Weltmeister oder Totalversager?

Inhalt

  1. Seite 1 - Weltmeister in der Familienpolitik?
  2. Seite 2 - Einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld
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Erst internationales Vorbild, dann Vertreibung aus dem Familienparadies: die österreichische Familienpolitik im EU-Vergleich.

Geld fürs Daheimbleiben?

Betrachtet man nur die Geldleistungen für Familien, büßte Österreich zwar einige Plätze seit 1980 ein, liegt aber immer noch unter den besten Staaten. Aber auch hier gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten, wie diese ausgestaltet sind und welche Anreize damit gesetzt werden. Zentral ist dabei unter anderem die Frage, ob das lange Zuhausebleiben eines Elternteils – klassischerweise der Mutter – gefördert wird oder ob eine partnerschaftliche Teilung der Familienarbeit unterstützt wird.

Das lässt sich gut am Kinderbetreuungsgeld – kurz KBG – illustrieren. Dieses ist nach der Familienbeihilfe die zweitwichtigste Geldleistung für Familien in Österreich. Rund 1,3 Milliarden Euro werden jährlich aufgewendet, damit sich Eltern nach der Geburt ihres Kindes dessen Betreuung widmen können. Dafür standen bislang unterschiedliche Varianten zur Auswahl. Maximal konnte ein Elternteil bis zu 30 Monate Kinderbetreuungsgeld beziehen, beide zusammen sogar 36 Monate. Der monatliche Betrag war mit rund 436 Euro allerdings recht gering. Bei der kürzesten, einkommensabhängigen Variante beträgt die Dauer 12 Monate für einen Elternteil, plus zwei Monate, wenn es auch der zweite Elternteil in Anspruch nimmt. Der monatliche Betrag variiert je nach Einkommen zwischen 1.000 und maximal 2.000 Euro.

Wie sich diese Leistung im Hinblick auf die Förderung partnerschaftlicher Teilung im EU-Vergleich darstellt, hat sich Wirtschaftswissenschafterin Helene Dearing in einer Studie angeschaut. Darin hat sie die beiden oben angeführten Modelle analysiert. So unterschiedlich diese beiden Varianten sind, so verschieden war auch die Platzierung im internationalen Ranking: Befand sich Österreich mit der 30+6-Monats-Variante im unteren Mittelfeld der europäischen Staaten, rangierte es beim einkommensabhängigen Modell unter den Top Drei.

Trend zu Gleichstellung

Mit der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes wurde also ein Schritt in Richtung Väterbeteiligung und mehr Gleichstellung gemacht. Das neue Kinderbetreuungsgeld-Konto sieht zusätzliche Anreize für eine partnerschaftliche Teilung der Karenzzeiten vor. Damit liegt Österreich im internationalen Trend.

In vielen europäischen Ländern wird Karenzpolitik als Maßnahme zu mehr Ausgewogenheit zwischen Frauen und Männern bei Familienarbeit eingesetzt. In Schweden und Norwegen geht diese Schwerpunktsetzung bereits bis in die 1970er-Jahre zurück.

Schweden war 1974 das erste Land, das für Väter einen Anspruch auf Karenz gewährt hat. Da diese den Anspruch aber meist auf ihre Partnerinnen übertrugen, führten einige nordische Staaten eine sogenannte „Vaterquote“ ein. Diese sieht vor, dass ein gewisser Teil der Karenz nur von den Vätern beansprucht werden kann. So gibt es in Schweden seit 2002 eine Vaterquote von zwei Monaten. Heute gehen dort 9 von 10 Vätern in Karenz.

Seltsam unentschlossenes Österreich

Auch in Österreich kann ein gewisser Anteil des KBG nur von Vätern in Anspruch genommen werden. Mit dem neuen KBG-Konto wurde dieser Anteil noch erhöht. Fast schaut es aus, als wäre Österreich Vorreiter in Sachen fortschrittlicher Familienpolitik. Das trifft aber nur punktuell zu.

In der Gesamtsicht mutet österreichische Familienpolitik seltsam unentschlossen an. Einerseits wurde in den letzten Jahren viel Geld an Familien ausgeschüttet. Allein die Erhöhung der Familienbeihilfe machte 800 Millionen Euro aus. Damit wird eine traditionelle Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern eher verfestigt. Gleichzeitig wurde vom Bund fast eine halbe Milliarde Euro für den Ausbau von Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt, was es Frauen beträchtlich erleichtert, auch mit Kindern erwerbstätig zu sein. Kurz gesagt: Es wird viel Geld darauf verwendet, konservative und fortschrittliche Familienpolitik gleichermaßen zu betreiben.

Mehr Chancengleichheit für Kinder

Dabei spräche nicht nur der internationale Trend dafür, deutlich mehr Geld in die Kinderbetreuung zu investieren. Das würde nicht nur zur Gleichstellung am Arbeitsmarkt beitragen, es könnten auch Tausende Jobs damit geschaffen werden. Zudem würde die Chancengleichheit der Kinder massiv gefördert. Und nicht zuletzt würden sich diese Investitionen aufgrund der positiven Beschäftigungseffekte schon in wenigen Jahren für die öffentliche Hand rechnen.

Blogtipps:
Buxbaum/Pirklbauer: Elementarbildung: Investitionen rechnen sich:
blog.arbeit-wirtschaft.at/15195-2
Dearing/Hauer: Kinderbetreuungsgeld und Gleichstellung
blog.arbeit-wirtschaft.at/12653-2

Von
Sybille Pirklbauer
AK Wien Frauen und Familien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/17.

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