Nur nicht im eigenen System…

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  1. Seite 1 - Sparen, nicht im eigenen System
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Türkis-Blau sprach vom Sparen. Gemeint damit waren aber nur die anderen, denn die Regierung gönnte sich viel Geld für PR und Personal.
Da sage noch wer, nur die Wirtschaft schaffe Arbeit: In den Kabinetten von Schwarz-Blau arbeiteten – bis zum „Ibiza-Video“ – über 270 Personen. Das macht 110 Beschäftigte oder fast 70 Prozent mehr als unter der letzten großen Koalition. Sie waren vor allem um die Generalsekretäre und Medienapparate der Kabinette gruppiert. 56 weitere Planstellen sah Hartwig Lögers (ÖVP) Budget noch vor.

Anstieg des Personals in den
Kabinetten von Schwarz-Blau II

+ 110 Beschäftigte

(+ 70 Prozent)

Das erste Kabinett unter Sebastian Kurz (ÖVP) gab letztes Jahr 44,8 Mil­l­ionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit aus. ÖVP-geführte Ressorts spendierten rund 24,8 Millionen, blaue knapp 20 Millionen Euro.

Das erste Kabinett unter Sebastian Kurz (ÖVP) gab letztes Jahr 44,8 Mil­l­ionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit aus, berichtete unter anderem das „profil“ im März. ÖVP-geführte Ressorts spendierten rund 24,8 Millionen, blaue knapp 20 Millionen Euro. Letztere beauftragten gerne FPÖ-nahe Agenturen mit der Erstellung von Logos und Kampagnen ohne Ausschreibung.

Obwohl rechtlich fragwürdig, ist die Vergabepraxis üblich. SPÖ und ÖVP haben in der Vergangenheit Werbeaufträge ähnlich zugeteilt. Blaue Agenturen aber kämpfen immer wieder mit Plagiatsvorwürfen und geraten öfter ins Visier der Justiz; ganz ohne versteckte Kameras. Man nehme die Firma, die das Logo für die Grenzschutzstaffel der Polizei „Puma“ entwickelte: Sie soll Geld für die FPÖ Kärnten gewaschen haben. Weiters musste Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erst im Frühjahr seinen Think-Tank umtaufen. Das Institut trug denselben Namen wie eine deutsche Firma. Dies und die Denk­fabrik von Kurz sind im Budget noch nicht bedacht.

Beispiel Inserate: „Sparfuchs“ vorne

Mit den PR-Kosten wuchs ihr klassischer Kern mit, die Inserate. Was die FPÖ früher bekrittelte, trug sie nun als Juniorpartner mit: Das Gesamtvolumen der durch Schwarz-Blau geschalteten Anzeigen stieg 2018 um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Was die FPÖ früher bekrittelte, trug sie nun als Juniorpartner mit: Das Gesamtvolumen der durch Schwarz-Blau geschalteten Anzeigen stieg 2018 um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Damit wurde – mal wieder – besonders der Boulevard bedacht. Die „Krone“ erhielt 4,7 Millionen, „Österreich“ 3,6 Millionen und „Heute“ 3,5 Millionen Euro. Ausgerechnet „Sparfuchs“ Löger ist hier vorne dabei: Laut Medientransparenzdatenbank inserierte das Finanzministerium vergangenes Jahr um 7,2 Millionen Euro. Anfang 2019 zahlte es gut 700.000 Euro für „Entlastung Österreich“, eine Kampa­gne zur Steuerreform.

Neu sind Zuwendungen an rechtsextreme Postillen. So erhielten das Magazin „alles roger?“ und der Linzer „Wochenblick“ letztes Jahr 59.800 Euro. Diese Medien, von aktiven und ehemaligen FPÖ-Kadern getragen, druckten etwa Rekrutierungsaufrufe der Polizei unter Herbert Kickl (FPÖ).

Inseratenregen

Kronen Zeitung € 4,7 Mio.

Österreich € 3,6 Mio.

Heute € 3,5 Mio.

Rechtsextreme Postillen € 47.000

Es ist unklar, ob die geheimen Sonderbudgets von Ex-Bundeskanzler Kurz und Ex-Vizekanzler Strache in diese öffentlichen Zahlen einflossen. Allein für den Ballhausplatz wurden gut 51 Mil­l­ionen Euro „Körberlgeld“ projektiert. ExpertInnen sehen diese unüblich hohe Summe als weiteren Beleg dafür, dass Kurz massiv auf PR setzte.

Die gesamte Präsidentschaft kostete 97 Millionen Euro. Das war mehr als doppelt so viel wie die von Kurz angekündigte „Spar-Präsidentschaft“.

Ein Beispiel dafür war die EU-Ratspräsidentschaft. Die Eröffnungsfeier in Schladming fiel mit 2,7 Millionen Euro vergleichsweise üppig aus. Die gesamte Präsidentschaft kostete 97 Millionen Euro. Das war mehr als doppelt so viel wie die von Kurz angekündigte „Spar-Präsidentschaft“. Dabei hatten schon im Mai 2018 alle Ministerien eine realistischere Einschätzung von 92 Millionen Euro Gesamtkosten abgegeben.

Auf Kritik reagierte die Koalition patzig. So meinte Regierungssprecher Launsky-Tieffenthal, man sei unter den erwarteten Kosten des „Zentralbudgets“ geblieben. Solche Aussagen kosten die SteuerzahlerInnen 42.000 Euro im Monat (Stand: Ende Mai) – so viel kriegt Launskys Team. Das Ergebnis der Ratspräsidentschaft blieb derweil überschaubar.

Fachkräfte: jammern und kürzen

Noch widersinniger erscheinen die massiven Ausgaben im Lichte der Wirtschafts- und Sozialpolitik. So wurde die Regierung nicht müde, „Einsparungen im System“ und den Fachkräftemangel zu beschwören; selbst wenn dieser so nicht existierte. Vielmehr herrschen schlechte Löhne vor (siehe „Der Fachkräfte-Blues“, A&W 1/2019). Trotzdem erweiterte man zuletzt die Mangelberufeliste von 27 auf 45. Gleichzeitig setzte Schwarz-Blau die gesetzlichen Mindestgehälter für diese herab. Und das, obwohl Strache noch im Wahlkampf 2017 gegen Lohndumping gewettert hatte. Pikant: Die Liste enthält klassischerweise Baujobs. Es geht hier also auch um Branchen, die Strache wenige Monate zuvor der vermeintlichen Oligarchin empfahl, um gemeinsam die Strabag auszustechen.

Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit
Bundesministerien, 2018

€ 44,8 Mio.

ÖVP-geführte Ressorts: € 24,8 Mio.
FPÖ-geführte Ressorts: ~ € 20 Mio.

Außerdem halbierte die Regierung die AMS-Mittel für das Integrationsjahr auf 50 Millionen Euro. Damit sah sich das AMS gezwungen, Fördermaßnahmen für Fachkräfte im zweistelligen Millionenbereich teilweise oder ganz zu streichen. Um es zynisch zu formulieren: Irgendwoher müssen ja die Mittel für PR-Maßnahmen und die Steuerreform kommen … Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass Straches Körberlgeld von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin weiterverwendet wird.

Die Logik: Klassenkampf

Jede wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahme der Regierung – erschien sie noch so unlogisch – diente einer klaren Zielgruppe. Die gesetzliche Kürzung der Mindestgehälter ist ein gutes Beispiel, denn sie begünstigte Unternehmen. Diese können ebenfalls den imaginierten Fachkräftemangel beklagen, müssen aber nichts dagegen tun, erst recht keine höheren Gehälter oder Abgaben bezahlen. Schon im Regierungsprogramm stand, dass der Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähiger werden müsse. Tatsächlich fällt der Begriff „Wirtschaft“ 253-mal, während zum Beispiel „Arbeitnehmer“ nur 29-mal erwähnt wird. Die „Sozialpartner“ scheinen fünfmal auf 182 Seiten auf, die „Arbeiterkammer“ einmal. „Gewerkschaft“ und „ÖGB“ fehlen völlig.

Jede wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahme der Regierung – erschien sie noch so unlogisch – diente einer klaren Zielgruppe: Unternehmen.

Auch der Standort sollte als Staatsziel in die Verfassung. Ihm ordnete Schwarz-Blau alles unter, vom Arbeitsmarkt über Bildung und Justiz bis zur Umwelt. Letztere wurde nicht umsonst dem Tourismus unterstellt. Es gab kein Kapitel im FP-VP-Pakt, in dem nicht die Interessen der Betriebe zulasten der Beschäftigten und Arbeitslosen gewichtet wurden. Man nehme die Sozialversicherungsreform: Vordergründig argumentierte die Regierung gerne mit Effektivität und einheitlichen Leistungen. Allerdings soll die ohnehin günstige Verwaltung eingespart werden. Im Hinblick auf die AUVA strebte man Lohnnebenkostensenkungen an, also eine Verringerung der Beiträge auf Firmenseite. Gespart werden sollte in allen Systemen, nur nicht im eigenen. Die Logik, der das Kabinett Kurz hier folgte, ist eindeutig: Klassenkampf von oben.

Stichtwortsuche im Regierungsprogramm
182 Seiten, Anzahl Suchergebnisse

Wirtschaft 253 Treffer

Arbeitnehmer 29 Treffer

Sozialpartner 5 Treffer

Gewerkschaft, ÖGB 0 Treffer

Die Antwort: Klassenkampf

Das Ganze garnierte man mit den üblichen Parolen zur „illegalen Migration“ und anderen unhaltbaren Thesen. Wurde ein Sparplan bekannt, folgte oft eine rassistische Nebelgranate. Als das Vorhaben zur Notstandshilfe durchsickerte, tauchte zum Beispiel das „Ali-Video“ auf. Plötzlich redeten alle vom „e-card-Betrug“, der in der Realität nicht mal ein Randphänomen ist.

Auch der 12-Stunden-Tag wurde trotz Protesten durchgepeitscht. Über 100.000 Menschen demonstrierten vor einem Jahr dagegen – ohne gehört zu werden. Eine Umfrage des Sozialministeriums zur Sache bleibt unter Verschluss. Die AK selbst war durch die angedrohte Abschaffung der gesetzlichen Mitgliedschaft sowie die Senkung der Kammerumlage bedroht. Weil die Regierung keine Argumente gegen die Leistungen der Kammer hatte, schimpfte sie auf den „Zwang“. Dabei machten die NEOS mit. So könnte Kurz nächstes Mal auch mit den Liberalen regieren, um sein Programm fortzusetzen. Er schloss aber auch einen Neustart mit der FPÖ nicht aus. Norbert Hofer und seine Partei der „Einzelfälle“ stehen bereit. Alle Angriffe und PR-Tricks gilt es zu entlarven und an den Urnen, in den Betrieben, auf der Straße umzudrehen. Es braucht Klassenkampf von unten.

Von
Zoran Sergievski
Freier Journalist und Lektor

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/19.

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Über den/die Autor:in

Zoran Sergievski

Zoran Sergievski, geboren 1988 in Hessen, freier Journalist und Lektor. Studierte Publizistik in Wien. Schreibt seit 2007 für diverse Websites, Zeitschriften und fürs Radio, am liebsten über Medien, Rechtsextreme und Soziales. Lebt mit Kleinfamilie in Wien.

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