Gesellschaft real bedroht?

Foto Hans Volmary
Wenig diskutiert, so Hans Volmary, ist die Finanzierung klimaschädigender Geschäftsmodelle über die gewinnbringende Kapitalanlage großer Vermögen. | © WU Wien
Ideologie, Polarisierung, Umverteilung: Warum man den Klimawandel auch als soziales Phänomen begreifen muss. Ein Gastkommentar von Hans Volmary, Institut für Multilevel Governance and Development, WU Wien, und Mitautor des Kapitels „Soziale und räumliche Ungleichheit“ im APCC Special Report, 2023.
Wie man mit den Folgen der Klimakrise umgehen kann, ist ein öffentlich sehr kontrovers diskutiertes Thema. Auch wenn es trotz eindeutiger wissenschaftlicher Evidenz und bereits real erfahrener Auswirkungen noch immer Menschen gibt, die die Existenz des Phänomens und dessen epochale Bedeutung leugnen, so sind diese fast ausschließlich in einem Spektrum sehr weit rechts der politischen Mitte zu finden. Innerhalb der breiten Masse, die die Klimakrise als reale gesellschaftliche Bedrohung versteht, existiert jedoch eine Vielzahl an theoretischen und ideologischen Positionen.

Daraus ergibt sich, dass bei den entsprechenden Lösungsvorschlägen grundlegend verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden und es auch hier zu heftigen Konflikten kommt. Ein Beispiel für solch fundamental divergierende Positionen wäre auf der einen Seite das von Wirtschaftsliberalen propagierte „grüne Wachstum“, das mehr oder weniger einer Logik des „Business as usual“ folgt. Auf der anderen Seite gibt es Gruppierungen wie die „Letzte Generation“ oder „Extinction Rebellion“, die für eine grundlegende Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft argumentieren – in letzter Konsequenz also ein Ende des Kapitalismus einfordern.

Warum der Klimawandel ein soziales Phänomen ist

Ein wichtiger Aspekt wird in diesem polarisierten Diskursklima unzureichend behandelt: Der Klimawandel ist ein soziales Phänomen und nicht ausschließlich ein technologisches oder naturwissenschaftliches. Das heißt nicht, dass die unserer Wirtschaft zugrunde liegende, von fossilen Brennstoffen abhängige Produktionsweise nicht dringend technologischer Innovationen bedarf. Es ist jedoch nicht die einzige Stellschraube einer sozial-ökologischen Transformation. Zum einen braucht es für die Umsetzung einer solchen Transformation politische Mehrheiten. Das heißt, es ist unrealistisch, dass eine technokratische Elite Klimapolitik gegen den Willen der Mehrheit der Gesellschaft umsetzen kann. Zum anderen wird bei einer genauen Betrachtung der sozialen Dimension deutlich, dass der Klimawandel „uns alle“ betrifft (manche Bevölkerungsgruppen deutlich stärker als andere), jedoch nicht von „uns allen“ im gleichen Ausmaß verursacht wird. Das Gegenteil ist der Fall, und auf diesen letzten Punkt möchte ich kurz etwas genauer eingehen.

Luxus Weltuntergang

Global gesehen haben die reichsten Haushalte, also die einkommens- und vermögensstärksten Gruppen, einen Großteil der globalen CO2-Emissionen der letzten 30 Jahre verursacht. Zwischen 1990 und 2015 verursachten die reichsten 10 Prozent über 52 Prozent der globalen Gesamtemissionen, das reichste Prozent noch immer ca. 15 Prozent (!). Auch in Österreich emittieren die reichsten 10 Prozent der Haushalte mehr als viermal so viel CO2 wie die bärmsten 10 Prozent der Haushalte und mehr als doppelt so viel wie der Medianhaushalt. In der Umweltökonomie wurde dieser Zusammenhang bereits umfassend erforscht, und es zeigt sich, dass ein Teil dieser Emissionen auf den Konsum von sogenannten Luxusgütern zurückzuführen ist. Das schließt die auch im öffentlichen Diskurs kritisch behandelten Privatjets, Yachten und Fuhrparks an Luxuskarossen mit ein.

In Österreich emittieren
die reichsten 10 Prozent der Haushalte
mehr als viermal so viel CO2
wie die ärmsten 10 Prozent. 

Hans Volmary

In Österreich ist das Mobilitätsverhalten auch tatsächlich der zweitwichtigste Faktor im Zusammenhang mit konsumbedingten CO2-Emissionen. Der wichtigste Faktor in diesem Zusammenhang sind jedoch exzessive Wohnflächen, da jeder zusätzliche Quadratmeter auch beheizt werden muss. Die jahrelange Politik der Eigenheimförderung in suburbanen Räumen stellt eine klimabewusste Wohnpolitik hier vor größere Probleme. Es zeigt sich außerdem, dass Konsum den mit Abstand größten Einfluss auf verschiedenste weitere Umweltindikatoren wie z. B. Luftverschmutzung oder Biodiversität hat.

Reichtum an CO2

Ein weiterer, in der Öffentlichkeit oft weniger ausführlich diskutierter Aspekt sind die Veranlagungen großer Vermögen. Durch Investitionen auf dem Kapitalmarkt in beispielsweise Automobilkonzerne oder Ölunternehmen entstehen umfassende indirekte Emissionen. Zum Zweck der gewinnbringenden Kapitalanlage für sehr wohlhabende Individuen werden also die klimaschädigenden Geschäftsmodelle dieser Unternehmen großzügig finanziert. Um dem entgegenzuwirken, bräuchte es eine umfassende Reformierung des Finanzsystems, die über den symbolischen Charakter sogenannter „ESG-Kriterien“ (Environmental, Social and Governance; übersetzt: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) bei Investitionstätigkeiten hinausgeht. Angesichts der nach wie vor massiven staatlichen Subventionen der Automobilbranche oder der Erdölindustrie erscheint eine solche Reform jedoch in weiter Ferne. Zusammenfassend lässt sich also ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Reichtum, Einkommen und Konsum und daraus entstehenden CO2-Emissionen ableiten.

Soziales Phänomen Klimawandel

Aus zwei Gründen ergibt sich hieraus ein dringender Handlungsbedarf für die Politik: Zum einen ist das emissionsintensive Verhalten der reichsten Haushalte ein Problem für effektive Klimapolitik – nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Einflussnahme dieser Akteur:innen. Zum anderen ist diese Verteilung der Ursachen und Folgen schlicht ungerecht. Aus der eingangs erwähnten Diversität an Positionen ergeben sich jedoch auch in diesem Politikfeld verschiedenste Lösungsansätze. Ich plädiere an dieser Stelle für die Bereitstellung von sozial-ökologischen öffentlichen Infrastrukturen. Studien zur umverteilenden Wirkung verschiedener Klimapolitiken zeigen, dass diese eine deutlich größere umverteilende Wirkung entfalten als marktbasierte Instrumente wie eine „angemessene“ CO2-Bepreisung. Das liegt daran, dass im Angesicht von Ressourcenknappheit nur bereitgestellter öffentlicher Konsum tatsächlich „für alle“ verfügbar sein kann. Plakativ ausgedrückt: Private Gärten für jeden Haushalt sind utopisch. Ein Zugang zu öffentlichen Parks für die gesamte Bevölkerung ließe sich dagegen umsetzen und würde nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus sozialer Sicht Sinn machen.


Ein solcher Fokus auf die Ungleichheitsdimensionen des Klimawandels kann auch helfen, die Scheinheiligkeit mancher politischer Forderungen aufzuzeigen. Das Beispiel der Energiekrise zeigt dies sehr illustrativ. Wieso sollten einkommensschwache Familien in ihren kleinen Wohnungen bei 18 Grad frieren und nur noch kalt duschen, während die Reichsten der Bevölkerung Unmengen mehr an CO2 emittieren und sich in ihrer Lebensweise höchstens marginal einschränken? Aufgabe der Politik sollte es eben nicht sein, Appelle an „uns alle“ zu richten, sondern eine Politik „für alle“ zu machen – also Rahmenbedingungen zu schaffen, die verhindern, dass es zu den hier beschriebenen eklatanten Ungleichheiten kommen kann.

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