LKH-Universitätsklinikum Graz: So hilft Digitalisierung bei der Arbeitssicherheit

Eine Frau sitzt vor einem PC. Hinter ihr liegt eine Person vor einer MRT-Röhre. Symbolbild für Arbeitssicherheit und Digitalisierung.
Durch das E-Learning-Tool kann sich Radiologietechnologin Sabine Pfandl wieder besser ihrer Haupttätigkeit widmen. | © Markus Zahradnik
In der Steiermark werden Mitarbeiter:innen künftig online für den sicheren Umgang mit MRT-Geräten geschult, im Burgenland analysiert ein Tool die Luftqualität in der Schweißhalle. Wie verändert Digitalisierung unsere Arbeitsgesundheit?
Ein Klopfer auf die Brusttaschen, einer auf die Hosentaschen, ein kurzer Check, ob sie leer sind. Erst dann betritt Sabine Pfandl ihren Arbeitsplatz im LKH-Universitätsklinikum Graz, der mit einem großen roten Stoppschild am Boden und an der Tür gekennzeichnet ist. Es sind Handgriffe, die Pfandl tagtäglich zigmal macht – und sie sind essenziell für ihre Sicherheit. Die Frau um die 60 leitet seit den 1990er-Jahren die Radiologietechnologie und arbeitet seit beinahe 40 Jahren mit MRT-Geräten. Sie war dabei, als die erste Maschine in ganz Österreich nach Graz geliefert wurde. Inzwischen gibt es allein am Uniklinikum sechs MRT-Geräte, und die sind nicht ungefährlich.

Magnetresonanztomografen kommen ohne Röntgenstrahlen aus und eignen sich besonders gut zur Darstellung von Gehirn, Muskeln, Organen und Gelenken. Das starke Magnetfeld der Geräte muss Tag und Nacht aufrechterhalten werden. Das bedeutet auch, dass die Maschine dauerhaft Metalle und magnetische Objekte anzieht. Befindet sich ein:e Patient:in in der Röhre, und plötzlich reißt es ein Narkosegerät rein, kann das schwere Schäden erzeugen. Es braucht entsprechende Sicherheitsmaßnahmen, sodass nur Dinge in den Raum kommen, die MR-tauglich sind – vom Wischmopp bis zum Herzschrittmacher. Patient:innen, Radiologietechnolog:innen, Pflegepersonal, Reinigungskräfte: Alle, die in dem Raum arbeiten, brauchen eine Sicherheitsschulung. Und hier wird am LKH die Digitalisierung lohnend genutzt.

Eine Person liegt auf einer Liege vor einer MRT-Röhre. Ein Pfleger steht daneben. Symbolbild für Arbeitssicherheit und Digitalisierung.
Jegliches Personal, das den MRT-Raum betritt, muss sich an strenge Vorschriften halten. Die Digitalisierung vereinfacht die Arbeitsgesundheit. | © Markus Zahradnik

Denn diese hat bekanntlich zwei Seiten: Einerseits bringt die Digitalisierung Arbeitserleichterungen und mehr Flexibilität mit sich, Arbeitsschritte können abgekürzt oder eingespart werden. Andererseits sind die negativen Folgen nicht zu vernachlässigen – Arbeitszeit verdichtet sich, die Zeit vorm Bildschirm wird mehr, viele leiden unter der ständigen Erreichbarkeit. Wie können Unternehmen die Digitalisierung also konstruktiv nutzen? Eine Antwort darauf findet sich in Graz.

Online für die Praxis

„Ich war an irgendeinem Punkt dauernd mit Schulungen beschäftigt“, erzählt Pfandl. „Also habe ich angestoßen, dass wir dafür ein E-Learning-Tool machen.“ Gemeinsam mit der zuständigen Sicherheitsfachkraft Sigrid Weilguni und weiteren Fachexpert:innen vom Uniklinikum Graz und anderen Standorten der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft wurde eineinhalb Jahre daran gearbeitet, die Schulung über ein Online-Tool abzuwickeln. Es handelt sich dabei um ein EU-weites Vorreiterprojekt der Digitalisierung rund um Arbeitssicherheit.

Das Tool umfasst drei Module, je nachdem, in welche Tiefe das Wissen gehen muss. Ist es relevant, ob Patient:innen frisch tätowiert sind? Welche Plaketten müssen Krankenstühle haben, die in den MRT-Raum dürfen? Es gibt Erklärvideos und kleine Tests mit vielen Bildern. Der Zeitaufwand beträgt je Modul rund 45 Minuten. „Wir müssen jedes Jahr jede einzelne Person nachschulen, die mit den MRTs zu tun hat“, sagt Pfandl. „Das war bisher ressourcentechnisch ein enormer Aufwand. Das neue E-Learning-Tool macht das jetzt viel einfacher.“ Es ermögliche erstmals eine lückenlose und zeitunabhängige Überprüfung des Wissens. Rund 3.000 Mitarbeiter:innen werden seit Ende März 2025 in der ganzen Steiermark damit weitergebildet. Das ergibt eine Zeitersparnis von rund 1.550 Stunden im Jahr.

Porträt Sabine Pfandl
Sabine Pfandl arbeitet mit MRT-Geräten und hat ein E-Learning-Tool für die Einschulung der Kolleg:innen mitentwickelt. | © Markus Zahradnik

Inklusives Arbeiten

Insgesamt liegt Österreich in Bezug auf Arbeitssicherheit über dem EU-Durchschnitt, wie aktuelle Daten des internationalen Digital Economy and Society Index (DESI) zeigen. Wie das Beispiel des Uniklinikums Graz klarmacht, kann Digitalisierung die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz verbessern – doch viele Anwendungen sind in Österreich noch Neuland.

Marie Jelenko ist AUVA-Kampagnenmanagerin und weiß: „Es gibt inzwischen viele digitale Anwendungen, die die Sicherheit unterstützen. Dazu zählen zum Beispiel Sensoren, die über Schadstoffe informieren, oder auch Systeme, die einen aufmerksam machen, wenn man müde wird und dadurch die Unfallwahrscheinlichkeit steigt.“ All das mache einen großen Unterschied in der Arbeitssicherheit. Jelenko leitet derzeit die Kampagne „Gemeinsam sicher digital“ zu Chancen und Risiken digitalisierter Arbeit.

Die Beschleunigung der Digitalisierung haben viele während der Corona-Pandemie erlebt, als sich Unternehmen auf mobiles Arbeiten umgestellt haben. Homeoffice-Möglichkeiten können auch in Bezug auf Inklusion vieles positiv verändern, das mobile Arbeiten ist für Menschen mit Behinderungen von Vorteil, da sie ihre Arbeit zu Hause erledigen können. Doch wie rüsten Betriebe erfolgreich für die Zukunft auf?

Wichtig sei laut Jelenko, dass Unternehmen die Digitalisierung mit Plan verfolgen: „Digitalisierung kann viel Positives bewirken, wenn Unternehmen mit einer klaren Strategie herangehen, diese auch den Mitarbeiter:innen kommunizieren und sie in den Prozess miteinbeziehen.“ Denn gerade Unsicherheit in Bezug darauf, was die nächsten Jahre und Monate passieren wird, könne enormen Stress erzeugen und sich negativ auf die Gesundheit der Belegschaft auswirken. Auch das viele Sitzen vor dem Computer ist zu einer großen Belastung unserer Zeit geworden. Die AUVA unterstützt dabei, die Digitalisierung sicher zu begleiten: Sie bietet Fachberatung für all ihre versicherten Unternehmen und mit dem Service „AUVAsicher“ die Betreuung von Kleinbetrieben durch Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner:innen.

Best Practice-Beispiele

In Zusammenarbeit mit der WKO sucht die Versicherungsanstalt derzeit Good-Practice-Beispiele der Digitalisierung in Kleinunternehmen. Ein solches ist das Sicherheitssystem der Firma Franz Rattinger KG. Das steirische Unternehmen für Schüttguttransporte führte 2015 ein Beinahe-Unfall-System ein. Damit soll eingegriffen werden, bevor überhaupt etwas passiert. Die Mitarbeitenden können Ereignisse und Gefahren, die beinahe zu einem Unfall geführt hätten, über ein betriebsinternes Formular der Leitung melden. Alle Kolleg:innen werden via Kommunikations-Tool am Handy über die mögliche Gefahr informiert. Das Unternehmen wurde dafür 2018 mit der Goldenen Securitas der AUVA und WKO ausgezeichnet.

Ein PC mit dem Onlineschulungstool steht auf einem Schreibtisch. Symbolbild für Arbeitssicherheit und Digitalisierung.
Über das Online-Tool werden in der Steiermark Sicherheitsschulungen für rund 3.000 Mitarbeiter:innen durchgeführt. | © Markus Zahradnik

Diese Auszeichnung bekam 2023 auch das Unternehmen Wagner Maschinenbau im Burgenland. Bei dem Neubau einer Halle im Jahr 2018 wurde ein spezielles Luft-Kontrollsystem eingebaut. Ein Datenprogramm analysiert die Luft in der Schweißhalle. Die durchs Schweißen entstehenden Dämpfe werden im nächsten Schritt abgesaugt, um für bessere Luftqualität am Arbeitsplatz zu sorgen.

Trotz der vielen Vorteile und Arbeitserleichterungen, die die Digitalisierung bringt, geht sie auch mit Herausforderungen einher – gerade bei Berufen, die überwiegend am Computer ausgeübt werden. Die können nämlich nun auch von überall erledigt werden. „Ein großer Punkt der Digitalisierung und neuen Flexibilität ist, dass die Regenerationszeit kürzer wird. Wir trennen Arbeit und Privatleben nicht mehr richtig“, erklärt Jelenko. „Früher betraf ständige Erreichbarkeit vor allem das obere Management – heute muss jede:r Arbeitnehmer:in selbst Grenzen setzen.“

In vielerlei Hinsicht wirkt KI unterstützend, doch sie birgt auch Gefahren. Expert:innen fordern deshalb verbindliche Leitlinien für einen fairen und kontrollierten KI-Einsatz. 🤖 Der AI Act ist ein Anfang.
Mehr dazu im neuen Artikel: https://www.arbeit-wirtschaft.at/ki-im-dauereinsatz/

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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 30. Mai 2025 um 17:00

Das bestätigt auch Sozialforscher Philip Schörpf von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA). Er arbeitet an einem Forschungsprojekt mit dem Titel „Humanisierung digitaler Arbeit“. Ein Kernergebnis: Menschen verrichten ihre Arbeit durch die digitalen Technologien nicht mehr nur an einem Ort und zu einer bestimmten Zeit. Das würden zwar sehr viele Arbeitnehmer:innen schätzen, „allerdings braucht es auch die zusätzliche Organisationsarbeit, die individuell erbracht werden muss“, sagt Schörpf. „Spannend ist, dass die wenigsten Personen Schwierigkeiten mit den Programmen selbst oder ihrer Handhabung haben.“ Es ginge eher um Leistungsdruck, Kontrolle der Arbeit und Erreichbarkeit, die Probleme verursachten.

Technostress

Die Digitalisierung nimmt auf all diese Dinge Einfluss. Die Arbeitsgeschwindigkeit erhöht sich, und die Zeit, die Beschäftigte für einzelne Tätigkeiten zur Verfügung haben, wird immer weniger. Aufgabenbereiche sind kleinteiliger geworden, viele Menschen haben Verantwortungsbereiche übernommen, die über ihre eigentlichen Kompetenzen hinausgehen. In den Interviews für das Forschungsprojekt würden viele Personen von Nacken- und Rückenschmerzen und Belastungen der Augen berichten, ein großer Teil der Befragten mache eine Physiotherapie. „Wir merken in Bezug auf Belastung auch, dass der Workload bewältigbar ist, solange nichts dazukommt“, sagt Schörpf. „Wird aber ein Kind krank oder steht ein:e Partner:in nicht zur Verfügung, dann ist es plötzlich nicht mehr schaffbar.“ Viele Befragte berichten, erst lernen zu müssen, sich von der Arbeit abzugrenzen.

Marie Jelenko sieht in diesem Bereich die Verantwortung verstärkt auch beim Gesetzgeber und den Unternehmen: „Unsere gesetzlichen Regelungen fußen darauf, dass es eine klare Trennung zwischen Privatleben und Arbeit gibt. Aber das ist nicht mehr so. Hier braucht es neue, auf diese Herausforderungen zugeschnittene Gesetzesinitiativen und weiterhin verantwortungsbewusste Arbeitgeber:innen, die die Rahmenbedingungen der Arbeit sicher und gesundheitsgerecht gestalten.“

Porträt Siegrid Weilguni
Die Anwendung schult Mitarbeiter:innen auch für Notfälle, erklärt Siegrid Weilguni von der Arbeitssicherheit des LKH Graz. | © Markus Zahradnik

Vorausschauend digitalisieren

Die der Digitalisierung geschuldeten Veränderungen in der Arbeitswelt hat auch Sabine Pfandl am Universitätsklinikum Graz erlebt. Denkt sie an die ersten Untersuchungen mit MRT-Geräten vor 40 Jahren, muss sie lachen: „Wir hatten damals noch nicht dasselbe Verständnis für die Maschine. Wir legten die Patient:innen mit der Kleidung rein, und plötzlich schoss wieder mal ein Feuerzeug aus der Brusttasche des Hemdes. So etwas darf heute nicht mehr passieren.“ Gibt es einen Unfall mit dem 1,5 Millionen Euro teuren Gerät, ist das nicht nur gefährlich, sondern auch teuer.

Unsere gesetzlichen
Regelungen fußen darauf,
dass es eine klare Trennung
zwischen Privatleben und Arbeit gibt.
Aber das ist nicht mehr so. 

Marie Jelenko, AUVA-Expertin

Rund um die MRTs arbeitet das Team viel vielen Check-Listen. Auch sie sind heute Teil des E-Learning-Tools. Sigrid Weilguni von der Arbeitssicherheit erklärt, dass in dem Online-Tool auch auf medizinische oder technische Notfälle eingegangen wird: „Wir bereiten in dem Tool auch darauf vor, was gemacht werden kann, wenn wirklich etwas passiert – zum Beispiel ein Brand ausbricht.“ Welchen Feuerlöscher soll man dann verwenden? Oder wie handelt man, wenn eine Person in der Maschine eingeklemmt wird?

Das Tool ist außerdem zusätzlich ausbaubar. Aktuell haben alle MRT-Maschinen in Graz eine Magnetstärke von maximal 3 Tesla. Bald könnten aber Geräte mit bis zu 7 Tesla kommen. „Bei diesen Geräten ist die magnetische Anziehung so stark, dass es auch klare Empfehlungen gibt, wie man sich in dem Raum zu verhalten hat, sodass es dem eigenen Körper nicht schadet“, erklärt Pfandl. „Diese Informationen können wir im Tool ergänzen, sobald es so weit ist.“ Damit bleibt das Digitalisierungstool auch zukunftssicher.

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Über den/die Autor:in

Sandra Gloning

Sandra Gloning ist freie Online- und Print-Journalistin in Wien mit einem breiten Themenfeld rund um Frauen, Lifestyle und Minderheiten und dem Ziel, Geschichten aus dem echten Leben zu erzählen.

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