Nicht zuletzt: Unterstützen statt bestrafen!

Kommentar von Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB
Portrait von Bernhard Achitz
Foto (C) ÖGB
Arbeitslosigkeit ist ein Schicksal, das jeden und jede treffen kann. Nur in den seltensten Fällen sind die Arbeitslosen selbst daran schuld. Was arbeitslos macht, ist die gesamtwirtschaftliche Situation (wenn es einfach zu wenig Jobs für alle gibt), die Situation im Unternehmen (wenn schlecht gewirtschaftet wurde oder die Jobs der Gewinnmaximierung zum Opfer fallen) und die gesellschaftspolitische Lage (Jugendkult führt dazu, dass ältere Arbeitsuchende einfach nicht genommen werden).

Kein Verbrechen

Arbeitslosigkeit ist also kein Fehlverhalten und erst recht kein Verbrechen. Daher muss man die betroffenen Menschen unterstützen, statt sie zu bestrafen. Konservative und Neoliberale bemühen dieses Motto zwar gerne, wenn es um weniger Kontrollen und Strafen für Unternehmer geht, die Vorschriften umgehen. In der Arbeitsmarktpolitik beschreiten sie aber den entgegengesetzten Weg: Arbeitslosen wird Faulheit und Unwilligkeit unterstellt, um sie für ihr vermeintlich schändliches Verhalten zu bestrafen.

Es beginnt zum Beispiel mit dem Jammern über den sogenannten Fachkräftemangel. „Die wollen gar nicht arbeiten, machen es sich lieber auf Staatskosten bequem“, wird die Begründung unausgesprochen mitgeliefert. Ist der Ruf der Arbeitslosen als Gesamtheit demoliert, hat es jede und jeder Einzelne von ihnen noch schwerer, Arbeit zu finden. Denn welcher Unternehmer will schon einen Tachinierer in seiner Firma? Und so verfestigt sich die Arbeitslosigkeit weiter.

Anreize erhöhen

Deren Lösung: Der Anreiz zu arbeiten muss erhöht werden! Darunter verstehen die Neoliberalen aber nicht das Naheliegende, nämlich höhere Löhne. Nein, das Arbeitslosengeld müsse gekürzt, die Notstandshilfe sogar abgeschafft werden. Die Zumutbarkeitsbestimmungen müssten abgebaut werden, das heißt, Arbeitslose müssten den nächstbesten oder nächstschlechtesten Job annehmen, sonst würde ihnen die finanzielle Unterstützung entzogen.

Wenn der Druck erhöht wird, schlechte Arbeit anzunehmen, führt das aber dazu, dass vorangegangene Ausbildungen wertlos werden. Auf individueller Ebene bedeutet das „arm trotz Arbeit“, auf Ebene der Gesellschaft wächst der Niedriglohnsektor, Investitionen in Ausbildung und Qualifikation verpuffen. Auch die Position derjenigen, die (noch) einen Arbeitsplatz haben, wird dadurch verschlechtert: Der Lohndruck steigt und die Beschäftigten werden sich aus Angst vor Arbeitsplatzverlust vieles gefallen lassen, zum Beispiel Verstöße gegen das Arbeitsrecht.

Durch eine solche disziplinierende Arbeitsmarktpolitik werden einige Arbeitslose in Billigjobs gedrängt. Für andere, nämlich Ältere und Langzeitarbeitslose, wird sich gar nichts ändern, außer dass sie weniger Geld bekommen und voraussichtlich sogar ihr (ohnehin kaum vorhandenes) Vermögen verbrauchen müssen. Arbeitsplätze werden sie keine finden, da kann die Konjunktur noch so gut sein. Im Jahr 2017 ist die Arbeitslosigkeit um 4,9 Prozent zurückgegangen – bei den über 50-Jährigen ist sie hingegen um 2,7 Prozent gestiegen. Für diese Menschen klingt es nur zynisch, wenn man von der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt schwärmt.

Gute Arbeitsmarktpolitik muss daher vorausschauend sein. Statt schneller Vermittlung in schlechte Jobs muss Qualifikation im Mittelpunkt stehen. Sie ist nach wie vor das beste Mittel gegen Langzeitarbeitslosigkeit. Aber vielen Menschen, die bereits seit Langem arbeitslos sind, besonders wenn sie auch gesundheitlich beeinträchtigt sind und nahe am Pensionsantrittsalter, kann die Politik nur helfen, indem sie ihnen einen konkreten, dauerhaften und geförderten Arbeitsplatz gibt. So wie das mit der Aktion 20.000 geschehen ist. Das führt zu keinen drastischen Mehrkosten, aber zu einem nicht bezifferbaren Gewinn: Die Menschen bekommen Würde und Selbstachtung zurück.

Von
Bernhard Achitz

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/18.

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