Von Angebot und Nachfrage

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  1. Seite 1 - Fachkräftemangel?
  2. Seite 2 - Es braucht einen stärkeren Fokus auf Ausbildung!
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Der Tourismus beklagt einen Mangel an Fachkräften und will im Ausland Arbeitskräfte rekrutieren können. Sinnvoller wäre es, die Jobs deutlich attraktiver zu machen.

Die deutsche Engpassanalyse ist diffiziler und beinhaltet zusätzliche Parameter. Sie definiert ganz genau, wer als Fachkraft gilt (abgeschlossene Berufsausbildung) und unterscheidet weiters nach SpezialistInnen (MeisterInnen oder TechnikerInnen) und ExpertInnen (mindestens vierjährige Hochschulausbildung). Nicht berücksichtigt werden offene Stellen für Hilfskräfte. Neben der Definition eines bundesweiten Engpasses können auch regionale Engpässe definiert werden, in diesem Fall steht regional für ein Bundesland.

In einem ersten Schritt wird dafür überprüft, ob im betroffenen Bundesland mindestens 15 Prozent der bundesweit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem jeweiligen Beruf beschäftigt sind. Erst dann wird überhaupt erst darüber nachgedacht, ob dieser Beruf zum Mangelberuf auf Bundesländerebene erklärt wird. So soll gewährleistet werden, dass erst das heimische Arbeitskräftepotenzial ausgeschöpft wird. Um dies anhand eines Beispiels zu illustrieren: Deutschland hat 16 Bundesländer. Bei bundesweit 500.000 ArbeitnehmerInnen im Handel bedeutet dies, dass in einem Bundesland in dieser Branche mindestens 75.000 ArbeitnehmerInnen beschäftigt sein müssen, damit der Handel überhaupt in der Berechnung berücksichtigt wird. Relevant ist auch, wie lange eine offene Stelle unbesetzt ist. Um als regionaler Mangelberuf zu gelten, muss diese mindestens zehn Tage länger unbesetzt bleiben als im Bundesdurchschnitt. Auch die Altersstruktur der Beschäftigten bzw. Erwerbstätigen wird beachtet.

Nicht zuletzt wird die Situation am Arbeitsmarkt betrachtet, beispielsweise die Vergütungsstruktur. Ein Beispiel: FriseurInnen könnten (statistisch errechnet) als Mangelberuf gelten. Ein genauer Blick zeigt aber vielleicht, dass es genug vorhandene FriseurInnen gibt, diese aber – aufgrund der Arbeitsbedingungen und des Lohnniveaus – nicht bereit sind, ihre Arbeitskraft in diesem Beruf weiter zur Verfügung zu stellen. Dann landet dieser Beruf nicht in der Engpassanalyse, da mithilfe der qualitativen Kriterien andere Schlussfolgerungen gezogen wurden. In diesem Fall gibt es nicht zu wenige qualifizierte FriseurInnen, sondern die Arbeitsbedingungen sind einfach nicht lukrativ genug – und genau dort muss angesetzt werden!

Aber zurück nach Österreich. Bei Durchsicht der Juli-Ausgabe 2017 von „Rolling Pin“, einem Gastromagazin, zeigt ein Vergleich der Jobangebote die Bandbreite der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung im Tourismus sehr gut auf. So wurden etwa in einem Hotel in der Salzburger Gemeinde Anif für die Funktion des „Chef de Rang“ 1.800 Euro brutto angeboten. In einem Hotel in Lech wiederum waren es 2.300 Euro, dazu kamen freie Kost und Logis sowie ein gratis Saisonskipass.

Angebot und Nachfrage

Solche Unterschiede bzw. die vielfach unattraktiven Bedingungen im Tourismus werden aber in Österreich bei der Mangelberufsliste nicht berücksichtigt. Nicht nur das: Sie spielen auch in der öffentlichen Diskussion eine sehr geringe Rolle. Bevor man aber den Arbeitsmarkt öffnet, müssen Arbeitsbedingungen drastisch verbessert werden. Dass dies geht, zeigen Initiativen des AMS, bei denen Betriebe im Tourismusbereich, die Rekrutierungsprobleme hatten, gezielt angesprochen wurden und ihnen empfohlen wurde, ihre Angebote zu verbessern – und diese daraufhin erfolgreich Personal rekrutieren konnten. Dies sollte den Vertretern der Wirtschaft einleuchten, immerhin geht es um ein zentrales wirtschaftliches Prinzip: Angebot und Nachfrage nämlich.

Das allerbeste Rezept, um Fachkräftemangel vorzubeugen, ist aber: ausbilden, ausbilden, ausbilden! Auch hier ist die Wirtschaft sehr „zurückhaltend“, die Österreichische Gewerkschaftsjugend beklagt regelmäßig den Rückgang an Lehrstellenplätzen.

Lesetipp: „Das Märchen vom Fachkräftemangel“, Jakob Osman

Von
Sylvia Ledwinka

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/18.

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