Im Netz der Einfluss-Reichen

Die Illustration zeigt die Verflechtung von Christoph Kraus und Hans Michel Piech in neoliberale Thinktanks.
Einflussnahme: Das Who's who der österreichischen Wirtschaft ist stark in neoliberale Thinktanks eingebunden.
Whatever money can buy: Wie die Verflechtung von Milliardär:innen und neoliberalen Thinktanks demokratische Meinungsbildung gefährdet. Repräsentiert der relativ neue Trend die gesellschaftliche Vielfalt?
Das ist der demokratische kleinste gemeinsame Nenner: Eine Pluralität von Meinungen und Weltanschauungen ist für widerstandsfähige, lebendige und funktionierende Demokratien unverzichtbar. Ein informierter und demokratischer Diskurs muss sich deshalb mit einer Vielfalt unterschiedlicher Positionen auseinandersetzen. Umso relevanter ist daher kollektive Vertretung der Interessen aller gesellschaftlicher Schichten. Die Bedeutungszunahme neuer Formen von Interessenvertretungen – und hier insbesondere Thinktanks – muss vor allem als Reaktion auf den Bedeutungsrückgang traditioneller Formen sozialpartnerschaftlicher Interessenvertretung verstanden werden. Doch besonders neoliberale Thinktanks sind durch ihre Nähe zu Milliardär:innen kritisch zu sehen.

Netzwerke: Neoliberale Thinktanks und Milliardär:innen

Denn fraglich ist, ob Thinktanks als Formen geeignet sind, die Vielfalt unterschiedlichster Gesellschaftsschichten zu repräsentieren. In den letzten Jahren treten neoliberale Thinktanks als Akteur:innen im gesellschaftspolitischen Diskurs in Erscheinung. Ein für Österreich relativ neuer Trend. Ein Blick auf Anzahl, Rhetorik, Netzwerke und Finanzierung neoliberaler Thinktanks zeigt, dass die österreichische Interessengruppenlandschaft von intransparenten Ungleichgewichten geprägt ist. Diese stehen einem fruchtbaren demokratischen Meinungsaustausch im Wege.

Es wird zwar betont, dass sie politisch unabhängig agieren, und doch sind industrienahe Thinktanks wie die Agenda Austria, das Hayek Institut, das Austrian Economics Center oder Eco Austria oft in bestehenden Netzwerken finanzkräftiger privatwirtschaftlicher Akteur:innen und wirtschaftlicher Interessenvertretungen verankert. Sie sind international und medial gut vernetzt und beeinflussen die österreichische gesellschaftspolitische Diskussion und Politik in zunehmendem Maße. Weniger Bürokratie und (Sozial-)Staat, Flexibilisierung, mehr Wettbewerb und mehr Markt sind die Botschaften.

Die Thinktank-Forschung unterteilt Thinktanks je nach ihrer institutionellen Aufstellung und ihren politischen Zielsetzungen in drei Kategorien. Neben sogenannten akademischen Thinktanks, die mit Wissenschaft und Universitäten zusammenarbeiten, sind nicht- oder semistaatliche Thinktanks in der die Politik beratenden Auftragsforschung tätig. „Advokatorische“ Thinktanks weisen eine klar zuordenbare ideologische Orientierung auf, wenngleich sie oft auch die „Unabhängigkeit der Expertise“ betonen. Sie betreiben wenig eigenständige Forschung, sondern vermarkten eher ihre weltanschaulichen Prinzipien medial und politisch. Advokatorische Thinktanks müssen natürlich nicht neoliberal sein. Auch ökologische Initiativen wie Greenpeace oder das jüngst gegründete sozialliberale Momentum Institut fallen in diese Kategorie. Neoliberale Thinktanks nehmen allerdings in ihrer Anzahl und medialen Präsenz international als auch in Österreich zunehmend eine zentrale Rolle ein.

Neoliberale Thinktanks
sind international und medial gut vernetzt und beeinflussen die österreichische gesellschaftspolitische Diskussion und Politik.

In Österreich ist die 2013 auf Initiative der Industriellenvereinigung gegründete Agenda Austria ein Beispiel für einen neoliberalen advokatorischen Thinktank. Sie ist medial bestens vernetzt und darauf fokussiert, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, um marktliberale Argumentationen an den Mann und die Frau zu bringen.

Wer zahlt?

Dabei lohnt sich vor allem ein Blick auf die Finanzierungsstruktur der Agenda Austria. Sie spiegelt gewissermaßen das Who’s who der österreichischen Wirtschaft und (Finanz-)Industrie wider. Unter den institutionellen Fördergeber:innen der Agenda Austria finden sich zehn Unternehmen, deren ehemalige oder aktuelle Eigentümer:innen zur Liste der 66 reichsten Familien und Menschen des „Vermögenmagazins“ gehören, zeigt eine kürzlich publizierte Studie der AK Wien. Darunter mit Hans Michel Piëch auch ein Mitglied der reichsten Familie Österreichs. Der Ehrenvorsitzende des Fundraising-Komitees der Agenda Austria, Christoph Kraus, ist zudem auch Generalsekretär und Gründer des Verbandes österreichischer Privatstiftungen. Diese gelten als Unternehmensformen, deren steuerliche Privilegien immer wieder Gegenstand kritischer Kontroversen sind. Überreichtum – also die extreme Konzentration von Vermögen und Kapital in den Händen weniger Personen – ist somit die zentrale Quelle, aus der sich die Finanzierung der Aktivitäten der Agenda Austria speist.

Spielraum begrenzen

Der Zusammenhang neoliberaler Thinktanks und Milliardär:innen (von denen sich manch einer als Blender herausstellt) ist nicht zuletzt deshalb problematisch, weil die Reichweite von Aktivitäten weit über die reine Meinungsbildung hinausgeht. Dies zeigen die jüngsten Korruptionsskandale eindrucksvoll. Deshalb müssen staatliche Transparenz- und Offenlegungsvorschriften den Spielraum neoliberaler Thinktanks begrenzen. Denn selbst ohne Korruptionsskandale besteht ein Problem. Die überproportionale Vertretung der Interessen einiger weniger im Vergleich zu einer schlecht organisierten Vertretung der Interessen vieler ist alarmierend.

Die Konzentration von wirtschaftlicher und politischer Macht in den oberen Schichten der Gesellschaft machen eine institutionell verankerte Stärkung der Interessenvertretung derjenigen, die nicht über diese Macht verfügen, unabdingbar. Dazu zählen eine staatlich geregelte Interessenvertretung aller Schichten, die der Vielfalt gesellschaftspolitischer Positionen gerecht wird. Aber auch das Eintreten für mehr Pluralismus in der Meinungsbildung ist von Relevanz. Viele Stimmen beleben grundsätzlich die demokratische öffentliche Debatte. Es lohnt sich aber, genau hinzusehen, für wen diese Stimmen sprechen. Oder wie Matthias Schlögl und Dieter Plehwe in einer Studie zur Vernetzung der Agenda Austria festgestellt haben: „Agenda Austria […] reklamiert, dass es keine Einflussnahme durch Auftraggeber gibt. Nun ist das in einem Thinktank wie Agenda Austria schon deshalb nicht nötig, weil die zahlungskräftige Kundschaft weiß, was sie bekommt.“

Theresa Hager und Stephan Pühringer sind wissenschaftliche Mitarbeiter:innen am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (Johannes Kepler Universität Linz).

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