Punkte für gefälliges Verhalten

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Heutzutage entscheidet nicht mehr nur die bisherige Zahlungsmoral darüber, ob man als ­kreditwürdig eingestuft wird. Vielmehr werden sämtliche Lebensumstände einer Person in die Bonitätsbewertung miteinbezogen. Und es wird nicht nur zurückgeblickt, sondern es ­werden auch Prognosen für die Zukunft angestellt. Dieses System ist nicht nur fehleranfällig, ­fragwürdig ist auch, inwieweit der Datenschutz respektiert wird.

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Bonitätsbewertungen entscheiden immer öfter darüber, ob man als VertragspartnerIn akzeptiert wird. Eine Studie untersuchte Praxis und soziale Folgen des Scorings.
Sie haben die richtigen Facebook-FreundInnen, teilen mit ihnen die richtigen Seiten und posten Erwünschtes? Glückwunsch, Sie hätten gute Chancen, einen Kredit zu bekommen. Jedenfalls in China, wo Social-Media-Analysen der Kreditvergabe vorausgehen.

Abhängig von der Punktezahl, dem „Citizen Score“, kommen chinesische KonsumentInnen leichter an günstige Kredite oder an Reisevisa. Die Daten kann jede/r einsehen.

Bis 2020 möchte China laut „Wall Street Journal“ diese BürgerInnenbewertung landesweit einführen. Verwaltungsübertretungen und psychologische oder politische Auffälligkeiten hätten dann Konsequenzen: Wunschschule für die Kinder ade, freie Zug- und Hotelwahl eingeengt und längere Wartezeiten bei Behörden. Es handelt sich somit um eine Bonitätskontrolle gesteigert bis zur vollständigen Vermessung menschlichen Verhaltens.

Test bestanden oder durchgefallen?

Wer meint, dass sich so etwas nur in einem autoritären Land wie China abspielen könnte, irrt. Wissen ist Macht – auch hierzulande. Kreditgeber, Versicherungen, Leasingfirmen, Anbieter von ratenfinanzierten Geschäften oder einfach Firmen, die mit KundInnen eine längerfristige Vertragsbeziehung eingehen (z. B. Telefon- und Internetdienste, Vermietung, Ausbildungslehrgänge): Sie alle versuchen seit jeher, die Risiken eines Geschäftsabschlusses abzuschätzen und zu verringern. Noch nie zuvor wurde dabei aber so viel Aufwand getrieben. Firmenintern wird über komplexen Bewertungsmodellen für KundInnen gebrütet und Dienstleister werben für ihre Datenberge und Analysewerkzeuge, um das Bedürfnis von Unternehmern nach besserer Absicherung zu wecken.

Was ist denn nun Scoring? Der Begriff kann, angelehnt an den Sport, mit „Punktevergabe“ übersetzt werden. Scorings sind mathematische Verfahren zur Bewertung von Verhalten. Mithilfe von Fakten und statistischen Werten soll möglichst zuverlässig das Verhalten von KundInnen vorhergesagt werden. So wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der KundInnen ihre Zahlungspflichten erfüllen bzw. verletzen werden, ob sie sich den Vertragsabschluss leisten können, pünktlich zahlen und dem Unternehmen lange treu bleiben werden.

Alles, was man über die potenziellen VertragspartnerInnen weiß oder aufgrund statistischer Zuschreibungen zu wissen glaubt, fließt in den Score und damit in die unternehmerische Entscheidung ein: bei der Zusage oder Verweigerung eines Vertrages, bei der Festlegung von Preisen, Zinsen oder Konditionen.

Undurchschaubar auch in Österreich

Für Banken gilt die Sorgfaltspflicht nach dem Bankwesen- und Verbraucherkreditgesetz. Sie müssen die Bonität von KreditnehmerInnen prüfen. Allerdings handeln die AkteurInnen (die kreditgebende Wirtschaft, Wirtschaftsauskunfteien und viele weitere Unternehmen, die Bonitätschecks durchführen) dabei überaus intransparent. VerbraucherInnen wissen oft nicht einmal, dass Scoring durchgeführt wird, kennen ihren Score nicht und haben keine Möglichkeit, den Bewertungsprozess infrage zu stellen. Gleichzeitig nimmt die Menge der für Scoringzwecke durchkämmbaren Daten durch die Digitalisierung rasant zu.

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