NGO-Kürzungen: Streichen wir an der richtigen Stelle?

Menschen mit unterschiedlicher Herkunft lernen. Symbolbild für NGOs und ihre Kürzungen.
Ohne NGOs fehlen wichtige Anlaufstellen für Integration. | © Adobe Stock/pressmaster
Die „Kronen Zeitung“ und die FPÖ kritisieren seit Monaten NGOs. Die Bundesregierung will ebenfalls strenger gegenüber bisher geförderten Organisationen auftreten. Doch soll hier vielleicht an falscher Stelle gespart werden? Ein Blick in die Steiermark zeigt, wie es Vereinen in Österreich durch Kürzungen ergeht.

Seit Wochen schießen sowohl die Kronen Zeitung als auch die FPÖ gegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Im Juli allein waren es laut dem Medien-Watch-Blog Kobuk! acht Artikel in der auflagenstärksten Zeitung Österreichs. Der Tenor: Man müsse sich dringend die „intransparente Förderung“ von NGOs in Österreich anschauen.

Die Bundesregierung reagierte nun Ende August auf eine Flut an parlamentarischen Anfragen der FPÖ und griff das Thema direkt auf. Eine Taskforce werde zum Einsatz kommen, denn, so Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP): „Förderungen dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen gezielt dort eingesetzt werden, wo sie einen echten und spürbaren Nutzen für die Menschen in unserem Land bringen.”

Was das Ergebnis dieser Taskforce für den Sozialbereich bedeuten könnte, zeigt sich derzeit exemplarisch in der Steiermark. Die dortige FPÖ-ÖVP-Landesregierung spart 2,5 Millionen Euro im Sozialbereich ein, was auch NGOs schwer trifft.

Wie viel Geld fließt in NGOs?

Die sogenannte Basisförderung, die oftmals den Regelbetrieb sichern soll, ist dabei ohnehin weniger sicher, als sich Vereine das wünschen würden. „Wir müssen jedes Jahr neu verhandeln”, erzählt die Geschäftsführerin eines steirischen Vereins im Sozialbereich. „Wir hatten nur einmal, während der Pandemie, einen Zwei-Jahres-Vertrag.”

Auch die Summen der Basisförderung, die Fördergeber:innen – hier konkret das Land – vergeben, würden teils nicht ausreichen. „Wir haben uns intern auf ein Gehalt verständigt, das seit zehn unverändert blieb.” Heißt: Seit zehn Jahren gab es für die Mitarbeiter:innen keine Gehaltsanpassung. Außerdem erledigt das Team oft Aufgaben im Ehrenamt oder schreibt Stunden nicht, weil das Budget nicht ausreicht. „Wir kürzen unser Gehalt freiwillig.”

Viele Menschen im Sozialbereich würden schlechte Kompensation in Kauf nehmen, weil sie an den guten Zweck ihrer Sache glauben. Sie erledigen wichtige Aufgaben, die auf der Strecke bleiben würden, wenn sie nur Dienst nach Vorschrift und Budgetplan machen.

Förderungen gestrichen

Fallen Förderungen weg, betrifft das Gehälter sowie die Infrastruktur von Organisationen, wie der Fall des steirischen Kinderbüros kürzlich zeigte. Wie die Kleine Zeitung berichtete, streicht die Landesregierung der „Lobby für Menschen bis 14“, so der Slogan des Kinderbüros, ab 2026 die Basisförderung in Höhe von 214.000 Euro. Grundkosten wie Miete und die kritische Lobby-Arbeit, die der Verein seit knapp 30 Jahren macht, können dadurch nicht mehr bezahlt werden.

Mit der Streichung der Basisförderung reiht sich das Kinderbüro in eine ganze Liste an Organisationen ein, die im Juni von Kürzungen erfahren haben, wie die Caritas Steiermark, die RosaLila PantherInnen und die Antidiskriminierungsstelle Steiermark. Caritas-Österreich-Chefin Nora Tödtling-Musenbichler kommentierte: „Diese Einrichtungen stehen dafür, dass in der Steiermark ein gutes Leben für alle möglich sein soll. Weniger Hilfe und weniger Soziales heißt, menschliche Tragödien zu riskieren.“

Man hat den Eindruck, sie hat irgendwo ‘queer’ gelesen
und einfach die Förderung gestrichen.
Sie hat sich nicht wirklich damit auseinandergesetzt, was wir tun.

Joe Niedermayer, Vorsitzender RosaLila PantherInnen

Die RosaLila PantherInnen, die LGBTQIA+-Interessenvertretung in der Steiermark, haben Ende Juni die Basisförderung über 30.000 Euro verloren. Joe Niedermayer, Vorsitzender und Geschäftsführer, hinterfragt, wie genau sich die Landesregierung überhaupt mit dem Verein beschäftigt hat: „Man hat den Eindruck, sie hat irgendwo ‚queer’ gelesen und einfach die Förderung gestrichen. Sie hat sich nicht wirklich damit auseinandergesetzt, was wir tun.“

Nach den Kürzungen habe die Landesregierung Niedermayer erklärt, sie hätte ein Problem mit den Drag-Queen-Kinderbuchlesungen des Vereins. Nur: „So etwas machen wir gar nicht.“

Wegen der fehlenden 30.000 Euro musste der Verein mehrere zentrale Beratungsangebote streichen. Zwei Angestellte standen auf der Kippe, entlassen zu werden. Halten konnte man sie nur durch Einnahmen von Events wie dem Tuntenball und durch andere Projektförderungen.

Menschen werden Möglichkeiten genommen

Die konservativen Parteien kürzen sogar Projekte, die eigentlich ihren eigenen Zielen entsprechen, kritisiert Philipp Assinger, Bildungswissenschafter an der Universität Graz, im Hinblick auf die Basisbildung. Im Sommer beendete die steirische Landesregierung beispielsweise die seit zehn Jahren laufende Förderschiene Zukunft.Bildung.Steiermark.

„In der Basisbildung geht es um die Aneignung von Grundkompetenzen der deutschen Sprache, der Mathematik, der Informations- und Kommunikationstechnologie und der beruflichen Orientierung. Vor allem geht es aber um die Aneignung kultureller Sensibilität und Verantwortungsbewusstseins“, erklärt der Forscher.

Wenn Boulevard und Politik Hand in Hand marschieren, wird aus Journalismus Kampagne. 🎯

‪@andreagutschi.bsky.social‬ vom Medienblog ‪@kobuk.at erklärt in ihrem Kommentar, wie die „Krone“ NGOs als neues Feindbild inszeniert – und damit rechten Parteien in die Karten spielt. 👇

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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 20. August 2025 um 17:00

„Integration über Arbeit”

Die Streichung der Förderschiene nimmt diesen Menschen Möglichkeiten, sich eine berufliche Zukunft aufzubauen. Und damit stehe sich die Politik selbst im Weg: „Die Regierung will ‚Integration über Arbeit’, und ‚Fachkräfte für die Wirtschaft‘, aber das geht nicht ohne den Pflichtschulabschluss“, so Assinger.

Durch die Kürzungen bei Bildung und Sozialem nimmt sich das Land Steiermark auf Dauer hilfreiche Angebote für die Bevölkerung, von denen der Arbeitsmarkt und die Demokratie eigentlich profitieren würden. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung mit der geplanten Taskforce auf Bundesebene nicht womöglich in den falschen Bereichen sparen könnte. Bis zum Frühjahr 2026 sollen erstmals „Grundprinzipien für die Evaluierung der Förderungen ausgearbeitet werden. Auf dieser Basis sollen die Ressorts Vorschläge ausarbeiten“, teilte das Finanzministerium dem Profil mit. Dann wird sich zeigen, ob die Taskforce tatsächlich Transparenz schafft – oder ob Menschen jene Unterstützung verlieren, die sie dringend brauchen.

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Über den/die Autor:in

Flo Born

Flo Born ist freie*r Jounalist*in aus Graz. They schreibt vor allem über Themen in den Bereichen Technologie, Stadtentwicklung und mentale Gesundheit.

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