Mitbestimmung unerwünscht? An der Sigmund Freud Uni brodelt es

Die Sigmund Freud Universität in Wien. Symbolbild für den Konflikt zwischen Beschäftigten und Rektorat.
Stellenabbau, Überlastung und Repressalien verschärfen den Konflikt zwischen Beschäftigten und Rektorat an der Sigmund Freud Universität. | © Willfried Gredler-Oxenbauer / picturedesk.com
An der Wiener Sigmund Freud Privatuniversität spitzt sich ein Konflikt zwischen Beschäftigten und Rektorat zu. Nun wird gestreikt.

Die 2005 gegründete Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) in Wien ist die größte private Universität in Österreich mit weiteren Standorten in Linz, Berlin, Paris, Ljubljana und Mailand. Derzeit steckt das Unternehmen in einer Krise. Am 12. November planen die Beschäftigten den Wiener Standort zu bestreiken. Berliner Kolleg:innen wollen sich online zur Streikkundgebung zuschalten und sich so solidarisieren. Es geht um viel: Die Wiener Belegschaft klagt über Stellenabbau, Überlastung und Repressalien gegen den Betriebsrat.

Letzteres beschäftigt inzwischen auch das Wiener Arbeits- und Sozialgericht. Am 5. November wurde dort ein Verfahren gegen den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Carlos Watzka eröffnet. Die Geschäftsführung der Sigmund Freud Privatuniversität klagt auf Kündigung gegen Watzka. „Meiner Wahrnehmung nach geht es bei dieser Klage darum, gezielt den Betriebsrat zu schwächen“, sagt Watzka im Interview mit Arbeit&Wirtschaft. „Man hat offenbar seit 2024 gezielt Material gesammelt, um mich loszubekommen. Wir waren von Beginn an ein unbequemer Betriebsrat, weil wir uns gegen Missstände, das schlechte Betriebsklima und Ungleichheiten in der Bezahlung gewehrt haben. Vor Gericht wird mir unter anderem ‚respektloses Verhalten‘ vorgeworfen. Es wundert mich sehr, dass das ein Kündigungsgrund sein soll.“

Intransparente Gehaltsstrukturen

Ähnlich wie Fachhochschulen unterliegen Privatuniversitäten in Österreich keinem Kollektivvertrag. Das heißt, dass Inflationsanpassungen oder Gehaltssteigerungen nur über den Weg von Betriebsvereinbarungen durchgesetzt werden können. Für deren Aushandlung braucht es jedoch gewählte Betriebsräte. Den gibt es bei der Sigmund Freud Privatuniversität erst seit dem Jahr 2022. Und seitdem werden dem Gremium laut Angaben von Betriebsratsmitgliedern Steine in den Weg gelegt. So verweigert die Geschäftsführung seit Mai 2025 die Unterzeichnung einer eigentlich fertig ausverhandelten Betriebsvereinbarung. Diese sähe neben einer Anpassung der Gehälter an die Inflationsentwicklung auch weitere Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Gleitzeit und die Abgeltung von Mehrleistungen für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen vor.

Inzwischen hat die ehemalige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Handan Özbaş den Betriebsrat interimistisch übernommen. Dieser Schritt wurde gesetzt, um den Weg für Gespräche mit der Geschäftsführung freizumachen. „Die Geschäftsführung hat immer argumentiert, dass es keine Gesprächsbasis mit Carlos Watzka mehr gebe, weshalb keine Verhandlungen möglich seien“, so Özbaş im Interview. „Außerdem hat sie gegen Carlos Watzka ein Betretungsverbot für das Universitätsgelände verhängt. Das soll wohl auch unsere Betriebsratsarbeit behindern, ist aber rechtlich unwirksam.“ Die Argumentation der Geschäftsführung hält sie für vorgeschoben: „In den Jahren 2015 bis 2024 hat die Universität Millionen an Gewinnen erzielt. Nur in den Jahren 2023 und 2024 gab es in den 20 Jahren der Existenz dieser Privatuni eine Inflationsanpassung der Gehälter. Ein Gehaltsschema gab es bisher gar nicht, und dadurch war alles sehr intransparent.“ Betriebsratsvorsitzender Watzka hat versucht, das zu ändern. Und deshalb sei er der Geschäftsführung ein Dorn im Auge.

Solidarität gegen Stellenabbau

Ohne einen starken Rückhalt aus der Belegschaft wäre der Druck für den Betriebsrat nicht aushaltbar gewesen, so Özbaş. „Vor dem Arbeitsgericht hat sich das wieder gezeigt. Wir haben am 5. November gemeinsam mit Kolleg:innen eine Protestkundgebung organisiert. Auch von anderen Fachhochschulen und Universitäten kam Unterstützung.“ Die ist dringend nötig, denn längst ist nicht mehr nur der Betriebsrat bedroht. Unter der Belegschaft geht die Angst vor weiteren Kündigungen um. In den Fakultäten Psychotherapiewissenschaft und Rechtswissenschaft wurden bereits Dienstverhältnisse eines Drittels des wissenschaftlichen Personals aufgelöst oder es sind Kündigungsprozesse dazu im Gang. Zusätzliches Öl ins Feuer gießt die Geschäftsführung durch die Auflösung des Dienstverhältnisses der Vorsitzperson des Arbeitskreises für Gleichbehandlung – und das ohne Begründung. „Das ist symptomatisch für den Umgang mit Arbeitnehmer:innenrechten an der Sigmund Freud-Universität“, so Özbaş.

Die Probleme an der Sigmund Freud Privatuniversität spiegeln sich auch in den Forderungen wider, welche die Belegschaft mit ihrem Streik am 12. November durchsetzen will. Unter anderem geht es um eine Anhebung der Gehälter um die Inflationsrate, ein Ende der Repressalien sowie die Schaffung ausreichender Personalkapazitäten.

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Auf Anfrage von Arbeit&Wirtschaft weist Teresa Schön, Vizerektorin für Recht und Organisationsentwicklung der Sigmund Freud Privatuniversität, die Vorwürfe entschieden zurück. Man habe in den vergangenen Monaten aufgrund finanzieller Engpässe den Personalstand in Standorten in Wien und Linz um rund sechs Prozent reduzieren müssen – in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat, wie betont wird. Der Antrag auf Kündigung des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Watzka stehe im Zusammenhang mit einem „betriebsschädigenden Verhalten“, heißt es weiter. Worin dieses bestanden haben soll, wird in dem Statement nicht näher ausgeführt. Die Universitätsleitung habe dem Streikkomitee jetzt ein neues Angebot unterbreitet und erneut Gesprächsbereitschaft signalisiert. Doch das Gremium zeigt sich davon wenig überzeugt. Über die Bedingungen des Angebots sei man „nicht erfreut“, sagt die aktuelle Betriebsratsvorsitzende Handan Özbaş. „Der Warnstreik bleibt weiterhin aufrecht.“ Das letzte Wort ist an der SFU also noch nicht gesprochen.

&Info

Solidarisierung mit den Mitarbeiter:innen der SFU ist ausdrücklich erwünscht. Entsprechende Botschaften können an folgende E-Mail-Adresse geschickt werden: streikkomitee.sfu@gmail.com

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Über den/die Autor:in

Christian Bunke

Chistian Bunke ist freier Journalist in Wien, mit Schwerpunkten in Sozialpolitik, Gewerkschaften, Stadtplanung, Militarismus, Großbritannien und Fankultur. Er ist Mitglied des FYI-Kollektivs.

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