Autonomie bei der Arbeitszeit

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Ein aktuelles Reizwort ist Arbeitzeitflexibilisierung. Für ArbeitnehmerInnen wäre eine weitgehende Autonomie bei der Einteilung ihrer Arbeitszeit wichtig.
42 Jahre ist es jetzt her, als sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine volle Anstellung hatten, freuen durften: Sie mussten weniger Stunden arbeiten. Denn damals wurde beschlossen, die Regelarbeitszeit auf 40 Stunden zu verkürzen. Für die Beschäftigten bedeutete das, dass sie insgesamt fünf Stunden weniger pro Woche arbeiten mussten.

Stufenweise Senkung

Die Arbeitszeitverkürzung kam allerdings nicht auf einen Schlag, vielmehr wurde die Arbeitszeit von 1970 an stufenweise von 45 auf 40 Wochenstunden gesenkt. Seither hat sich enorm viel verändert: Geld wird heute völlig anders verdient als 1975, Computer haben unser Leben erobert und uns in vielerlei Hinsicht die Arbeit erleichtert, vernetzte Maschinen produzieren unsere Güter und haben die Produktivität gesteigert. Der Mensch nimmt in diesem System eine ganz neue Rolle ein. Immer mehr entwickelt er sich zum Experten/zur Expertin und ProgrammiererIn dieser automatisierten Systeme, anstatt wie früher vieles händisch zu erledigen.

Die Frage, ob die Regelarbeitszeit von derzeit 40 Wochenstunden nach 42 Jahren nicht überholt sein könnte, ist mehr als erlaubt – und beschäftigt auch die Sozialpartner, wenngleich aus unterschiedlichen Perspektiven. Martin Müller, Jurist und Leiter des Referats Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB, sagt: „Die Arbeitsintensität hat sich enorm verdichtet: 40 Stunden Arbeit in den Siebzigerjahren hat etwas anderes bedeutet als 40 Stunden Arbeit heute. Die Arbeitsbelastung ist höher geworden.“ Eine Verkürzung der Arbeitszeit sei aber nicht nur aus diesem Grund anzustreben.

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De facto 43 Stunden

Die vollzeitbeschäftigten ÖsterreicherInnen arbeiteten im Jahr 2016 de facto, also inklusive Überstunden, sogar fast 43 Stunden pro Woche. Die Tendenz geht zwar von Jahr zu Jahr abwärts: 2006 lag die Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten in Österreich noch bei 44,2 Stunden. Dennoch liegt Österreich deutlich über dem EU-Schnitt von 41,4 Stunden. Nur GriechInnen (44,6) und IsländerInnen (45) arbeiten noch mehr. Genau gleich viele Stunden wie Österreichs ArbeitnehmerInnen arbeiten die BritInnen (42,8).

Auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen hätte ein 12-Stunden-Tag als Norm, wie ihn unter anderem die Industriellenvereinigung fordert, negative Konsequenzen. Das belegt auch eine Studie, die das Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien Anfang 2017 zum Ermüdungszustand nach einem 12-stündigen Arbeitstag vorgestellt hat.

Gerhard Blasche und Daniela Haluza sind darin zu dem Ergebnis gekommen, dass solch lange Arbeitsdienste zu einer erheblichen Tagesermüdung führen, die auf normalem Weg nur schwer wieder abgebaut werden kann. Konkret ist demnach der Ermüdungszuwachs während eines 12-Stunden-Dienstes dreimal höher als an einem arbeitsfreien Tag. Zudem nimmt die Ermüdung bei zwei aufeinanderfolgenden 12-Stunden-Diensten signifikant zu: Die Erholung am Tagesrand reiche dann nicht mehr aus, um diese Ermüdung sofort auszugleichen. Ja, es wären sogar im Anschluss drei freie Tage notwendig, um sich vollständig zu erholen. Bei fast jedem Menschen gibt es der Studie zufolge spätestens ab der zehnten Arbeitsstunde einen deutlichen Leistungsknick – erhöhte Unfallgefahr inklusive.

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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