Nicht zuletzt: Es ist nicht genug!

Vor über achtzig Jahren haben die Nationalsozialisten das eigenständige Österreich ausgelöscht. Aber schon zuvor wurden freie Gewerkschaften strukturell zerstört, die Führung zerschlagen und Aktivisten und Aktivistinnen eingesperrt.
Portrait
© Christina Schön
Weil es die Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen waren, die schon immer gegen den Faschismus und gegen die Zerstörung der Demokratie gekämpft haben. Sich an diese Zeit zu erinnern, der Opfer zu gedenken und sich bewusst zu machen, auf welchem Nährboden der Nationalsozialismus in Österreich entstehen konnte: Genau das ist heute wichtiger denn je.

Umso mehr unsere Aufgabe

Die Menschen, die uns als Zeitzeugen und Zeitzeuginnen darüber berichten können, werden bald nicht mehr leben. Umso mehr ist es unsere Aufgabe als GewerkschafterInnen, dafür zu sorgen, dass Warnsignale wahrgenommen und ernst genommen werden.

Und davon gibt es derzeit mehr als genug: Wir müssen aufmerksam sein, wenn eine bestimmte Gruppe der Gesellschaft als Sündenbock für rechte Parteien herhalten muss und für alles, was in diesem Land und in Europa falsch läuft, verantwortlich gemacht wird. Wenn die Pressefreiheit in Ungarn, Polen, der Türkei und nicht zuletzt durch den österreichischen Innenminister infrage gestellt wird. Oder wenn über eine Einschränkung des Demonstrations- und Versammlungsrechts gesprochen wird. Das sind Signale, die wir nicht ignorieren dürfen und die uns daran erinnern, dass sich die Geschichte nicht wiederholen darf. Auch wenn wir als Gewerkschaftsjugend immer wieder hören: „Jetzt reicht es dann auch mal. Könnt ihr die Geschichte nicht ruhen lassen?“ Nein, können und dürfen wir nicht!

Es waren die GewerkschafterInnen, die sich nach Ende des Naziregimes vom ersten Tag an für ein freies, demokratisches Österreich eingesetzt haben. Es waren GewerkschafterInnen, die unter Einsatz ihres Lebens für diese Werte gekämpft haben. Sie waren es, die schon vor hundert Jahren ein vorbildliches System der betrieblichen und überbetrieblichen Demokratie und Mitbestimmung für ArbeitnehmerInnen in Form des Betriebsrats- und Arbeiterkammergesetzes durchgesetzt haben. Sie waren es, die mit ihrem Handeln und nicht zuletzt mit der Gründung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes einen maßgeblichen Beitrag für eine freie Demokratie geleistet haben. Diese Leistung sehen wir mit Ehrfurcht und diesen Weg müssen wir als Jugend auch fortsetzen.

Freie Gewerkschaften sind ein Teil unseres demokratischen Systems. Wer diese infrage stellt oder gar zerstören will, hat noch viel Schlimmeres vor – das lehrt uns die Geschichte. Es fängt mit kleinen Schritten an, unscheinbar und harmlos wirkend. Aber genau das dürfen wir nicht unterschätzen. Unbedeutend und harmlos scheint das Vorhaben der derzeitigen Bundesregierung zur Mitbestimmung der Lehrlinge im Betrieb.

Nein zum Ende der Mitbestimmung

Politische Mitbestimmung und das Wahlrecht sind jedoch die zwei wichtigsten Merkmale einer Demokratie. Und genau diese Mitbestimmung will die Bundesregierung den Lehrlingen im Betrieb nehmen. Der Jugendvertrauensrat, als demokratisch gewähltes Vertretungsorgan der Lehrlinge und jungen ArbeitnehmerInnen, soll ersatzlos gestrichen werden.

Damit nimmt die Bundesregierung jungen Menschen nicht nur den Jugendvertrauensrat, sondern auch die Möglichkeit, Mitbestimmung und Demokratie kennenzulernen. Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sind für Demokratie und Freiheit gestorben, deshalb ist es unsere Aufgabe dafür zu kämpfen, dass diese Demokratie und Mitbestimmung – auch in scheinbar nebensächlichen Bereichen – erhalten bleibt. Als Gewerkschaften müssen wir den Menschen eine Stimme geben. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, etwas bewegen zu können. Nur wer die Geschichte kennt, kann die Zukunft beeinflussen!

Von
Susanne Hofer
Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/18.

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