Nicht zuletzt: Still a Man’s World?

Ausgewählt und kommentiert von Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende.
(C) Mirjam Reither
Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht. Der Anteil von Frauen in Beschäftigung ist stark gestiegen, bei den Bildungsabschlüssen haben sie die Männer sogar überholt. Deutschland wird seit 14 Jahren von einer Frau regiert, bei der Europäischen Kommission ist es demnächst auch so weit. Auch in Österreich werden Parteien, Fraktionen und Länder von Frauen geführt, aber nichtsdestotrotz gilt noch immer: Die Strukturen sind von Männern geprägt.

Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ausmachen, sind sie in Entscheidungspositionen und in der Politik längst noch keine Selbstverständlichkeit. Im Nationalrat, dem größten politischen Gremium, sitzen aktuell nur 72 Frauen. Im Vergleich dazu sind es 111 Männer. Auch der mögliche Bonus von drei Prozent bei der Klubförderung kann nicht von allen Parteien abgeholt werden, weil der Frauenanteil von 40 Prozent nicht erreicht wird.

Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ausmachen, sind sie in Entscheidungspositionen und in der Politik längst noch keine Selbstverständlichkeit.

Wichtig: Bewusstsein schaffen

Um die Gleichberechtigung auch in der Politik zu erreichen, sind Quoten ein sinnvolles Instrument – aber leider kein Universalmittel. Denn die Gründe für die politische Ungleichheit liegen viel tiefer verwurzelt in den traditionellen gesellschaftlichen Machtstrukturen, die überall zu finden sind – in der Politik, am Arbeitsmarkt, in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Hier gilt es, an einer Bewusstseinsänderung zu arbeiten. Denn in den politischen Gremien werden Entscheidungen getroffen, die unser aller Leben beeinflussen.

Frauen haben andere Lebenserfahrungen und Perspektiven als Männer und bringen damit eine differenzierte Sichtweise, die die politischen Diskussionen und Entscheidungen bereichern.

Frauen haben andere Lebenserfahrungen und Perspektiven als Männer und bringen damit eine differenzierte Sichtweise, die die politischen Diskussionen und Entscheidungen bereichern und durch die die Lebenssituation von Frauen verbessert werden kann. Zahlreiche Studien und praktische Erfahrungen zeigen, dass Politikerinnen andere Schwerpunkte setzen und bestimmten Themen mehr Raum geben, wie etwa der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Leere Worte statt Taten

Doch nicht nur das Fehlen von Frauen in der Politik ist hierzulande ein Problem. Auch den frauenpolitischen Themen wird trotz ihrer Dringlichkeit oft nicht die nötige Bedeutung beigemessen. Vor allem die ehemalige türkis-blaue Regierung hat sich hier nicht fortschrittlich gezeigt, sondern alte Rollenbilder wieder bemüht.

Frauen in Österreich haben mit vielen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.

Das ist in vielerlei Hinsicht unverständlich. Denn Frauen in Österreich haben mit vielen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Da wäre zum Beispiel das Thema Geld. Während ihres Erwerbslebens verdienen Frauen weniger als ihre männlichen Kollegen, und ihre Pensionen sind um fast die Hälfte niedriger als jene der Männer. Zum Leben reicht das oft nicht aus, und Armutsgefährdung, besonders im Alter, ist vorprogrammiert.

Seitens der Politik herrschte hier Stillstand. Die ehemalige Frauenministerin sprach zwar viel über Einkommensungerechtigkeit, konkrete Umsetzungsschritte blieben jedoch aus.
Frauen haben ein Recht auf gerechte Bezahlung, und sie müssen echte Wahlfreiheit haben, wie sie ihr Leben gestalten. Ganz wesentlich ist hier die Forderung nach dem Anspruch auf einen Gratis-Kinderbildungsplatz, der Vollzeitarbeit ermöglicht. Ebenso darf die Herausforderung der Pflege älterer Angehöriger nicht grundsätzlich zur „Frauensache“ erklärt werden. Noch immer sind Frauen zum Großteil für die Sorgearbeit zuständig. Aus diesem Grund arbeiten viele nur in Teilzeit.

Erst dann, wenn Frauen – sei es in der Politik, am Arbeitsmarkt oder in der Gesellschaft – die gleichen Chancen, Möglichkeiten und Zugänge haben, können wir von einer echten Geschlechtergerechtigkeit sprechen.

Welchen Stellenwert Frauen und Frauenpolitik in der künftigen Regierung haben werden, ist noch offen. Eines ist aber klar: Erst dann, wenn Frauen – sei es in der Politik, am Arbeitsmarkt oder in der Gesellschaft – die gleichen Chancen, Möglichkeiten und Zugänge haben, erst dann können wir von einer echten Geschlechtergerechtigkeit sprechen. Und davon sind wir meilenweit entfernt.

Von
Korinna Schumann
ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/19.

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