Sebastian Klein: „Wir brauchen eine Geiz- und Gier-Debatte“

Sebastian Klein ruft dazu auf, dass wir eine Gier- und Geizdebatte führen. | © Panama Pictures / Action Press / picturedesk.com
„Durch meinen Reichtum wurde ich Teil des Problems, dabei wollte ich lieber Teil der Lösung sein.“ | © Panama Pictures / Action Press / picturedesk.com
Seit Jahren wird über die Besteuerung von Superreichen diskutiert. Sebastian Klein zählte einst zum obersten ein Prozent der Vermögenden in Deutschland – bis er sein gesamtes Vermögen für gemeinnützige Zwecke einsetzte. In seinem Buch beschreibt er, wie schnell Reichtum zur Sucht werden kann.
Statt über Neid auf Superreiche sollten wir über deren Gier sprechen, sagt Sebastian Klein. Der Startup-Gründer und Buchautor gehörte zum reichsten Prozent der Deutschen und spürte selbst, wie schnell Geld zur Sucht werden kann. Heute betreibt er gemeinnützige Unternehmen, kämpft gegen Ungleichheit und für Vermögenssteuern.

Sebastian Klein
gründete Startups, darunter 2012 die Buchzusammenfassungs-App Blinkist. Nachdem er 2023 seine Anteile verkaufte, verfügte er über ein Vermögen von fünf Millionen Euro und gehörte zum reichsten Prozent der deutschen Bevölkerung. Mit 90 Prozent des Geldes gründete er gemeinnützige Unternehmen wie die 2018 Investment-Holding Karma Capital. Sie finanziert Unternehmen, die einen wichtigen Beitrag gegen die Ungleichheitskrise und die ökonomische Spaltung leisten. Klein gründete den Verlag „Neue Narrative“ und ist einer der Mitgründer des 2024 gegründeten Media Forward Funds. Er engagiert sich zudem in der taxmenow-Bewegung für Steuergerechtigkeit und fordert Vermögens- und Erbschaftssteuern. Im Februar 2025 erschien sein Buch „Toxisch reich – Warum extremer Reichtum unsere Demokratie gefährdet“.

Ihr Buch „Toxisch reich“ widmet sich der Bedrohung der Demokratie durch Überreichtum. Was beunruhigt Sie derzeit besonders, Sebastian Klein?

Sebastian Klein: Als ich das Buch 2024 geschrieben habe, dachte ich, dass der Untertitel „Warum extremer Reichtum unsere Demokratie gefährdet“ eine provokante Aussage wäre. Inzwischen haben wir gelernt, dass es nur eine Beschreibung der Realität ist. Elon Musk und Donald Trump führen der Weltbevölkerung vor Augen, dass extremer Reichtum und Demokratie nicht zusammenpassen. Die reichsten Amerikaner:innen sagen heute sogar offen, dass sie die Demokratie abschaffen wollen. Wir in Europa sollten uns fragen, ob wir denselben Weg einschlagen oder etwas dagegen tun wollen.

Nachdem Sie Ihre Anteile an der Buchungsapp Blinkist verkauft haben, gehörten Sie zum reichsten Prozent Deutschlands. Warum haben Sie sich nicht zurückgelehnt und sich mit dem Geld einfach ein schönes Leben gemacht?

Ich bin nicht plötzlich, sondern schrittweise reicher geworden und habe bemerkt, dass das etwas mit meiner Persönlichkeit gemacht hat: Auf einmal war mir wichtig, nicht nur viel Geld zu haben – ich wollte immer mehr. Parallel dazu habe ich dann Thomas Piketty (französischer Wissenschafter, der vor allem zu Ungleichheit forscht, Anm.d.Red.) gelesen und mich mit seiner Forschung beschäftigt. Mir wurde klar, dass die zunehmende ökonomische Ungleichheit ein gefährliches gesellschaftliches Problem ist. Durch meinen Reichtum wurde ich Teil des Problems, dabei wollte ich lieber Teil der Lösung sein.

🎉 Es ist soweit: #ToxischReich von Sebastian Klein ist da!

Auch wenn die Tierwelt auf dem Foto noch etwas skeptisch blickt, sind wir uns sicher, dass dieses Buch ziemlich gut und in Zeiten von Elon Musk und Co. höchst relevant ist.

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— oekom (@oekom.de) 4. Februar 2025 um 10:42

Bei der Diskussion um Vermögenssteuern fällt schnell das Wort ‚Neiddebatte‘. Ist das angemessen?

Neidisch ist man auf den Nachbarn oder die Nachbarin, der oder die 1.000 Euro mehr verdient oder ein größeres Auto hat, nicht auf die Lebensrealität von Milliardär:innen. Man kann sich ja gar nicht vorstellen, was es bedeutet, so viel Geld zu besitzen. Die eigentliche Diskussion sollte also nicht über Neid, sondern über Geiz und Gier geführt werden. Menschen, die durch eine Erbschaft mit einem riesigen Vermögen beschenkt werden und sich dagegen wehren, darauf eine moderate Steuer zu bezahlen, sind egoistisch und gierig. Es geht nicht um Enteignung, sondern um eine Vermögens- oder Erbschaftssteuer, die viel geringer ausfallen würde als etwa die Einkommenssteuer.

Sebastian Klein sieht in Überreichtum eines der großen Probleme unserer Zeit. | © Adobe Stock/Photo Find
Sebastian Klein sieht in Überreichtum eines der großen Probleme unserer Zeit. | © Adobe Stock/Photo Find

Sie schreiben in Ihrem Buch, reiche Menschen sollten nicht mit dem Ziel der Rendite-Maximierung investieren, weil sie damit Schaden anrichten und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht würden. Wer soll sie daran hindern?

Momentan wird als selbstverständlich hingenommen, dass das wichtigste Ziel eines sehr reichen Menschen ist, noch reicher zu werden. Aber das Gegenteil sollte der Fall sein. Wenn ein sehr reicher Mensch sich fragt, was er Gutes für die Gesellschaft tun kann, sollte sein Ziel nicht sein, reicher zu werden, sondern ärmer. Oder zumindest nicht noch reicher zu werden. Das ist eines der gesellschaftlichen Narrative, die sich ändern müssen.

Ihr Verlag Neue Narrative widmet sich der Zukunft der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Was läuft dort, insbesondere in Sachen Ungleichheit, falsch?

Eine Sache, die mich maßlos ärgert, ist, dass – jedenfalls in Deutschland – die überreichen Erbenfamilien immer so tun, als würden sie jeden Cent in Arbeitsplätze investieren, als hinge das wirtschaftliche Überleben Deutschlands allein von ihnen ab und als würde ohne sie hier gar nichts gehen. Wenn man genauer hinschaut, haben sie alle massiv am Finanzmarkt Geld investiert und Immobilien gekauft, was die Preise nach oben treibt. Das hilft der Wirtschaft überhaupt nicht. Im Gegenteil: Es macht das Leben für alle teurer.

Was ist Ihre Vision von der Zukunft?

In Deutschland ist inzwischen ein Sechstel der Bevölkerung von Armut bedroht. Ich kann es nicht genießen, in einer Gesellschaft reich zu sein, in der so viele Menschen arm sind. Ich glaube ganz egoistisch daran, dass ich selbst in 20 Jahren ein besseres Leben haben werde, wenn reiche Menschen wie ich jetzt auf Geld verzichten. Nur dann kann die Gesellschaft eine bessere werden.

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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