Nicht zuletzt: Stärke durch Betriebsrat!

Kommentar von Reinhold Binder, Bundessekretär für Organisation in der PRO-GE
Foto (C) ÖGB
Betriebsratsverseucht“ wurde vor einigen Jahren zum „Unwort des Jahres“ gekürt. Verwendet wurde es von Führungskräften einer großen deutschen Baumarktkette: MitarbeiterInnen seien „betriebsratsverseucht“, wenn sie von einem Standort mit Betriebsrat in einen ohne Betriebsrat wechseln wollten. Die abwertende Bezeichnung hatte natürlich System, und niemand soll glauben, dass das „Union Busting“, also das gezielte Verhindern einer arbeitgeber­unabhängigen Interessenvertretung, in österreichischen Betrieben nicht vorkommt. Im Gegenteil!

Soziales Gewissen

Auch 100 Jahre nach der Geburtsstunde für die Gründung von Betriebsräten in Österreich braucht es KollegInnen, die informieren und die für die Anliegen der Beschäftigten kämpfen. Zusammen mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer sorgen sie für ein besseres Leben der ArbeitnehmerInnen, ermöglichen Mitbestimmung im Betrieb, mobilisieren für ArbeitnehmerInnenanliegen und stärken die Durchsetzungskraft bei Kollektivvertragsverhandlungen.

Der Betriebsrat ist das soziale Gewissen im Unternehmen, das Sprachrohr für die KollegInnen und die Gegenmacht zu den Unternehmerinteressen.

Der Betriebsrat ist das soziale Gewissen im Unternehmen, das Sprachrohr für die KollegInnen und die Gegenmacht zu den Unternehmerinteressen. Dass sich der Einsatz für gute Chancen, Arbeits- und Lebensbedingungen lohnt, beweisen zahlreiche Studien: BetriebsrätInnen wirken ausgleichend und vermindern die Kluft zwischen „unten“ und „oben“. In Unternehmen mit Betriebsrat ist die Arbeitszufriedenheit höher, die Beschäftigten verdienen durchschnittlich mehr und die Beschäftigungsverhältnisse sind stabiler. Deswegen gehören österreichische Unternehmen zur Weltspitze, und deswegen ist die heimische Sozialpartnerschaft ein Vorbild für viele andere Länder.

Dass die betriebliche Sozialpartnerschaft ein wichtiger Motor für wirtschaftliche, gesellschafts- und sozialpolitische Erfolge sein kann, ist aber nicht in Stein gemeißelt. Veränderungen der Arbeitswelt kratzen stetig am bewährten System. Normalarbeitsverhältnisse werden weniger oder erst viel später erreicht als noch vor einigen Jahren.

Dass die betriebliche Sozialpartnerschaft ein wichtiger Motor für wirtschaftliche, gesellschafts- und sozialpolitische Erfolge sein kann, ist aber nicht in Stein gemeißelt. Veränderungen der Arbeitswelt kratzen stetig am bewährten System.

Dazwischen liegen oft Phasen von Praktika, Kettenarbeitsverträgen oder Leiharbeit. Unternehmen gliedern zudem gerne aus: Der Portier ist eigentlich Mitarbeiter einer Security-Firma, und die Reinigungskräfte werden von externen Dienstleistungsunternehmen gestellt. Die fortschreitende Digitalisierung tut ihres dazu, den Flexibilitätszwang noch zu verschärfen. Werkverträge und entgrenzte Arbeitszeiten nehmen rasant zu, ständige Erreichbarkeit ist schon lange kein ausschließliches Managerproblem mehr. Diese Veränderungen haben unmittelbare Auswirkungen: Sie unterlaufen die Rechte der ArbeitnehmerInnen und schwächen ihre kollektive Gegenmacht zu den Arbeitgeberinteressen – und damit schließlich die Sozialpartnerschaft. Mitbestimmung und Dialog werden schwieriger, aber gleichzeitig steigen die Anforderungen an die BetriebsrätInnen.

Darum ist es wichtig, Betriebsratsrechte zu stärken und Mitglieder für die Gewerkschaftsbewegung zu gewinnen.

Darum ist es wichtig, Betriebsratsrechte zu stärken und Mitglieder für die Gewerkschaftsbewegung zu gewinnen. So müssen etwa Behinderungen von Betriebsratswahlen unter Strafe gestellt und erstmalige Wahlen durch kürzere Fristen sowie Kündigungsschutz erleichtert werden. Die Betriebsratsarbeit während der Arbeitszeit gehört besser abgesichert, Freistellungsgrenzen müssen flexibilisiert und die Bildungsfreistellungen ausgeweitet werden.

Stellung verbessern

Es gilt – gerade unter einer arbeitnehmerfeindlich eingestellten Regierung – mit aller Kraft die Stellung der BetriebsrätInnen zu verbessern. Und das geht am besten durch einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Eine hohe Anzahl an Gewerkschaftsmitgliedern ist das Rückgrat für eine aktive und durchsetzungsfähige Interessenvertretung. Nur so wird die Sozialpartnerschaft in Österreich eine gute Zukunft haben. Nur so werden die Anliegen der ArbeitnehmerInnen auch weiterhin Gehör finden.

Von
Reinhold Binder

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/19.

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