AMS-Zwischenparken: Die Vollkaskomentalität Wirtschaftstreibender

Schatten von Personen, die arbeitslos sind, an einer Wand. Symbolbild für AMS-Zwischenparken.
Unternehmen nutzen die Arbeitslosenversicherung als persönliche Subventionsmaßnahme. | © Adobe Stock/skrotov
Während Arbeitslose immer häufiger vom AMS sanktioniert werden, lagern Unternehmen branchenweit Personalkosten an das AMS aus, indem sie Beschäftigte kündigen und kurze Zeit später wieder einstellen. Ein Kommentar von Michael Mazohl.
Es hat in Österreich gute, alte Tradition. Speziell in der Baubranche, der Beherbergung und Gastronomie ist es Usus, dass Arbeitgeber:innen ihre Beschäftigte bei Auftragsschwankungen oder in der Nebensaison zum AMS „stempeln“ schicken. Durch dieses AMS-Zwischenparken entstehen Kosten von einer halben Milliarde Euro pro Jahr. Gezahlt von der Arbeitslosenversicherung. Trotzdem ist diese Praxis nicht illegal. Den Unternehmen drohen keinerlei Sanktionen.

AMS-Zwischenparken: Ein Prozent der Arbeitslosenrate durch „Recalls“

„Recall“ bedeutet die Wiedereinstellung einer arbeitslos gemeldeten Person bei dem:derselben Arbeitgeber:in, bei der sie zuvor beschäftigt war. Im Jahr 2018 war mehr als jede achte Beschäftigungsaufnahme ein Recall. Ganze 6,4 Prozent passierten sogar innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Eine Niederlassung des AMS in Österreich. Symbolbild für das AMS-Zwischenparken.
Das AMS muss die Menschen bezahlen, bis die Unternehmen selbst wieder Lust daraus haben. | © Adobe Stock/ZIHE

Einerseits lagern mit dem AMS-Zwischenparken ihr unternehmerisches Risiko an die Allgemeinheit aus. Die Unternehmen sparen sich die Löhne. Andererseits schaden sie damit auch ihren eigenen Beschäftigten. Diese fallen in der Arbeitslosenversicherung auf etwas mehr als die Hälfte ihres regulären Einkommens. Damit reduziert sich nicht nur der Pensionsanspruch, sondern auch zukünftige Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.  Auch das Krankengeld bei längeren Krankenständen verringert sich.

Sanktionen nur für „AMS-Kundinnen und Kunden“

Anders als die Unternehmen sanktioniert die Politik Bezieher:innen des Arbeitslosengelds aber sehr wohl. Und auch sehr hart. Das AMS bewertet äußerst streng, ob seine „Kund:innen“ Bewerbungen „vereiteln“. Für eine Sanktion muss nicht einmal ein Job aktiv abgelehnt werden. Es reichen kleine Fehler wie schlampige Angaben im Bewerbungsschreiben, um für sechs bis acht Wochen für das Arbeitslosengeld gesperrt zu werden.

Von 2016 bis 2018, also während der schwarz-blauen Bundesregierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ), kam es zu einer bisher nicht dagewesenen Steigerung der Sanktionen. Sie haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Hand in Hand ging das mit der Ankündigung einer Reform des Arbeitslosengelds, inklusive des Vorhabens von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, die Notstandshilfe abzuschaffen. Was Hartz 4 in Österreich bedeuten würde. Statt über die Leistungen des Arbeitsmarktservice wurde über möglichen Leistungsmissbrauch diskutiert. Statt über neue Jobs wurde über „Anreize“ (damit waren Leistungskürzungen und Sanktionen gemeint) gesprochen, damit Arbeitslose schneller wieder arbeiten gehen. So die Behauptung.

Ziel war es, Arbeitslose unter Druck zu setzen, damit diese möglichst schnell – auch zu schlechten Bedingungen – einen Job annehmen mussten. Nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie steigen die Sanktionen nun erneut auf Rekordhöhe.  Und gleichzeitig wird wieder eine Reform angekündigt, diesmal von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP).

Druck auf der einen Seite, Subventionen auf der anderen

Die Politik treibt Arbeitslose mit allen Mitteln in schlecht bezahlte Jobs. Nicht nur mit dem finanziellen Druck durch die geringe Höhe des Arbeitslosengelds, sondern auch durch Zumutbarkeitsbedingungen, die immer weiter verschärft werden, die Betroffene in eigentlich unzumutbare Arbeitsverhältnisse zwingen. Mittlerweile darf etwa der Weg zur Arbeitsstätte und zurück drei Stunden dauern. Bei Wirtschaftstreibenden wird einfach weggeschaut, wenn sie sich über das AMS ihre Personalkosten absichern. Als ob es sich bei der Arbeitslosenversicherung, die die Arbeitnehmer:innen zahlen, um die eigene Vollkaskoversicherung handelt. Wie eine Subvention wird eine halbe Milliarde Euro jährlich einfach negativ in der Bilanz des AMS verbucht.

Überhaupt verhalten sich Behörden rigoros an die Vorschriften, wenn es um die Kontrolle von jenen geht, die eh schon wenig haben. So wurde 2017 eine „Task Force Sozialleistungsbetrug“ eingerichtet. Bis Juni 2022 konnte sie in Summe Fälle in der Gesamthöhe von 60 Millionen Euro aufdecken. Für die Reform der Arbeitslosenversicherung, die Arbeitsminister Martin Kocher zuerst im Juni, dann im Herbst vorlegen wollte, wäre das ein sinnvolles Vorhaben: Die Sanktionierung von Recalls, verbunden mit der Einrichtung einer eigenen Task Force „Arbeitslosengeldmissbrauch durch Arbeitgeber:innen“. Mit einem Fokus auf das AMS-Zwischenparken.

Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erscheint ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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