Rückhalt in der Krise

Inhalt

  1. Seite 1 - Betriebsratsarbeit in der Krise
  2. Seite 2 - Bestreben gegen den Personalabbau
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Wird ein Unternehmen umstrukturiert, fällt den BetriebsrätInnen eine besondere Rolle zu. Zwei von ihnen sprechen darüber, wie sie Krisen gemeistert haben.

Mit offenen Karten

Oberste Priorität hatte ein Sozialplan samt Arbeitsstiftung. In diesem Prozess saßen Walczyk und sein Team regelmäßig mit der Werksleitung, Vorstand, Vertretern von Arbeitsmarktservice (AMS), Wirtschaftskammer und Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff) an einem Tisch. Walczyk empfand die Gespräche auf Augenhöhe. „Es war unsere einzige Chance, mit offenen Karten zu spielen.“

Es war unsere einzige Chance, mit offenen Karten zu spielen.

Mitten in den Verhandlungen trat ein Betriebsratskollege aus Protest gegen den Jobabbau für drei Tage in Hungerstreik, was Walczyk bis heute für kontraproduktiv hält. „Wir waren in den Schlagzeilen, was Rüstungsbetriebe sich ohnehin nicht wünschen. Und wer vergibt einen langfristigen Auftrag an ein Unternehmen, das offensichtlich in der Krise steckt? Wir haben ihm abgeraten, aber er tat es dennoch.“

Die Verhandlungen zu Sozialplan und Arbeitsstiftung waren langwierig. Walczyk war eine ausgeglichene Beschäftigungsstruktur wichtig. Es durften nicht zu viele altgediente KollegInnen mit reichem Erfahrungsschatz gehen und nicht zu viele Junge mit Innovationskraft. Dazu kam, dass manche Führungskraft bereit war, Kürzungen unwidersprochen hinzunehmen, auch aus Angst, selbst den Job zu verlieren. In solchen Fällen fragte der Betriebsrat nach, wie zukünftige Abläufe mit so wenigen KollegInnen bewältigt werden sollten.

„Stehe ich auf der Liste? Muss ich gehen?“, fragten viele.
„Stehe ich auf der Liste? Muss ich gehen?“, fragten viele. Was viele KollegInnen ihrem Betriebsrat anfangs nicht glaubten, war, dass Walczyk die Namen der betroffenen KollegInnen selbst lange nicht wusste. Um möglichst unvoreingenommen verhandeln zu können, standen auf seiner Liste nur Eckdaten wie Geburtsjahr, Eintrittsdatum, Funktion und Spezialkenntnisse. Er hatte mehr als nur eine schlaflose Nacht, erinnert er sich. „In der Nacht, bevor die KollegInnen informiert werden sollten, haben wir beinhart für einzelne Personen gekämpft“, so Walczyk.

Sozialplan

Mit dem Sozialplan zeigte er sich zufrieden, weil er den Eintritt in die Arbeitsstiftung und Bildungskarenzen ermöglichte und den KollegInnen so Perspektiven eröffnete. Einige hatten die Chance, bei Werken der Rheinmetall in Deutschland unterzukommen. Insgesamt wurden 200 Jobs abgebaut, darunter nur „10 tatsächliche Kündigungen“.

Der Großteil der MitarbeiterInnen kam in der Arbeitsstiftung unter. Auch heute noch, sechs Jahre später, wird klar, wie belastend die Situation für den heute 60-Jährigen war. Er musste langjährige Kollegen ebenso verabschieden wie jüngere, mit deren Vätern er gearbeitet hatte. „Das war grauslich, es hieß nur: Augen zu und durch.“

Über den Berg war das Werk erst, als 2015 endlich der australische Großauftrag fixiert war. Rund 70 KollegInnen, die sich in der Arbeitsstiftung weiterqualifiziert hatten, arbeiten heute wieder im Unternehmen. Im September 2018 wurde bekannt, dass das australische Militär weitere 1.000 Lkw in Auftrag gibt. Nach 20 Jahren als Betriebsratsvorsitzender ist Walczyk nun Stellvertreter und wird nicht mehr kandidieren. Es brauche neue Leute mit neuen Ideen. Sein größter Erfolg? „Dass wir überlebt haben und besser dastehen als vorher.“

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Von
Sandra Knopp und Udo Seelhofer
Freie JournalistInnen

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/19.

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Über den/die Autor:in

Sandra Knopp und Udo Seelhofer

Sandra Knopp ist freie Journalistin für verschiedene Radio und Printmedien, und hat die Themen Arbeitsmarkt, Soziales und Gesellschaftspolitik als Schwerpunkte. Udo Seelhofer war früher Lehrer und arbeitet seit 2012 als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Gesellschaft, soziale Themen und Religion. Im Team wurden sie beim Journalismuspreis „Von unten“ 2017 für ihre Arbeit&Wirtschaft Reportage „Im Schatten der Armut“ ausgezeichnet.

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