Kommentar: Krankenstand ist kein Vergehen

Eine kranke Frau sitzt auf der Couch mit Medikamenten, Tee und Taschentüchern. Symbolbild für den Druck von Arbeitgeber:innen auf Menschen im Krankenstand.
Der Druck von Arbeitgeber:innen auf Menschen im Krankenstand steigt. Das ist gesetzeswidrig. | © Adobe Stock/terovesalainen
Wer krank ist, soll sich rechtfertigen. Wer fehlt, wird misstrauisch beäugt. In vielen Betrieben wird der Druck auf Beschäftigte im Krankenstand größer. Das ist nicht nur unangebracht, sondern gesetzeswidrig.
Der Chef, der sich schriftlich erkundigt, welche Therapie die Ärztin verordnet hat, weil „man den Patienten im Freien gesehen“ habe; die Führungskraft, die nach fünf Tagen ärztlich verordneten Fehlens wissen will, wie die Diagnose eigentlich lautet; oder die Teamleiterin, die fragt, ob man im Krankenstand nicht zumindest online an der Klausur teilnehmen könne: Es wird enger, das spürt man. Viele Unternehmen erhöhen den Druck auf ihre Mitarbeiter:innen.

Betriebsratsseitig muss man da entschlossen dagegenhalten. Schon gesunde Menschen unter Druck zu setzen ist unangemessen, aber Kranken nachzustellen ist nicht nur empörend, sondern schlicht unzulässig. Neben entsprechenden Rechtshinweisen hilft es, darauf aufmerksam zu machen, dass Ärzt:innen entscheiden, ob jemand arbeitsfähig ist, und nicht die Patient:innen selbst. So wenig, wie man sich aussucht, ob man krank ist, so wenig sucht man sich aus, ob man arbeiten kann.

Aufklärungsarbeit im Betrieb

Manchmal – in Österreich zuletzt im Schnitt knapp 15 Tage pro Jahr – ist man dazu eben außerstande. Und selbstverständlich ist eine Krankheit so höchstpersönlich, dass ihre näheren Umstände nur Menschen etwas angehen, denen der:die Patient:in sich auch mitteilen will, aber sicher nicht von Neugier geplagtes Leitungspersonal. Da muss man manchmal in einem freundlich, entschiedenen Gespräch Aufklärungsarbeit leisten.

Hier sind aber nicht nur Betriebsrät:innen, sondern auch Unternehmen, Führungskräfte und letztlich wir alle als Gesellschaft gefordert: Es wäre gut investiertes Geld, wenn Unternehmen ihren Führungskräften beibrachten, wie ein legaler Umgang mit Krankenstand ausschaut. Noch besser wäre es, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen grundlegend vertrauen wurden.

Das wurde auch ein besseres Klima schaffen, in dem Menschen zumeist auch besser arbeiten. Und am besten wäre es überhaupt, über den Tellerrand der eigenen Erfahrungen in Unternehmen hinauszudenken: Die Gesellschaft wird älter, die durchschnittliche Arbeitskraft auch. Die Krankenstände werden sich häufen, weil manche nach jahrzehntelanger Arbeit einfach nicht mehr können.

Veränderung der Gesellschaft

Augen, die sich auf Bildschirme richten, werden im Alter nicht schärfer, Arme, die schwer heben, nicht kräftiger. Wir müssen uns überlegen, wie wir als gesamte Gesellschaft damit umgehen, dass zusehends mehr von uns älter und immer wieder krank werden.

Misstrauen und Druck sind schlechte Ratgeber, es wird mehr Miteinander und Fürsorge geben müssen. Abschaffen und kürzen ist auch mäßig probat: Das Aus der Förderung für die geblockte Altersteilzeit wird nicht dazu führen, dass sich Unternehmen um das Recruiting von 60-Jährigen reißen. Und auch wenn sich das eingedenk manch schwarzer Schafe unpopulär lesen mag: Es wird auch mehr und nicht weniger Investitionen in den Sozialstaat brauchen.

Juhuuuu – Wochenende steht vor der Tür! 🥳🥳 Hoffentlich kannst du es genießen.
Falls du krank im Bett 🤧🤒 liegst, gute Besserung. Was beim Krankenstand gilt – wir klären über acht Mythen auf. Fact or Fiction? ⬇️
wien.arbeiterkammer.at/beratung/arb…

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— @Arbeiterkammer (@arbeiterkammer.at) 24. Oktober 2025 um 07:49

Statt zu überlegen, wie man bei den Kranken und Alten kürzt, wird man sich eher überlegen müssen, wie man sie bestmöglich schützt. Das sind wir nicht nur ihnen, das sind wir im Sinne von Mitmenschlichkeit und Solidarität uns allen schuldig.

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Über den/die Autor:in

Konrad Mitschka

Konrad Mitschka ist Betriebsratsmitglied im ORF, wo er als Redakteur arbeitet.

Foto: ORF/Thomas Jantzen

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