Nicht zuletzt: Es geht um Gerechtigkeit

Von Arbeit muss man leben können. Was selbstverständlich klingt, trifft für viele Beschäftigte in Österreich nicht zu. Jede/r achte ArbeitnehmerIn verdient trotz Vollzeitbeschäftigung zu wenig.
Portrait von Roman Hebenstreit
Foto (C) Marek Knopp
Das ist einer reichen Volkswirtschaft wie Österreich nicht würdig, denn Leistung muss sich lohnen. Der klare Auftrag für uns lautet daher: Die Mindestlöhne müssen ansteigen, damit die Menschen in Würde leben können!

Nur erster Schritt

Das Ziel der Gewerkschaften ist ein Bruttolohn von 1.700 Euro, eine rasche Erhöhung auf zumindest 1.500 Euro in den Niedriglohnbranchen kann daher nur ein erster Schritt sein.

Der Grund dafür ist einfach: Derzeit liegt die Armutsgrenze in Österreich bei 1.163 Euro netto monatlich. Zehntausende Menschen, die einer Vollzeitarbeit nachgehen, liegen dennoch darunter. Soll das gerecht sein?

Mit 1.500 Euro brutto würde man knapp 1.200 Euro netto verdienen und wäre zumindest geringfügig darüber. Wichtig ist uns, dass Arbeit nicht nur die Existenz sichert. Es geht um ein selbstbestimmtes Leben.

In einem der reichsten Länder der Welt darf es nicht zu viel verlangt sein, dass man sich von Vollzeitarbeit etwas mehr leisten kann als die Miete oder die notwendigsten Lebensmittel.

Außerdem versickert das Geld nicht in irgendeiner Steueroase, sondern fließt wieder in den heimischen Wirtschaftskreislauf zurück.

Risiko Altersarmut

Volkswirtschaftlich betrachtet sind niedrige Löhne gleich in mehrfacher Hinsicht ein Verlustgeschäft für den Sozialstaat.

Einerseits gehen dadurch dem Staat und den Sozialversicherungsträgern laufend Einnahmen verloren. Andererseits führen die niedrigeren Beitragsgrundlagen dazu, dass die Beschäftigten entsprechend weniger Pensionsbeiträge einzahlen.

Auf Deutsch gesagt: Nach einem Erwerbsleben im Niedriglohnbereich droht den Betroffenen unweigerlich die Altersarmut in der Pension. Dagegen müssen wir mit vereinten Kräften ankämpfen.

Die Arbeitgeberseite möge uns bitte damit verschonen, dass sie sich höhere Löhne und Gehälter nicht leisten kann. In den letzten Jahren sind die Managergagen regelrecht explodiert, während der Lohnsektor hinterherhinkt.

Zur Erinnerung: Wir hatten in Österreich in den vergangenen fünf Jahren einen Nettokaufkraftverlust bei Löhnen von rund 0,5 Prozent.

Wenn es darum geht, die überbordenden Managergehälter noch weiter nach oben zu schrauben, ist immer Geld da – dort wird die Frage der Finanzierung überhaupt nicht gestellt. Es geht um die Verteilungsgerechtigkeit.

Genauso verhält es sich mit dem Schreckgespenst der Arbeitsplatzvernichtung, das von manchen Seiten konstruiert wird. Hier sind angeblich vor allem die Dienstleistungsbranchen betroffen. Der gesunde Menschenverstand sagt jedoch, dass es hier wohl kaum zu Auslagerungen kommen wird.

Packen wir’s an

Überspitzt gesagt: Die österreichische Tourismusbranche kann schlecht abwandern. Oder wer lässt denn seine Haare in Indien schneiden, nur weil es dort billiger ist?
Wer bringt sein Bürogebäude zum Reinigen oder zum Bewachen ins Ausland? Richtig, niemand. Höhere Mindestlöhne vernichten keine Jobs und stärken darüber hinaus die Kaufkraft.

Also packen wir’s an! Man muss sich einmischen, wenn man etwas bewegen will. Es ist unser gesellschaftspolitischer Auftrag, die Arbeitswelt ein Stück gerechter zu machen!

Von
Roman Hebenstreit
vida-Vorsitzender

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/17.

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