… umspannen alle Länder

Das einzige IBS mit Sitz in Wien war ab 1920 jenes der Post-, Telefon- und Telegrafen­bediensteten. Hier Generalsekretär Ludwig Maier in seinem Büro, am Regal ein Foto seiner Töchter. Ludwig Maier starb 1933, Ruth, die ältere Tochter, entkam 1938 nach Norwegen, wurde dann aber an die Nazis ausgeliefert und als Opfer des Holocaust in Auschwitz ermordet. Ihre Tagebücher sind Teil des Weltdokumentenerbes.
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Die „Internationalen Berufssekretariate“ der Gewerkschaften waren die erste Antwort auf die Globalisierung der kapitalistischen Wirtschaft.
Die „Internationalen Berufssekretariate“ (IBS) waren Zusammenschlüsse nationaler Gewerkschaften bestimmter Branchen, Industrien und Berufsgruppen.
Die „Internationalen Berufssekretariate“ (IBS) waren Zusammenschlüsse nationaler Gewerkschaften bestimmter Branchen, Industrien und Berufsgruppen. Ihre Wurzeln reichen in die 1870er-Jahre zurück. Sie haben damit eine längere Geschichte als die meisten nationalen Gewerkschaftsbünde und deren internationale Organisationen. PionierInnen der internationalen Vereinigung waren die TabakarbeiterInnen, aber auch die HandschuhmacherInnen und die TöpferInnen. Ihre Organisationen konnten sich allerdings angesichts politischer Verfolgung und noch schwacher Organisation nicht lange halten. Stabile IBS bildeten sich dann ab den 1890er-Jahren, als nach den TabakarbeiterInnen, den Schuh- und LederarbeiterInnen und den BergarbeiterInnen zahlreiche weitere IBS gegründet wurden. Manche repräsentierten nur ein paar hundert Mitglieder, andere bereits Hunderttausende.

Aber: Ob klein oder groß, sie sahen ihre Aufgabe darin, eine Gegenmacht zur zunehmenden Globalisierung von Produktion und Finanzwirtschaft aufzubauen. In einem Aufruf des Metaller-IBS an die US-Gewerkschaften 1923 wurde dies sehr anschaulich beschrieben: Mit Leichtigkeit streckt das Kapital seinen Arm auch über den Ozean. Es hält sich an keine Grenzen, lässt sich durch nichts hindern, seine Tätigkeit ist fortwährend international. Daher gilt es auch für uns, für die Arbeiterklasse, dass wir nicht länger zögern, uns restlos international zu organisieren … Die riesigen Unternehmungen, Trusts und Finanzgesellschaften … umfassen und umspannen mit ihren Interessen alle Länder.

Mit Leichtigkeit streckt das Kapital seinen Arm auch über den Ozean. Es hält sich an keine Grenzen, lässt sich durch nichts hindern, seine Tätigkeit ist fortwährend international.

In der Realität beschränkte sich die Tätigkeit der IBS bis in die 1950er-Jahre hinein mit wenigen Ausnahmen auf Europa. Die bedeutendste Ausnahme war die „Internationale Transportarbeiterföderation“ (ITF) mit den Organisationen der Seeleute. Sie konnte deshalb eine aktive Rolle im Kampf gegen den Faschismus spielen. Sie organisierte zum Beispiel, dass norwegische und dänische Handelsschiffe nach der Okkupation ihrer Länder durch die Nazis nicht mehr in die Heimathäfen zurückkehrten, sondern der antifaschistischen Allianz zur Verfügung gestellt wurden.

Die sieben Global Unions der Gewerkschaften bilden zusammen mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund der nationalen Gewerkschaftsbünde und dem gewerkschaftlichen Beratungskomitee bei der OECD ein Partnerschaftsnetzwerk.
Als Folge der beiden Weltkriege und des Kalten Kriegs zwischen West und Ost hatte sich die Globalisierung verlangsamt. Ab den 1970er-Jahren nahm sie wieder Fahrt auf und entwickelte sich ab den 1990er-Jahren immer rasanter. Das stellte auch die mittlerweile zahlreichen IBS vor neue Herausforderungen. Sie schlossen sich, wo dies sinnvoll war, berufs- und branchenübergreifend entlang von globalen Güter- und Produktionsketten zusammen und vernetzten sich intensiver mit Gewerkschaften außerhalb Europas. Die Namensänderung in „Global Unions“ signalisiert diesen Neustart. Die sieben Global Unions der Gewerkschaften bilden zusammen mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund der nationalen Gewerkschaftsbünde und dem gewerkschaftlichen Beratungskomitee bei der OECD ein Partnerschaftsnetzwerk unter dem Motto „Standing Together for Rights of Workers“ – „Wir stehen zusammen für die Rechte der ArbeitnehmerInnen“.

Ausgewählt und kommentiert von
Brigitte Pellar
Freie JournalistIn

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/19.

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Über den/die Autor:in

Brigitte Pellar

Brigitte Pellar ist Historikerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen und war bis 2007 Leiterin des Instituts für Gewerkschafts- und AK-Geschichte in der AK Wien.

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