Reportage: Letzte Chance

Foto (C) Verein ASINOE
Sagt ein Archäologe: „Wir haben so viele Grabungen.“ Sagt der Sozialarbeiter: „Wir haben so viele Leute.“ Was wie ein Witz klingt, ist eine geniale Idee.

Inhalt

  1. Seite 1 - Vermittlungshindernisse
  2. Seite 2 - Arbeit genug
  3. Seite 3 - Wiedergewonnenes Selbstvertrauen
  4. Seite 4 - Aufschwung spürbar
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Trotz derzeit sinkender Arbeitslosenzahlen finden am ersten Markt nicht alle Platz. Für viele bieten die Initiativen am erweiterten Arbeitsmarkt endlich wieder eine Perspektive.
Es direkt mitzuteilen geht nun doch nicht. Wer schreibt schon die wahren Gründe einer Absage? Und wozu auch, es sind ja genügend Arbeitskräfte da, die sich bewerben. Keine Antwort ist auch eine. „Am Anfang sind die Menschen total engagiert“, berichtet Petra Wellemsen, „sie schreiben Hunderte Bewerbungen, zielgerichtet, ohne utopische Vorstellungen. Von Monat zu Monat wächst die Frustration.“ Wellemsen ist Bereichsleiterin für Sozialarbeit im gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt ASINOE, wie die Abkürzung für Archäologisch-Soziale Initiative Niederösterreich lautet.

Christian W. ist einer „von denen, die keine Antwort kriegen“. Außer vom Billa. Keine Zusage zwar, aber immerhin ein Schreiben. Das sei schon fein. Man könnte ihn für einen der Sozialarbeiter halten oder einen der Archäologen draußen bei den Grabungen am Sitz der ASINOE in Krems, wo er bis vor Kurzem beschäftigt war. Er trägt sein langes, grau meliertes Haar zusammengebunden, wie so mancher Ethnologe, um bei der Forschung im Feld vom Wind nicht zerzaust zu werden. „Ich weiß viel“, strahlt er ohne Überheblichkeit aus. Und: „Schade, dass ihr nichts davon nutzt.“

Foto (C) Verein ASINOE
Manche ziehen die Arbeit in der Werkstatt vor. „Man könnte flexibler nachdenken, wo die Leute zum Vorteil aller einzusetzen sind“, meint Sozialarbeiter Thomas Schobel.

Vermittlungshindernis

Christian gilt jedoch als einer von jenen mit Vermittlungshindernissen. Als Ingenieur und Flugzeugtechniker ist es schwer, in der Region Krems Arbeit zu finden, noch dazu als älterer Mensch – wenn auch für Erwerbsarbeit nicht zu alt. „Ich bilde mir nicht ein, dass mich jemand auf der Stufe einstellt, auf der ich aussteigen musste“, sagt er, der – bis auf die sechsmonatige Tätigkeit bei ASINOE – seit 2013 Arbeit sucht. Er wäre bereit, „fast alles zu tun“. Gerne hätte er weiter bei den Grabungen mitgearbeitet, die unter Anleitung von ausgebildeten ArchäologInnen in den Einzugsgebieten von Krems, Horn und St. Pölten stattfinden. Todmüde sei er abends gewesen, erzählt er. Im Sommer meinte er mitunter, in der Hitze umfallen zu müssen.

Mühevolle Kleinarbeit

Rund sechs Dutzend arbeitsuchende Personen pro Jahr wirken hier an Aufträgen öffentlicher und privater Bauherren mit: von Rettungsgrabungen in Kirchen und Klöstern oder im historischen Stadtkern bis hin zu kommerziellen Großprojekten. In mühevoller Kleinarbeit legen die Teams Fundstellen frei, hacken, säubern, fotografieren, um dann von vorne zu beginnen. „Das große Ergebnis“, sagt Christian und seine Augen leuchten, „ist die so entstehende Information über die Geschichte der Region, nicht die manuelle Arbeit.“

Sogenannte „arbeitsmarktferne“ Menschen werden über die Regionalgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (AMS) an die Initiative vermittelt, die vom AMS NÖ und Land NÖ gefördert wird. Die Zielgruppe verändere sich je nach Anforderung von Land und Politik, berichtet Petra Wellemsen. Seit 2016 liegt der Schwerpunkt auf der Altersgruppe „50 plus“.

Die Entstehungsgeschichte der Initiative beginnt wie der Anfang eines Witzes, am Ende steht jedoch die Geburt eines sehr wichtigen Projekts: Saßen ein Archäologe und ein Sozialarbeiter zusammen. Der erste beklagte den Mangel an Personal, der zweite den an Arbeit.

Inhalt

  1. Seite 1 - Vermittlungshindernisse
  2. Seite 2 - Arbeit genug
  3. Seite 3 - Wiedergewonnenes Selbstvertrauen
  4. Seite 4 - Aufschwung spürbar
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