Mittel und kein Ziel

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Forschung ist immer mehr auf externe Finanzierung angewiesen. Richtig dosiert kann das stimulierend wirken. Im Übermaß behindert es innovative Forschung.
Die Studierenden mögen doch bitte ihre Zeit nutzen, um ihr Wissen über das eigene Fach hinaus zu erweitern. Denn später hätten sie die Zeit dafür nicht mehr. Diesen Tipp gab Maximilian Gottschlich, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Das war Mitte der 1980er-Jahre.

Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert, auch Studierende haben keine Zeit mehr für breit gefächerte Neugier und freies Nachdenken. Der Grund: Das Bologna-System hat zu einer Überladung und Verschulung aller Studiengänge geführt. Keine Zeit zu haben gilt heutzutage aber erst recht für das Lehr- und Forschungspersonal an den Universitäten und Forschungsinstitutionen.

Zunehmende Ökonomisierung

Ursache des Zeitmangels ist die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die Universitäten als „Ort rastloser Betriebsamkeit“ erscheinen lässt, wie der Innsbrucker Bildungswissenschafter und Psychoanalytiker Josef Christian Aigner im Jänner 2017 in einem Kommentar in der Furche schrieb. Befristet angestellte JungwissenschafterInnen würden Forschungsanträgen hinterherhecheln, deren Erfolgswahrscheinlichkeit oft unter 20 Prozent liege.

Eine Laufbahnstelle, also eine unbefristete Anstellung an einer Universität, ist ein rares Gut geworden. Laut Forschungsaktionsplan der Regierung wurde im Jahr 2013 bereits ein Viertel des wissenschaftlichen Personals über Drittmittel finanziert, an manchen technischen Universitäten ist es schon die Hälfte.

Erhöhter Leistungsdruck

Dies ist kein Zufall, sondern so gewollt. Für die Hintergründe muss man in das Jahr 2002 zurückgehen, als das Universitätsgesetz in Kraft trat. Seit damals sind die Universitäten juristische Personen des öffentlichen Rechts, die vom Bund auf jeweils drei Jahre finanziert werden, wofür sie detaillierte Leistungsvereinbarungen abschließen und erfüllen müssen.

Die Vollrechtsfähigkeit gab den Unis mehr Selbstständigkeit, erhöhte aber auch den Leistungsdruck. „Die Kollegen nebenan am Institut für Molekulare Pathologie werden von Boehringer Ingelheim finanziert, die vom Institut für Molekulare Biotechnologie Austria und dem Gregor Mendel Institute von der Akademie der Wissenschaften“, sagt Kristin Teßmar-Raible, die im Vienna Biocenter an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien arbeitet. „Sie haben dadurch ein Grundbudget, das ihnen den Freiraum gibt, auch Projekte mit höherem Risiko über einen längeren Zeitraum durchzuführen.“

Teßmar-Raible hat sich gemeinsam mit KollegInnen für eine interdisziplinäre Forschungsplattform der Universität Wien beworben. Erforscht werden soll die biologische „Monats-Uhr“ eines marinen Borstenwurms, die die Reproduktion und Regeneration beeinflusst. Erkenntnisse darüber, wie diese Uhr auf molekularer Ebene gesteuert wird, könnten auch für den Zyklus des Menschen interessant sein.

Die Forschungsplattform sei von der Uni für sechs Jahre gut dotiert worden, sagt Teßmar-Raible. Danach müsse sie sich aber wieder um Forschungsförderungen bemühen. Etwa ein Viertel ihrer Arbeitszeit wende sie für Anträge und deren Abrechnung auf. Bevor ein Projekt abgeschlossen sei, müsse man schon an die nächsten Anträge denken. „Ich würde mir wünschen, dass es eine finanzielle Grundausstattung gibt, damit keine Finanzierungslöcher entstehen“, sagt die Chronobiologin. Sollte es zu einem Loch kommen, müsste qualifiziertes Laborpersonal gekündigt, die Vermehrung von genetisch veränderten Pflanzen oder Tieren gestoppt werden. Bis man ein Labor nach einer Förderzusage wieder hochgefahren habe, vergehe viel Zeit. Das wiederum bedeute einen Nachteil im internationalen Forschungswettbewerb, denn in der Schweiz beispielsweise gebe es generell mehr Basisfinanzierung der Forschung.

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