Nicht zuletzt: Respekt statt Spaltung

Kommentar von Renate Anderl, AK-Präsidentin.
Portrait von Renate Anderl
Foto (C) Sebastian Philipp
Die AK-Wahlen sind geschlagen, und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. In Wien konnte die Wahlbeteiligung erhöht werden und auch das Plus für die FSG zeigt, dass wir mit den Wahlkampfthemen richtig gelegen sind. Das Motto meiner Wahlkampagne war „Respekt“, und man hat immer stärker den Eindruck, dass die Regierung diesen Respekt nicht nur den ArbeitnehmerInnen verweigert, sondern auch deren Interessenvertretung.

In den letzten Monaten hat sich der Umgangston ziemlich verschärft. Einige FPÖ-Abgeordnete haben für Betriebsräte nur noch obszöne Schimpfwörter übrig. Für den ÖVP-Klubobmann oder den Wirtschaftsbund scheinen AK und ÖGB die politischen Gegner zu sein, die mit aller Macht bekämpft werden müssen. Die Analyse der AK-Wahl hat ergeben, dass die Unzufriedenheit mit der Regierung für viele ein wichtiger Grund war, wählen zu gehen.

Die Analyse der AK-Wahl hat ergeben, dass die Unzufriedenheit mit der Regierung für viele ein wichtiger Grund war, wählen zu gehen.

Feindbild Arbeiterkammer?

Der Druck auf die Beschäftigten steigt, auch die Anforderungen in der Arbeitswelt werden immer höher, und die Menschen spüren das. Die mühsam erkämpften Rechte von ArbeitnehmerInnen werden immer öfter infrage gestellt, und wer sie verteidigt, gilt schnell als lästiger Bremsklotz auf dem Weg zu einer Republik der Unternehmer.

Die mühsam erkämpften Rechte von ArbeitnehmerInnen werden immer öfter infrage gestellt.

Der „neue Stil“ kommt ohne Dialog mit der Arbeiterkammer aus. Die Wahl im Betrieb soll abgeschafft und die AK finanziell ausgehungert werden. Seit einem Jahr droht man uns mit der Kürzung der Umlage. Wir haben bereits letzten Sommer einen Reformvorschlag in Form des Zukunftsprogramms vorgelegt: Kein einziges Regierungsmitglied hat es bis dato der Mühe wert gefunden, mit uns darüber zu reden.

Das ist sehr bedauerlich, passt aber gut ins Bild. Es fällt auf, dass die ständige Kritik an den AK-Beiträgen nie von unseren Mitgliedern kommt, sondern ausschließlich von Arbeitgeberseite. Die AK genießt – im Gegensatz zur Bundesregierung – enorm hohe Vertrauenswerte in der Bevölkerung und wird von ihren Mitgliedern sehr geschätzt. Mehr als 500 Millionen Euro holt die AK jedes Jahr für ihre Mitglieder zurück.

Es fällt auf, dass die ständige Kritik an den AK-Beiträgen nie von unseren Mitgliedern kommt, sondern ausschließlich von Arbeitgeberseite.

Ein großer Teil dieses Geldes wurde den ArbeitnehmerInnen von Unternehmern unrechtmäßig vorenthalten. Arbeitgeber, die geltende Gesetze missachten, haben natürlich wenig Freude mit einer starken AK. Im Alltag sitzt nämlich grundsätzlich der Chef auf dem längeren Ast – und die AK ist die Säge, die für Ausgleich sorgt.

Was sagt das über eine Regierung aus, wenn sie die gesetzliche Vertretung der ArbeitnehmerInnen derart unter Beschuss nimmt?

Mittlerweile ist auch völlig klar, dass es nicht um das Kammersystem an sich geht, denn öffentlich kritisiert wird ausschließlich die AK. Von Ärztekammer, Notariatskammer, Landwirtschaftskammer oder Apothekerkammer oder der Kammer der Ziviltechniker ist nie die Rede. Was sagt das über eine Regierung aus, wenn sie die gesetzliche Vertretung der ArbeitnehmerInnen derart unter Beschuss nimmt? Welche Interessen werden bedient, wenn man alles dafür tut, dass die AK nicht mehr als Anwältin der arbeitenden Menschen fungieren kann?

Eindeutige Motive

Wie momentan mit den Bedürfnissen von fast vier Millionen AK-Mitgliedern umgegangen wird: – das hat es in der Zweiten Republik so noch nicht gegeben. Das ist die völlige Abkehr vom sozialpartnerschaftlichen Dialog, der Österreich so erfolgreich gemacht hat. Die Motive dafür sind eindeutig: Man kann mit den Beschäftigten natürlich leichter umspringen, wenn es keine gut aufgestellte Vertretung gibt. Wer die AK schwächen will, dem geht es nicht um eine Entlastung, sondern ausschließlich um mehr Belastung der ArbeiterInnen und Angestellten.

Man kann mit den Beschäftigten natürlich leichter umspringen, wenn es keine gut aufgestellte Vertretung gibt.

Ich halte das für den falschen Weg. Es schadet unserem Land und den Menschen, wenn man die Vertretung der ArbeitnehmerInnen zum Feindbild erklärt. Die Arbeiterkammer ist ein Haus des Fachwissens, und unsere Tür ist immer offen. Unsere Mitglieder wissen das, und die Regierung sollte es eigentlich besser wissen.

Von
Renate Anderl
AK-Präsidentin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/19.

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