Wir und die anderen, aber nur eine Erdatmosphäre

Illustration Klima
Foto (C) Rawf8 / Adobe Stock
Der Klimaschutz liefert in der EU kein rühmliches Beispiel für Gemeinschaftspolitik. Zwar gibt es Mitgliedsstaaten mit fortschrittlicher CO2-Gesetzgebung, aber EU-weite Maßnahmen lassen zu wünschen übrig.
Am Anfang waren Finnland und Norwegen. 1991, ein Jahr nach den Nachbarländern, hat Schweden eine Steuer auf Kohlendioxid (CO2) eingeführt. Die schwedische Industrie ist deshalb nicht zugrunde gegangen. Und der Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen ist stärker zurückgegangen als in anderen europäischen Ländern. Mit Einführung der CO2-Steuer wurden die davor eingehobenen Energiesteuern halbiert. Insbesondere auch die Einkommensteuer für GeringverdienerInnen wurde im Gegenzug gesenkt.

So gibt der schwedische Staat seinen BürgerInnen zurück, was er mit der vergleichsweise hohen CO2-Steuer einnimmt. Der Tarif stieg von ursprünglich 27 Euro pro Tonne in die Luft geblasenes CO2 auf umgerechnet etwa 120 Euro dieses Jahr. Damit hat Schweden von allen Staaten der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, den mit Abstand höchsten impliziten Steuersatz auf CO2. Etwa die Hälfte beträgt er in Finnland und Norwegen.

Umgerechnet 84 Euro zahlen die SchweizerInnen pro Tonne ausgestoßenes Kohlendioxid. Sie erhalten jedes Jahr im August die CO2-Steuer über die Krankenversicherung als Klimabonus refundiert. In Frankreich ist die Abgabe in der Steuer auf Kraftstoffe und Heiz-Brennstoffe enthalten. Mit den Einnahmen soll der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden. Neben Estland hat Slowenien seit 2002 die umfassendste CO2-Gesetzgebung in der EU: Die weitreichende Luftverschmutzungssteuer erstreckt sich mittlerweile auch auf den Ausstoß von Stickoxid – in erster Linie durch den Verkehr, die Industrieproduktion und Landwirtschaft verursacht – und Schwefeldioxid.

CO2-Steuer in Österreich?

In Österreich lehnt Bundeskanzler Sebastian Kurz eine CO2-Steuer ab.
In Österreich lehnt Bundeskanzler Sebastian Kurz eine CO2-Steuer ab, da er die BürgerInnen nicht zusätzlich belasten wolle. Wie jedoch speziell die Vorreiter Schweden und Schweiz zeigen, handelt es sich dabei um eine aufkommensneutrale Steuer, da die Abgabenquote nicht erhöht wird. Die Einnahmen aus der CO2-Steuer fließen ja über Kompensationsmaßnahmen wieder an die Bevölkerung zurück. Sie ist als „Lenkungssteuer“ zu verstehen, die nicht Einnahmen für den Staat lukrieren, sondern eine Anreiz- und Verhaltensänderung herbeiführen möchte, erläutert Klaus Gugler von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. ÖVP-Obmann, Kanzler Kurz bevorzugt Klimaschutzmaßnahmen auf EU-Ebene.

Umweltverschmutzung macht nicht an politischen Landesgrenzen halt.

Freilich macht die Umweltverschmutzung nicht an politischen Landesgrenzen halt. Eine europaweite Steuer auf das klimaverändernde CO2 ist aber derzeit illusorisch: Die EU besitzt nach wie vor keine Steuerhoheit, die Mitgliedstaaten wollen sich in ihre Steuergesetzgebung nicht reinreden lassen. „Natürlich ist es in allen Belangen optimal, ein globales Problem auf globaler Ebene zu lösen“, so Wirtschaftsprofessor Gugler, der das Forschungsinstitut für Regulierungsökonomie an der WU Wien leitet. Wenn die ganze Weltgemeinschaft oder zumindest die EU eine CO2-Bepreisung einführen würde, wären die positiven Effekte – die CO2-Reduktion – maximal und die negativen Effekte – etwa Standortverlagerungen – minimal. Aber auch nationale Alleingänge können funktionieren, zeigen die Beispiele Schweiz, Schweden und Frankreich.

Wenn die EU eine einheitliche CO2-Bepreisung einführen würde, wären die positiven Effekte – die CO2-Reduktion – maximal und die negativen Effekte – etwa Standortverlagerungen – minimal.

An der jüngst präsentierten Steuerreform für Österreich bemängeln KritikerInnen denn auch die mangelnde Ökologisierung des Systems. „Statt einer Diskussion über die Höhe der Abgabenquote ist eine Diskussion über die Steuerstruktur zu führen“, meint Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerrecht in der Arbeiterkammer (AK) Wien. „Arbeit sollte weniger besteuert werden, leistungslose Vermögen und der Verbrauch fossiler Energieträger dagegen stärker. Die Steuerreform der Bundesregierung setzt hier überhaupt keine Akzente.“

Stärker in die öffentlichen – emissionsarmen – Verkehrsmittel zu investieren, vor allem in den Ballungszentren, ist eine weitere AK-Forderung. Aus der Sicht von Sylvia Leodolter, Leiterin der Abteilung Umwelt und Verkehr in der AK Wien, beschleunigt das zum einen den Ausstieg aus der fossilen Energie (Benzin, Diesel, Erdgas) im Verkehrsbereich. Zum anderen hätte ein Öffi-Ausbau positive Auswirkungen am Arbeitsmarkt.

Steigerung des Passagieraufkommens bis 2030

laut Schätzungen
20 %

Potenzial zusätzlicher Jobs im öffentlichen Verkehr
laut Hochrechnungen
18.000

Aufgrund des Bevölkerungswachstums in der Ostregion und einer Fortschreibung der bisherigen Fahrgastzuwächse ist vorsichtigen Schätzungen zufolge mit einer Steigerung des Passagieraufkommens von rund 20 Prozent bis 2030 zu rechnen. Steigt die Anzahl der Beschäftigten im selben Ausmaß, müsste es hochgerechnet 18.000 zusätzliche Jobs im öffentlichen Verkehr geben, so Leodolter. „Infrastrukturmaßnahmen für den nicht-motorisierten Verkehr (Fußgängerzonen, Radwege, Verkehrsberuhigung) weisen bis zu doppelt so hohe Beschäftigungseffekte auf wie der Autobahnbau, auch Investitionen in die Bahn und in die städtische Nahverkehrsinfrastruktur liegen deutlich darüber.“

Klimaschutz auf EU-Ebene

Problematiken der Emissionszertifikate:

  • Nur innereuropäische Flüge sind enthalten.
  • Es wurde fälschlicherweise von einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum ausgegangen.
  • Investitionen in Niedrig-Kohlenstoff-Technologien blieben aus.
  • Das Erreichen der Reduktionsziele wackelt daher.
Wenn es um Maßnahmen für den Klimaschutz auf EU-Ebene geht, hadern die Mitgliedstaaten weiter mit dem System des Emissionshandels (ETS). Es basiert auf der irrigen Annahme, „der Markt“ werde den Ausstoß der giftigen Abgase regeln. Nachdem sich die Mitgliedsländer 2003 auf keine CO2-Steuer einigen konnten, riefen sie Emissionszertifikate ins Leben. Industrie und Energiewirtschaft sollten sich, vereinfacht gesagt, mittels Zertifikathandel quasi freikaufen können von einem hohen Treibhausgasausstoß. Für Kritiker eine Art internationaler „Klimaablasshandel“.
Erstens sind derzeit etwa nur innereuropäische Flüge im Emissionshandel enthalten. Zweitens ist die EU bei der mehrjährigen Festlegung der Zertifikate von einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum ausgegangen – das war nicht der Fall, sodass mit der Produktion auch der Emissionshandel einbrach. In der Folge blieben, drittens, Investitionen in Niedrig-Kohlenstoff-Technologien aus. Daher wackelt, viertens, das Erreichen der Reduktionsziele. Positiv sticht hier Großbritannien hervor, weil es die Kohle mittels Emissionszertifikaten innerhalb von fünf Jahren aus dem Stromerzeugungsmix gedrängt hat.

Als Alternative poppen in der EU immer wieder Stimmen auf, die die Atomkraft als „saubere Energie“ fördern wollen. Wiewohl Österreich teilweise auch Atomstrom aus Nachbarländern bezieht, lehnt es Kernenergie offiziell kategorisch ab. Jüngst wird in der EU auch eine europaweite Kerosinsteuer diskutiert. Sie würde die Flugtickets verteuern, die Anzahl der PassagierInnen reduzieren – und wohl auch die Beschäftigung und Wertschöpfung der Flugbranche. Dass Flugtreibstoff EU-weit besteuert wird, ist aus heutiger Sicht jedoch unrealistisch.

Im Hinblick auf die Wahl zum Europäischen Parlament, die in Österreich am 26. Mai stattfindet, ist bemerkenswert: Geht es um EU-Maßnahmen zum Klimaschutz – etwa die Abgase bei Autos zu drosseln, erneuerbare Energien zu fördern oder Energieeffizienz zu fördern –, lehnen das die FPÖ-EU-Abgeordneten, einem EU-weiten Trend der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien folgend, ab. Die anderen österreichischen EU-Abgeordneten stimmen meist geschlossen dafür.

Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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