Überreiche im Geldregen

(C) Miriam Mone
Die Corona-Pandemie vergrößert die soziale Kluft: Während die Reichsten ihre Vermögen weiter vermehren, könnte es laut Oxfam-Berechnungen ein Jahrzehnt oder länger dauern, bis die Ärmsten die Auswirkungen dieser Krise überwunden haben. Helfen würde ein massiver Ausbau vermögensbezogener Steuern.
Wie kommt es, dass das Vermögen von Amazon-Gründer Jeff Bezos laut verschiedener internationaler Studien seit Beginn der Corona-Krise um etwa 75 Prozent gewachsen ist, das von Facebook-CEO Mark Zuckerberg um fast 110 Prozent und das von Tesla-Chef Elon Musk gar um 600 Prozent? Auch deswegen wird der Ruf laut, die Krisengewinnler in die Pflicht zu nehmen.

Ende 2020 war das Vermögen der zehn reichsten Männer der Welt seit Februar 2019 um fast eine halbe Billion US-Dollar gestiegen, rechnet Oxfam Deutschland vor und spricht im selben Atemzug von einem „Ungleichheitsvirus“. Wobei Franziska Disslbacher von der Arbeiterkammer Wien betont: „Nicht das Virus an sich verschärft die Ungleichheit, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Reaktion der Politik.“

Einerseits gibt es klare Krisengewinner: Dazu zählen Unternehmen in den Bereichen Online-Handel und IT, Pharmafirmen, aber auch Zustelldienste, erklärt David Mum von der Gewerkschaft GPA. Hier falle auf, dass es sich bei jenen Unternehmen, die derzeit riesige Vermögenszuwächse verzeichnen, oft um Firmen handle, „in denen Arbeitnehmer*innen besonders schlechte Arbeitsbedingungen vorfinden – Beispiel Amazon“, ergänzt Disslbacher.

Aktienkurse kletterten hoch

Andererseits stiegen in den vergangenen Monaten die Aktienkurse massiv. Warum? „Zu Beginn der Krise sind die Finanzvermögen dahingeschmolzen. Durch die Hilfspakete der Regierungen und die expansive Geldpolitik der Notenbanken wurden die Aktienkurse in sehr kurzer Zeit in die Höhe getrieben“, erklärt Mum. Anleihen zu nehmen sei aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik nicht mehr attraktiv. Investor*innen würden daher verstärkt auf Aktien zurückgreifen, das erhöhe die Nachfrage und treibe damit auch den Preis in die Höhe. Die gestiegenen Kurse seien damit ein Nebeneffekt der expansiven Geldpolitik.

Wer aber besitzt Aktien? Einerseits legen Versicherungen oder aber Pensionsfonds auf diese Weise Mittel an. Aktienvermögen, das Privatpersonen gehört, ist dagegen „bei den oberen fünf Prozent konzentriert“, betont der GPA-Experte. Es sind also die sehr Reichen, die hier massiv profitieren.

Die Hauptlast der Krise
tragen vor allem kleine und
mittlere Unternehmen
sowie Arbeiter*innen … 

Oxfam Deutschland

Noch gibt es dazu keine aktuellen Daten für Österreich. Doch schon bisher (Daten aus 2017, publiziert 2019) besaß das reichste Prozent – die rund 39.000 vermögendsten Haushalte – hierzulande knapp 39 Prozent des Nettovermögens, während auf die ärmsten 50 Prozent nur 2,8 Prozent des Vermögens entfielen, so Mum. Diese Kluft dürfte sich nun noch verstärken.

Oxfam hat sich nun in der Krise die Situation für das Nachbarland Deutschland angesehen. Dort verfügten die zehn reichsten Menschen Ende 2020 über ein Gesamtvermögen von rund 242 Milliarden US-Dollar und verzeichneten damit trotz Pandemie eine Steigerung von rund 35 Prozent beziehungsweise 62,7 Milliarden US-Dollar gegenüber Februar 2019. Zu diesen reichsten Milliardär*innen zählen die Aldi-Eigentümer*innen Beate Heister und Karl Albrecht jr.

Wie Franziska Disslbacher betont, konnten aber auch Hyperreiche aus Österreich ihr Vermögen in dieser Krise kräftig vermehren. Sie bezieht sich hier auf den Milliardärsindex von Bloomberg, dem zufolge Red-Bull-Miteigentümer Dietrich Mateschitz seinen Reichtum in der Krise bis Februar 2021 um 29 Prozent vermehren konnte, Johann Graf (Novomatic AG) gar um 62 Prozent.

Vermögenszuwachs von Johann Graf (Novomatic AG) während der Corona-Krise

Milliardärsindex Bloomberg

Unternehmen gewinnen, Beschäftigte verlieren

Gleichzeitig rutschen immer mehr Beschäftigte – auch in Unternehmen, die weiter hohe Profite erzielen – in die Armut. Denn, so scheint es, die Interessen etwa von Aktionär*innen haben Vorrang vor der existenziellen Absicherung von Arbeitnehmer*innen. Oxfam beschrieb dies am Beispiel des deutschen Automobilkonzerns BMW. 2020 wurden an dessen Aktionär*innen über 1,6 Milliarden Euro an Dividenden ausgezahlt. Davon kam rund die Hälfte den Hauptaktionär*innen Susanne Klatten und Stefan Quandt zugute. Gleichzeitig mussten im Frühjahr 20.000 Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit gehen. Fazit des Oxfam-Papiers: „Die Hauptlast der Krise tragen vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie Arbeiter*innen – und hierbei überproportional Frauen mit niedrigen Löhnen.“

Hier setzt auch Disslbacher an. Die Fehler, die nach der Finanzkrise von 2008 gemacht wurden, dürften nun nicht wiederholt werden. „Damals war das große Credo: Die Unternehmen müssen gerettet werden. Aber nur sehr wenige Menschen haben Eigentum an Unternehmen. Es ging also letztendlich um die Rettung der Vermögenswerte der Reichsten.“ Geschultert wurden die Ausgaben für die Rettungspakete schlussendlich jedoch großteils von den Arbeitnehmer*innen. „Und das gilt es nun zu vermeiden: dass hier ähnlich wie nach 2008 die Kosten dieser Krise auf dem Rücken der vielen, der Systemerhalter*innen, der Alltagsheld*innen, hereingebracht werden.“ Wobei Mum anmerkt: Die Unternehmen zu retten sei natürlich gesellschaftlich schon sinnvoll, es gehe ja auch um Arbeitsplätze. Allerdings müssten die Eigentümer*innen der Unternehmen hier auch ihren finanziellen Beitrag leisten.

Schon jetzt sehe man die massiven Auswirkungen der Krise am Arbeitsmarkt und bei der Armutsbetroffenheit, unterstreicht Mum. Arbeiter*innen sind öfter von Arbeitsplatzverlust betroffen als Angestellte, Jüngere stärker als jene im Haupterwerbsalter, Frauen häufiger als Männer. „Die Krise hat die ohnehin schon ungleichen Verhältnisse vergrößert. Zuerst wurden die überlassenen Arbeitskräfte abgebaut, danach Arbeiter*innen – die Stammbelegschaften kommen eher durch.“ Damit steige die Langzeitarbeitslosigkeit und auch die Armutsquote, denn die Hälfte von Langzeitarbeitslosen rutscht unter die Armutsgrenze.

Es zeichne sich darüber hinaus eine Pleitenwelle bei Kleinbetrieben ab. Im Krisenjahr 2020 seien die Insolvenzen zurückgegangen, weil Zahlungsverpflichtungen aufgeschoben wurden. Nur irgendwann gibt es keinen Aufschub mehr, und Betroffene werden dann nicht wissen, wo sie das Geld hernehmen sollen, um die offenen Beträge zu begleichen. „Da kommt noch einiges auf uns zu“, betont Mum.

Ohne Vermögenssteuern wird die aktuelle Krise
nicht im Sinne aller zu bewältigen sein.

Noch könne man aber gegensteuern, sind sich Disslbacher und Mum einig, und zwar durch massive Investitionen der öffentlichen Hand etwa in öffentliche Beschäftigungsprogramme, um der Arbeitslosigkeit zu begegnen, in überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen, um jungen Menschen eine Perspektive zu geben, die sich derzeit bereits teils resignativ aus Arbeit und Ausbildung verabschiedet hätten. Die Gesundheitsausgaben müssten erhöht, der Pflegebereich und die Kinderbetreuung besser finanziert werden. All das könnte der drohenden weiteren Erhöhung von Ungleichheit entgegenwirken.

Stellt sich die Frage der Finanzierung: Hier plädieren beide Expert*innen für eine Digitalabgabe für Internetunternehmen wie Amazon, für eine stärkere Besteuerung von Dividenden, für eine Finanztransaktionssteuer, um Spekulationen am Aktienmarkt zu besteuern, aber etwa auch für einen stärkeren internationalen Informationsaustausch über die Aktivitäten multinationaler Konzerne. Ziel müsse es sein, Umsätze dort zu besteuern, wo sie gemacht werden.

Vor allem aber fordern Mum und Disslbacher die Einführung von Vermögenssteuern – Stichwort Millionärssteuern. „In Österreich kommen derzeit zwei von drei Euro an Steuereinnahmen aus Steuern auf Arbeit und Konsum“, kritisiert die AK-Expertin. Nur 1,3 Prozent des Steueraufkommens werde aus vermögensbezogenen Steuern wie etwa der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer lukriert. Der OECD-Schnitt liege hier bei 5,7 Prozent, also weit höher.Mit der Einführung von anderen Vermögenssteuern könnten zwei Ziele erreicht werden: Einerseits würden Einnahmen für das öffentliche Budget lukriert. Andererseits könnten sie aber auch dazu beitragen, die Vermögensungleichheit zu reduzieren. Dabei komme es allerdings darauf an, welches Modell man hier umsetze.

Zwei von drei Euro an Steuereinnahmen kommen aus Arbeit und Konsum

Und die Erbschaften?

Eine Erbschaftssteuer wäre nur im Fall großer Erbschaften zu bezahlen. Werde diese erst ab Hinterlassenschaften im Wert von über einer Million Euro fällig, wären zumindest 97 Prozent der Haushalte nicht betroffen, beruhigt Disslbacher. Die untersten 90 Prozent würden im Durchschnitt 124.000 Euro erben, das oberste Prozent hingegen im Schnitt 3,3 Millionen Euro.

Höhere Einnahmen kann der Staat durch die Besteuerung von großen Vermögen lukrieren. Das würde dem Staatshaushalt helfen, die Ungleichheit aber noch nicht substanziell reduzieren. Disslbacher sagt, dass man sich hier auch progressivere Modelle mit stärker steigenden und höheren Steuersätzen anschauen könnte. So sieht etwa ein Vorschlag des französischen Wirtschaftswissenschafters Thomas Piketty vor, Vermögen über dem Tausendfachen des Durchschnittsvermögens mit 60 Prozent zu besteuern und Vermögen über dem Zehntausendfachen des Durchschnittsvermögens mit 90 Prozent. Das würde langfristig zu einer Begrenzung sehr hoher Vermögen führen. Für welches Modell man sich am Ende auch entscheide: Ohne Vermögenssteuern werde die aktuelle Krise nicht im Sinne aller zu bewältigen sein, betonen die beiden Expert*innen.

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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