Angebot an Wohnungen zu erhöhen. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass der so geschaffene Wohnraum auch leistbar ist. Rosifka betont: „In der Regel sind die Mieten in Neubauwohnungen für breite Bevölkerungskreise nur dann bezahlbar, wenn die Wohnbauten mit öffentlichen Wohnbauförderungsmitteln errichtet werden und die Fördernehmer verpflichtet sind, die Fördervorteile an die BewohnerInnen weiterzugeben.“

Selbst Wohnungen, die mit öffentlichen Fördermitteln errichtet werden, bleiben nicht zwangsläufig dauerhaft und nachhaltig leistbar.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Selbst Wohnungen, die mit öffentlichen Fördermitteln errichtet werden, bleiben nicht zwangsläufig dauerhaft und nachhaltig leistbar. Denn Länder dürfen die Mietzinsobergrenzen – wenn eine Finanzierung mittels Darlehen erfolgt – nur bis zur Rückzahlung der Förderdarlehen bzw. 25 Jahre nach Zuschussgewährung vorsehen. Danach greift nur mehr das Mietrechtsgesetz, das einen „angemessenen“ Hauptmietzins vorsieht – also kann der Vermieter bzw. die Vermieterin mehr oder weniger das verlangen, was der Markt hergibt, erklärt AK-Wohnexperte Rosifka.

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Über den/die Autor:in

Beatrix Mittermann

Beatrix Mittermann hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

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