Alte Frische für den Arbeitsmarkt

ältere frau im büro schaut auf computer, ältere Arbeitnehmer:innen
Wäre ein Bonus-Malus-System für Unternehmen die Lösung, um Arbeitnehmer:innen länger in Betrieben zu halten? (c) Adobe Stock, contrastwerkstatt
Ein Erfahrungsschatz für jedes Unternehmen: Ältere Arbeitnehmer:innen sind mit ihrem Wissen und Know-how wichtig für die Wirtschaft. Warum macht man es dann der Generation 50+ so schwer, im Alter eine neue Arbeit zu finden?
Im Durchschnitt sind Österreicher:innen 43,2 Jahre alt. Vor zehn Jahren lag das Alter noch deutlich darunter, nämlich bei „jungen“ 42 Jahren. Die Tendenz ist eindeutig: Durch die niedrige Geburtenrate wird der Altersschnitt zukünftig weiter ansteigen. Eine alternde Bevölkerung bedeutet naturgemäß, dass auf den Arbeitsmarkt mehr ältere Arbeitnehmer:innen strömen. Diese erfahrenen Kräfte, sollte man meinen, könnten Unternehmen gut gebrauchen. Ein Irrtum: Über-Fünfzigjährige, die ihren Job verlieren, suchen oft jahrelang nach einer neuen Beschäftigungsmöglichkeit. Betriebe verzichten lieber auf Berufserfahrung und Wissen, das jüngere Arbeitnehmer:innen noch nicht mitbringen können. Die bekommen am Arbeitsmarkt häufig den Vorzug, da sie kostengünstiger sind und noch eine längere Zeit im Erwerbsleben stehen als Menschen der Generation 50+.

Zu dieser frustrierenden Situation der Altersarbeitslosigkeit gesellt sich noch ein weiterer zentraler Faktor: die Altersarmut. Besonders Ältere sind von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen und tun sich schwer, wieder einen Job zu finden. Ab einem Alter von 50 Jahren müssen derzeit 50,3 Prozent (Erhebungsstand 2021) der beim AMS vorgemerkten Personen damit rechnen, dass sie mehr als zwölf Monate benötigen, um wieder in das Berufsleben einsteigen zu können. Das zeigen die offiziellen Zahlen des AMS. Insgesamt sind 62 Prozent aller Arbeitnehmer:innen dieser Altersgruppe in einer Beschäftigung. Es möchten zwar deutlich mehr, nur bekommen diese selten eine Chance. Julia Stroj, Ökonomin und Referentin im Grundlagenbereich des ÖGB, ortet schon in der Altersdefinition ein gravierendes Dilemma:

„Ab wann wird man denn zu den älteren Beschäftigten gezählt? Etwa ab 55? Oder ab 50? Wenn man alle ab 45 als eine Belastung ansehen würde, dann blieben wohl nur wenige Arbeitnehmer:innen über, speziell in jenen Berufen, die längere Ausbildungs- und Einarbeitungszeiten erfordern.“

Negativ fürs Pensionskonto

Noch schlechter: Ein länger bezogenes Arbeitslosengeld wirkt sich negativ auf die Pension aus. Ist man mehrere Jahre auf das AMS-Geld angewiesen und kommt es zu keiner Arbeitsaufnahme mehr, dann herrschen magere Zeiten am Pensionskonto. „Bezieht man Arbeitslosengeld, wird im Pensionskonto davon ausgegangen, dass man 70 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommens verdient, das zur Berechnung des Arbeitslosengeldes herangezogen wird. Bezieht man Notstandshilfe, wird im Pensionskonto davon ausgegangen, dass man 92 Prozent der 70 Prozent des Bruttoeinkommens verdient, das der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegt wird“, sagt Dinah Djalinous-Glatz, die im ÖGB Referatsleiterin für Sozialversicherungspolitik und Vertreterin in der Alterssicherungskommission ist.

Ein frustrierendes Beispiel nennt die Referentin in der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien, Johanna Rachbauer: „Wenn ein 55-jähriger Arbeitnehmer 2.500 Euro Bruttoverdienst hat, ist die monatliche Leistung ins Pensionskonto 44,50 Euro. Sollte diese Person jedoch stattdessen Arbeitslosengeld und dann Notstandshilfe bis zum Antritt der Alterspension beziehen, fließen monatlich nur 28,66 Euro auf das Pensionskonto. Die Bruttopension dieses Arbeitnehmers würde sich – bereinigt um Inflation und Reallohnsteigerung – um etwa 169 Euro reduzieren.“

Ältere Arbeitnehmer:innen: Upgraden leicht gemacht

Innovative Beispiele wie man Dienstnehmer:innen langfristig im Unternehmen halten kann, finden sich auf internationaler Ebene. In Italien kann man ab fünf Jahren Betriebszugehörigkeit beispielsweise eine Auszeit nehmen, um je nach Situation eine noch nicht abgeschlossene Schulausbildung zu beenden, eine weitere Qualifikation zu erlangen oder ein Studium abzuschließen. Oder etwa Norwegen, das ein Kompetenzprogramm für Arbeitnehmer:innen testete, das zum Ziel hatte, fehlende Fähigkeiten zu erlernen oder vorhandenes Know-how „upzugraden“. In Österreich gibt es ebenfalls Initiativen, um Personen länger im Betrieb zu halten. Eine davon ist das Gemeinschaftsprojekt arbeit&alter von AK, ÖGB, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.

Durch dieses Projekt möchte man eine altersgerechte Arbeitswelt in den Bereichen Gesundheit, Arbeitsorganisation, Führung und Weiterbildung schaffen. „Ich bin seit November 2002 als Techniker im Drei-Schichtbetrieb bei Manner in Wolkersdorf tätig. Meine Hauptaufgabe ist die Reparatur und Wartung der Verpackungslinien in der Produktion“, sagt Dario M.*. Dario ist 57 Jahre alt. Sein Unternehmen, der Süßwarenhersteller Josef Manner & Comp. AG, nimmt am Projekt Fit2work teil, das ein altersgerechtes Arbeiten ermöglicht. „Fit2work gibt es schon einige Jahre bei Manner und Maßnahmen im Bereich Hebehilfen, Gehörschutz etc. wurden umgesetzt, die zur allgemeinen Arbeitserleichterung beigetragen haben“, so Dario. Dass altersgerechtes Arbeiten immer mehr an Relevanz gewinnt, merkte auch der Techniker bei Manner. Nach einem Burn-out setzten sich die Betriebsräte und sein Vorgesetzter stark für eine Rückkehr in das Unternehmen ein. „Mir war eine Versetzung in ein anderes Team möglich, und so konnten mir einige Monate Krankenstand erspart werden“, ist Dario überzeugt.

Wenn man alle ab 45 als eine Belastung ansehen würde,
dann blieben wohl nur wenige Arbeitnehmer:innen über. 

Julia Stroj, Ökonomin und Referentin im Grundlagenbereich des ÖGB

Ältere Arbeitnehmer:innen
Für ein Bonus-Malus-System spricht sich ÖGB-Expertin Dinah Djalinous-Glatz aus.

Ein bisschen Nachhilfe ist nötig

Was tun mit Unternehmen, die älteren Beschäftigten keine Chance geben. Hier könnte ein Bonus-Malus-System Abhilfe schaffen. „Sinnvoll wäre so ein System ab einer gewissen Größe des Unternehmens. Das bedeutet: Beschäftigt ein Unternehmen mehr ältere Arbeitnehmer:innen als im Branchenschnitt, erhält es einen Bonus. Beschäftigt ein Unternehmen jedoch weniger, sollte dieses wiederum einen Malus zahlen müssen“, sagt Djalinous-Glatz. Und AK-Spezialistin Johanna Rachbauer ergänzt: „Diese Ausgleichszahlungen sollten wiederum für sonstige Fördermaßnahmen für ältere Beschäftigte, wie Einstellbonus oder Betriebsmaßnahmen, verwendet werden.“ Sicher ist jedenfalls, dass Betriebe auf das Know-how der älteren Beschäftigten nicht verzichten können und Unternehmen wie Politik wertschätzende Rahmenbedingungen für diese Arbeitnehmer:innen schaffen müssen.

* Name von der Redaktion geändert

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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