Mobilitätsmanagement: Mitfahren oder einfahren

Mit Mobilitätsmanagement einen Schritt Richtung Klimaschutz: So stellt sich die Arbeiterkammer die Zukunft des Pendelns vor. | © Hernandez and Sorokina/Westend61/picturedesk.com
Rund 2,3 Millionen Menschen pendeln täglich in Österreich an ihren Arbeitsplatz und zurück, großteils mit dem eigenen Pkw. Das kommt Beschäftigten und Umwelt sehr teuer. Dabei geht’s auch anders, wie immer mehr Betriebe mit eigenem Mobilitätsmanagement vorzeigen.
Lebenszeit und Geld: Durchschnittlich 27 Kilometer pro Strecke legen Pendler:innen in Österreich auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Die längste Wegzeit entfällt dabei auf die Burgenländer:innen. Laut Statistik Austria müssen sie 35 Minuten an Fahrzeit einplanen. Kein Wunder, denn viele aus dem östlichsten Bundesland pendeln nach Wien. Ein Viertel aller Personen-Kilometer im Verkehr sind Arbeitswege. Sie verursachen auch ein Viertel aller CO2-Emissionen des gesamten Personenverkehrs in Österreich. Ein anderer Punkt ist der Kostenfaktor: Das eigene Auto zu nutzen, geht ins Geld. Wer beispielsweise mit einem Werkbus in die Arbeit fahren kann, wie es Industriebetriebe in Kooperation mit den öffentlichen Verkehrsbetrieben teilweise anbieten, erspart sich jährlich Tausende von Euro. Doch der Trend ist rückläufig. Viel zu viele Unternehmen verlassen sich darauf, dass Beschäftigte mit dem eigenen Pkw anreisen, statt mit Mobilitätsmanagement einen Schritt Richtung Klimaschutz zu machen.

Bei der Anreise zur Arbeit muss sich etwas ändern. Dafür nimmt die Arbeiterkammer Unternehmen in die Pflicht. | © Adobestock/lorenzophotoprojects

Pflichtaufgabe Mobilitätsmanagement

Bei der Anreise zur Arbeit muss sich etwas ändern, fordert die Arbeiterkammer und nimmt hier die Unternehmen in die Pflicht. Ab 50 Mitarbeiter:innen sollte es ein betriebliches Mobilitätsmanagement geben. „Viele Maßnahmen kosten wenig bis gar nichts: Mitfahrgelegenheiten fördern, Arbeitszeiten bzw. Schichtpläne an bestehende Fahrpläne anpassen, Radabstellplätze und Duschen zur Verfügung stellen“, erklärt Heinz Högelsberger von der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien. Unternehmen können aber noch viel mehr tun, damit ihre Mitarbeiter:innen klimaschonend in die Arbeit kommen. „Es sollten alle mobilitätsrelevanten Bereiche eines Unternehmens, wie die Arbeitswege der Mitarbeiter:innen, die Abwicklung der dienstlichen Fahrten, der Kund:innenverkehr, die Fuhrparkbeschaffung, die Anlieferung von Waren, das Parkplatzmanagement etc., gemeinsam und gesamtheitlich betrachtet werden, da es zwischen den einzelnen Bereichen auch Schnittstellen und Abhängigkeiten gibt“, sagt Markus Schuster, Geschäftsführer von Herry Consult. Schuster leitet dort das vom Klimaschutzministerium (BMK) initiierte Beratungs- und Förderprogramm „Mobilitätsmanagement für Betriebe, Bauträger und Flottenbetreiber“ im Rahmen von „klimaaktiv mobil“. Diese Klimaschutzinitiative unterstützt seit 2004 österreichweit Betriebe, Gemeinden und Regionen mit Beratungen, Förderungen sowie Aus- und Weiterbildungen im Bereich Mobilitätsmanagement.

Ab 50 Mitarbeiter:innen sollte ein betriebliches Mobilitätsmanagement verpflichtend sein, so Heinz Högelsberger von der AK. Ideen gibt es zur Genüge. Die meisten kosten wenig bis gar nichts.

Share fair

„Beim betrieblichen Mobilitätsmanagement muss auf unterschiedliche Themen geschaut werden, abhängig von der Relevanz für den jeweiligen Betrieb“, sagt Uta Hauft, Pressesprecherin von Bundesministerin Leonore Gewessler. Mögliche Schwerpunkte sieht sie im betrieblichen Car- bzw. Bike-Sharing, im betrieblichen Parkraummanagement, um den Kfz-Verkehr und Stellplätze zu reduzieren bzw. diese effizient zu nutzen, aber auch in bewusstseinsbildenden Maßnahmen, um eine klimafreundliche und gesundheitsfördernde Mobilität zu ermöglichen. Heikel wird es, wenn firmeneigene Parkplätze nur für jene zur Verfügung stehen sollen, die sie tatsächlich benötigen. „Das wäre eine sehr wirksame Maßnahme“, so Högelsberger, „allerdings ist das nur fair, wenn die Betriebe mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind und die Beschäftigten ein steuerfreies Jobticket bekommen.“ Auch Schuster sieht im Bereich der Reduzierung von Parkplätzen eine große Chance, die Umwelt zu schonen. Das Thema „Parkplatz“ sei sehr sensibel, daher sei ein Umdenken bei allen Beteiligten gefragt, aber auch eine Portion Mut, um Maßnahmen tatsächlich umzusetzen.

Unser Mobilitätsangebot kommt bei den Mitarbeitenden sehr gut an.
2.500 Jobräder und 700 Vorarlberger Klimatickets, für die das Unternehmen
die kompletten Kosten übernimmt, wurden bereits in Anspruch genommen.

Katharina Schön, Mobilitätsmanagerin bei Julius Blum GmbH

Musterländle Vorarlberg

Wie die Umsetzung eines betrieblichen Mobilitätsmanagements in der Praxis aussehen kann, zeigt die Julius Blum GmbH mit Hauptsitz im vorarlbergischen Höchst. In acht Werken des Möbelbeschlagherstellers arbeiten rund 7.000 Beschäftigte. Seit einiger Zeit haben sie die Möglichkeit, mit E-Bikes in die Arbeit zu fahren, und zwar auf Kosten des Unternehmens. Eine Mobilitätsanalyse von Blum gemeinsam mit dem Energieinstitut Vorarlberg ergab, dass der durchschnittliche einfache Arbeitsweg pro Mitarbeiter:in zehn Kilometer beträgt. „Unser Mobilitätsangebot kommt bei den Mitarbeitenden sehr gut an. 2.500 Jobräder und 700 Vorarlberger Klimatickets, für die das Unternehmen die kompletten Kosten übernimmt, wurden bereits in Anspruch genommen“, sagt Katharina Schön, Leiterin des Mobilitätsteams. Bevor das Mobilitätskonzept 2021 umgesetzt wurde, kamen 38 Prozent der Mitarbeiter:innen nachhaltig in die Arbeit. Der Anteil ist eineinhalb Jahre nach Einführung bereits auf 45 Prozent gestiegen. Ziel des Unternehmens sind knapp 60 Prozent.

Markus Schuster von Herry Consult unterstützt Betriebe, Gemeinden und Regionen dabei, Mobilitätsmaßnahmen zu planen und umzusetzen.

Gemeinsam vorankommen

Auch im oberösterreichischen St. Marienkirchen bei Schärding baut man auf betriebliches Mobilitätsmanagement. Frauscher Sensortechnik GmbH ist ein Sensorenproduzent für Systemintegratoren und Bahnbetreiber. Das Unternehmen setzt auf Fahrgemeinschaften. Da es im ländlichen Raum für die Beschäftigten sehr schwierig ist, mit den Öffis anzureisen, belohnt das Unternehmen Fahrgemeinschaften, um so den Umweltschutz zu forcieren. „Wir vergeben Gutscheine für die Bildung von Fahrgemeinschaften. Für Fahrer:innen und die Mitfahrenden wie auch speziell für unsere Lehrlinge ohne Führerschein soll dadurch eine Mitfahrmöglichkeit etabliert werden“, sagt Simon Moser, Procurement Manager des Unternehmens. Zusätzlich unterstützt das Unternehmen die Mitarbeiter:innen finanziell in Form eines Bike-Bonus, wenn sie privat ein E-Bike kaufen.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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