Wider besseren Wissens

Inhalt

  1. Seite 1 - Will die EU-Kommission öffentliche Sicherungssysteme zurückdrängen?
  2. Seite 2 - Vollbeschäftigung und gute Arbeit müssen eigentlich ganz oben auf der Agenda stehen
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Die EU-Kommission sollte sich von ihren eigenen Analysen statt von einer widersinnigen politischen Werthaltung leiten lassen.

Führt man sich die Alternativen zur Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters vor Augen, dann zeigt sich eine Vielzahl an Stellschrauben, die direkt oder indirekt mit einer besseren Arbeitsmarktintegration und einer fairen Teilhabe der Menschen zu tun haben. Mehr als das, denn sie wirken weit über die Pensionsfinanzierung hinaus: verbesserte Einstiegschancen für Jüngere, Aus- und Weiterbildung für Geringqualifizierte, verbesserte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Beseitigung der Benachteiligung von Frauen, Humanisierung der Arbeit, faire Verteilung der Arbeit statt gesundheitsschädliche Arbeitszeiten auf Abruf, Förderung benachteiligter Gruppen (inkl. MigrantInnen), alternsgerechte Arbeitsplätze und vieles mehr.

Letztlich ist klar: Je mehr Menschen durch ihre Erwerbsarbeit bei einer gerechten Entlohnung ins Umlagesystem einzahlen, umso besser steht es auch um die Finanzierungsperspektiven für das öffentliche Pensionssystem. Es geht nicht darum, dass die Menschen erst immer später in Pension gehen dürfen. Vielmehr geht es um gute Erwerbschancen während des gesamten Erwerbslebens und um eine faire Entlohnung!

Volle Verve für Vollbeschäftigung?

Wenn sich die EU-Kommission mit einer vergleichbaren Energie wie für ihr Mantra vom Zurückdrängen der öffentlichen Pensionen, für Vollbeschäftigung und gute Arbeitsbedingungen in Europa einsetzen würde, dann stünde Europa heute anders da. Stattdessen ist die Lage besorgniserregend, wie die EU-Kommission ganz leicht ihrem eigenen Sozial- und Beschäftigungsbericht entnehmen könnte: Manche Länder erreichen wirtschaftlich gerade einmal ihr Vorkrisenniveau oder liegen sogar noch darunter, die Armut bleibt erschreckend hoch, die Erwerbseinkommen bleiben deutlich zurück, die Ungleichheit steigt. Zudem sind die Arbeitsmärkte nachhaltig „beschädigt“: Die Zahl der Arbeitssuchenden und dauerhaft ausgegrenzten Personen ist weiterhin hoch, ebenso die der atypischen und oft nicht mehr existenzsichernden Beschäftigung. Davon betroffen sind oft Menschen und Familien, die es ohnedies schwer haben – allen voran Menschen mit gesundheitlichen und qualifikatorischen Einschränkungen, aber auch Menschen mit oft fürchterlichen Migrations- oder Fluchterfahrungen.

Inakzeptables Niveau

Daran ändern leider auch Jubelmeldungen wie: „Es gab noch nie so viele Beschäftigte in der EU“, oder über den Rückgang der Arbeitslosenquote (von einem vor kurzem noch unvorstellbar hohen Niveau) relativ wenig. Faktum ist, dass Beschäftigungsstatistiken, die bereits Personen, die eine Stunde (in der Referenzwoche) gegen Entgelt gearbeitet haben, als erwerbstätig zählen, nichts über die Qualität der Erwerbsintegration aussagen und dass das Ausmaß an Beschäftigungslosigkeit nach wie vor in Europa ein völlig inakzeptables Niveau erreicht.

Klar sollte sein: Es gibt kein Ruhekissen für die politisch Verantwortlichen. Vollbeschäftigung und gute Arbeit müssen bei der Millionenschar an Arbeitslosen, von Armut, Ausgrenzung, geringer Entlohnung und oft schwierigsten Arbeitsbedingungen betroffenen Menschen eigentlich ganz oben auf der Agenda stehen. Dem ist aber nicht so! Das ist geradezu fahrlässig, denn man könnte sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Eine zunehmende Verbesserung der Lebensrealität der Menschen und die nachhaltige Sicherung einer guten sozialen Absicherung trotz des fortschreitenden demografischen Wandels.

Von
Adi Buxbaum und Erik Türk
Abteilung Sozialpolitk der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/18.

Europäischer Beschäftigungs- und Sozialbericht
Länderspezifische Empfehlungen für Österreich

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