Wie Ideen & Geld zusammenfinden

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Inkubatoren, zu Deutsch Brutkästen, ­wollen Start-ups möglichst ideale Bedingungen bieten, damit sie wachsen und gedeihen können.

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Wer sind eigentlich die Geldgeber der Start-ups, welche Motive verfolgen sie und wie stehen sie zu den Rechten von ArbeitnehmerInnen?
Zum Leben in der Großstadt gehört die Anonymität, viele StädterInnen genießen denn auch genau diesen Aspekt. Der große Nachteil, wenn man niemanden aus der Nachbarschaft kennt: Zum Blumengießen im Urlaub kann man nicht einfach nebenan fragen, genauso wenig, wenn man einfach kurz eine Bohrmaschine braucht oder etwas beim Einkaufen vergessen hat. Viele StadtbewohnerInnen wiederum würden sich sehr wohl mehr Dorf-Feeling wünschen. Die Online-Plattform FragNebenan will genau eine solche Vernetzung zwischen NachbarInnen fördern.

Stark gewachsen

Das Unternehmen besteht aktuell aus 13 MitarbeiterInnen und hat nach eigenen Angaben mehr als 50.000 NachbarInnen in Österreich zusammengebracht. In letzter Zeit ist das Start-up stark gewachsen, nicht zuletzt dank der im November abgeschlossenen Finanzierungsrunde: Eine Gruppe von Investoren von AC & Friends, welche schon vor zwei Jahren bei FragNebenan eingestiegen ist, hat erneut in das Start-up investiert, der Versicherungskonzern UNIQA kam als Investor dazu. Insgesamt sammelte das Start-up laut Geschäftsführer Stefan Theißbacher in dieser Finanzierungsrunde 750.000 Euro ein. Jetzt gehören den vier Gründern 70 Prozent ihres Start-ups.

Thomas Polak ist Chief Innovation Officer der UNIQA und hält für die Versicherung Ausschau nach interessanten Start-ups. Bei der Auswahl der Start-ups, denen die UNIQA Anteile abkauft, geht der Konzern so vor: Der Markt wird aufmerksam beobachtet und es wird insbesondere nach Start-ups in vorher definierten „Themenblöcken“ gesucht. Dazu gehören bei der UNIQA etwa Gesundheit, Protect & Care, Fintechs oder Global Environment. Wird ein Start-up als interessant erachtet, geht die UNIQA auf dieses zu. Dann beginnt das Kennenlernen und bei beiderseitigem Interesse das Verhandeln über Investitionssummen und Unternehmensanteile.

Aus Sicht der UNIQA gehört FragNebenan ins Cluster „Global Reach“. Dabei handelt es sich um Plattformen, auf denen sich eine bestimmte Gruppe von Menschen bewegt. „Man erreicht eine Community mit einem ähnlichen Mindset auf dieser Plattform“, erläutert Polak. Geschäftsführer Theißbacher sieht Parallelen zwischen FragNebenan und Versicherungen: Versicherungen seien entstanden, weil sich Menschen zusammengetan haben, die sich gemeinsam gegen Risiken absichern wollten – und auch sein Start-up bringe Menschen zusammen, die einander helfen.

Finanz- und strategischer Investor

Die UNIQA agiert für FragNebenan laut Theißbacher als „eine Mischung aus Finanz- und strategischem Investor“. Bei den Verhandlungen seien am Rande auch mögliche Kooperationen besprochen worden. Eine Idee sei etwa, den UserInnen von FragNebenan in Zukunft Haftpflichtversicherungspakete anzubieten, die auch das Verleihen von Gegenständen beinhalten. Theißbacher: „Im Herbst ist es um das Investment gegangen und wir haben grundsätzlich gesagt, dass wir kooperieren wollen. Aber es sind noch Fragen offen, zum Beispiel wie nützlich so etwas für unsere Nutzer ist. Auch der Datenschutz ist ein Thema.“

Skalierbarkeit

FragNebenan ist in Wien gestartet und derzeit außerdem in Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Salzburg, Linz, Leoben, Kapfenberg und Mödling vertreten. Durch die Gespräche mit den Investoren wurde dem Team bestätigt, dass ihr Geschäftsmodell skalierbar, also auf andere Länder erweiterbar ist.

Man definierte gemeinsam Meilensteine, konkret Ziele für Umsatz und NutzerInnenzahlen. Aufgrund der sozialen Ausrichtung des Start-ups wäre es laut Theißbacher auch möglich gewesen, eine Finanzierung über Stiftungen anzupeilen: „Das wollten wir aber nicht, weil wir uns als Unternehmen sehen.“ Für den nächsten Schritt, also die Internationalisierung des Geschäftsmodells, kann sich Theißbacher vorstellen, mit einem Investor zusammenzuarbeiten, der Risikokapital bereitstellt.

Nicht nur private Investoren, auch Inkubatoren und Förderungen sind für Start-ups wichtig. FragNebenan hat etwa am Investment Ready Program teilgenommen, einem Inkubationsprogramm, das Sozialunternehmen hilft, für die Verhandlungen mit Investoren fit zu werden. Dabei geht es um Präsentationstechniken, die Verfeinerung des Geschäftsmodells oder darum, welche Zahlen Investoren vorgelegt werden müssen – alles Punkte, die für die meist knallharten Verhandlungen entscheidend sind. Hilfe bekam FragNebenan auch vom Austria Wirtschaftsservice (aws): Durch die Förderung aws impulse war es möglich, einen Prototyp zu entwickeln.

Das aws vergibt verschiedene Förderungen, nicht nur an Start-ups, sondern auch an GründerInnen allgemein, also Unternehmen, die jünger als fünf Jahre sind. Zur Zielgruppe gehören auch etablierte Unternehmen, die expandieren oder eine Investition tätigen. aws impulse wendet sich an die Kreativbranche. Zwei Förderprogramme sind auf Start-ups zugeschnitten: die Risikokapitalprämie und die Lohnnebenkostenförderung.

Bei Ersterer wird Start-ups indirekt, durch die Unterstützung von Investoren, geholfen: Diese erhalten vom aws, wenn sie sich an Start-ups beteiligen, einen Zuschuss von bis zu 20 Prozent des förderbaren Beteiligungsbetrages.

Bei der Lohnnebenkostenförderung übernimmt das aws innerhalb der ersten drei Jahre einen Teil der Lohnnebenkosten, im ersten Jahr bis zu 100 Prozent davon. Wer nicht weiß, ob sein Unternehmen für eine Start-up-Förderung infrage kommt, kann auf der Website des aws einen Start-up-PreCheck machen, also einen Fragebogen ausfüllen – und er/sie weiß binnen kurzer Zeit, ob sein/ihr Unternehmen als innovatives Start-up gilt.

Der viel zitierte „Pitch“

Wie Start-ups und willige Investoren zusammenfinden, ist mittlerweile vielfältig. Es gibt immer mehr Veranstaltungen, bei denen Start-ups Pitches vor einer Gruppe von Investoren halten – ähnlich wie in der Puls4-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“. Eine weitere Möglichkeit bietet das Pioneers-Festival, das jährlich im Mai oder Juni in Wien stattfindet. Auch das aws bringt Start-ups und Geldgeber zusammen, unter anderem durch eine App, über die Investoren jede Woche über Investitionsmöglichkeiten informiert werden, welche vom aws vorselektiert werden.

Doch wie steht es eigentlich um die Rechte von ArbeitnehmerInnen? Legen Investoren überhaupt Wert darauf, dass in den Unternehmen, in die sie Geld stecken, alles mit rechten Dingen zugeht und niemand ausgebeutet wird? Oder geht es nur um nackte Zahlen wie Umsatz, NutzerInnenzahlen und „Traffic“? Martin Behrens, Geschäftsführer des Linzer Start-ups Presono, erzählt von seinen Erfahrungen mit Investoren: „Keiner setzt sich hin und fragt genau nach, ob wir alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen einhalten, aber es ist schon so, dass die Investoren rechtliche Korrektheit wünschen.“

Presono hat eine innovative Präsentationssoftware für Unternehmen entwickelt. Kürzlich gelang es, von vier Unternehmen in Summe eine Million Euro einzusammeln. Das ist viel für Österreich, speziell für die erste Finanzierungsrunde – und die drei Gründer konnten dennoch mehr als die Hälfte ihres Unternehmens behalten.

Arbeitsbedingungen als Maßstab

Die Finanziers hätten sich etwa Arbeitsverträge vorlegen lassen, „das war schon ein Prüfungspunkt“. Gute Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen – aktuell besteht das Team aus 15 Personen – sind Behrens und seinen Partnern sowie den Investoren sogar wichtig, wie er betont: Denn nur wenn ihr Unternehmen als guter Arbeitgeber gelte, der auch entsprechende Gehälter zahlt, würden „interessante Bewerber“ auf sie zukommen: „Es geht – jedenfalls bei uns – nicht in Richtung Ausbeutung, denn wir wollen unsere Mitarbeiter langfristig haben.“ Eine hohe Fluktuation wäre eine Wachstumsbremse. Behrens glaubt gar, dass seine Investoren, die auch eine beratende Funktion einnehmen, „intervenieren und uns zurückholen würden, wenn wir hier übers Ziel hinausschießen würden“.

Freilich müsse man zwischen den Gründern und ihren Angestellten unterscheiden, so Polak: „Es ist klar, dass der Founder wissen muss, dass er sich auf einen Höllenritt einlässt. Für die Mitarbeiter, die angestellt sind, muss aber alles im Rahmen bleiben.“ Alles aus ihnen herauszuquetschen mache keinen Sinn.

Von
Alexandra Rotter
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/17.

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