Statt Blumen: Wie sich der Arbeitsmarkt für Frauen ändern muss

Frau steht an einer Werkbank. Symbolbild für die Situation von Frauen am Arbeitsplatz.
Strukturelle Benachteiligung bleibt für Frauen ein Problem - auch am Arbeitsmarkt. | ©Adobestock/Igor
Und jährlich grüßt das Murmeltier: Zum Weltfrauentag blicken wir auf all die Problematiken, mit denen sich Frauen tagtäglich am Arbeitsmarkt rumschlagen müssen. Was jetzt notwendig ist, damit Gleichberechtigung real wird.
Die strukturelle Benachteiligung – sie bleibt für Frauen am österreichischen Arbeitsmarkt ein Problem. Denn auch 2023 schließt sich der Gender Pay Gap nicht, die Care-Arbeit bleibt weiter an Frauen kleben und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist noch immer ein Thema. So kann es nicht mehr weitergehen. Es hakt im Gesamtsystem, ein grundlegendes Umdenken ist notwendig. Doch die bisherigen Überlegungen von Arbeitsminister Martin Kocher waren ein klarer Fall von Themenverfehlung. Kocher wollte nämlich Sozialleistungen für Menschen in Teilzeit kürzen – wir berichteten.

Frauen und Arbeitsmarkt: Und wer sorgt sich um die Kinder?

Während sich Minister Kocher am Mythos von der freiwilligen Teilzeit abarbeitete, ist die Realität eine andere. Die schlecht ausgebaute Kinderbetreuung, insbesondere in ländlichen Gebieten, lassen oft nur eine Teilzeitstelle zu und zementieren den österreichischen Status Quo für Frauen am Arbeitsmarkt ein. So arbeiteten rund 49,6 Prozent aller Frauen 2021 in Teilzeit – EU-weites Spitzenfeld. 38,4 Prozent dieser Frauen gaben bei einer Studie der Statistik Austria an, dass der Grund Betreuungspflichten seien.

Eine Frau spricht in ein Telefon und arbeitet an einem Laptop. Zwei Kinder buhlen um ihre Aufmerksamkeit. Symbolbild für den Spagat zwischen Familie und Beruf.
Die Teilzeitfalle ist nicht selbstgemacht: Es fehlt an Kinderbetreuungseinrichtungen, für viele Frauen ist Vollzeitarbeit schlicht keine Möglichkeit. | ©Adobestock/Valerii

„Der wesentliche Faktor ist die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Das führt zu Arbeitslosigkeit und Teilzeitarbeit in Frauenleben, die von der Arbeitsmarktpolitik nicht ausreichend aufgegriffen werden“, fasst Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich, zusammen. Frauen arbeiten also nicht weniger, sondern unsichtbar.

So liegt nämlich laut Arbeiterkammer der Gender Care Gap – also die Aufteilung von Care-Arbeit nach Geschlecht – bei 98 Prozent. Und davon profitiert das System. „Ohne die unbezahlte Arbeit, die Frauen tagtäglich leisten, würde unsere Wirtschaft zusammenbrechen“, erinnert Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und -Bundesfrauenvorsitzende.

Altersarmut ist weiblich

Die fehl gerichtete Arbeitsmarktpolitik – nur eine Seite der Medaille. Österreichs Unternehmen färben sich am heutigen Tag ihre Corporate Identity lila, doch passende Arbeitsplätze für Mütter sind weiter Wunschdenken. Dabei ginge es anders: „Unternehmen können ihre Attraktivität steigern, indem sie innovative Arbeits- und Führungsmodelle wie etwa Jobsharing und Generationentandems anbieten“, bekräftigt Daniela Schallert, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA. „Auch das Modell Elternzeit 30:30 würde Eltern nach der Geburt eines Kindes unterstützen und gleiche Chancen stärken“.

Neben Müttern sind auch ältere Frauen am Arbeitsmarkt weiterhin nicht gern gesehen. Sie haben es nach längeren Phasen der Erwerbsarbeitslosigkeit oft schwerer, wieder eine Anstellung zu finden, oder können ihren Beruf nicht bis zur Pension ausführen. „Dringend notwendig sind altersgerechte Lösungen für Arbeitnehmerinnen in den Unternehmen. Nur wer einen Job auch bis zur Pension machen kann, läuft im Alter nicht Gefahr, in die Armut zu rutschen oder vom Partner abhängig zu sein“, erklärt Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende.

Blumen können es nicht richten

Doch wie sollen Frauen erwerbstätig bleiben, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen? 56 Prozent aller Arbeitnehmer:innen berichten davon, am Arbeitsplatz bereits sexuell belästigt worden zu sein. Besonders betroffen sind Berufseinsteiger:innen, Praktikannt:innen und prekär Beschäftigte. Martina Fürpass, Geschäftsführerin des Vereins sprungbrett, dazu: „Menschen in niedrigen hierarchischen Positionen haben es schwer, sich zu wehren, da sie besonders abhängig sind.“

Die sogenannte „stille Reserve“ nennt unter anderem auch sexuelle Gewalt als Grund für den Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt. Es handelt sich um Frauen, die zwar grundsätzlich wieder arbeiten wollen, aber momentan nicht aktiv nach einem Job suchen. Grund sind negative Erfahrungen, die sie in ihrem bisherigen Berufsleben gemacht haben. Rund 39.000 Frauen gehören dieser Gruppe an.

Um sie auf den Arbeitsmarkt zu holen, werden Blumen nicht reichen: „Auf politischer Ebene braucht es ein umfassendes Commitment zu Geschlechtergerechtigkeit. Wir müssen über traditionelle Rollenbilder reden, über die ungleiche Verteilung von Macht und die ungerechte Verteilung und Bewertung von Sorgearbeit“, so Sophie Hansal, Geschäftsführerin des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen

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