Krisentagebuch 042: Die Herrschaft des Consultings

Krisentagebuch Robert Misik
Consulting-Unternehmen kommen aus der Welt der Theorie-Ökonomie. Sie sagen Unternehmen, sie wüssten, wie es besser ginge. Und es sagt viel über die wirtschaftspolitische Kompetenz dieser Regierung aus, wenn die Einzigen, die dem realen Wirtschafts- und Arbeitsleben irgendwie nahegekommen sind, bei internationalen globalen Consulting-Firmen waren. Ein Video-Kommentar von Robert Misik.

Dass die Hilfsprogramme zur Stützung von Unternehmen und Beschäftigung der Kurz-Regierung so gar nicht funktionieren, hat wohl auch damit zu tun, dass das Regierungsteam von Sebastian Kurz nie, aber wirklich nie etwas mit dem echten Wirtschaftsleben zu tun hatte.

Keine Ahnung vom Wirtschaftsleben

Sie haben nie ein Unternehmen geführt. Sie haben auch nie in einem Unternehmen gearbeitet. Sie haben einfach keine Ahnung, wie es ist, sich als Selbstständige/r darum kümmern zu müssen, dass man ausreichend Umsatz macht, um damit seine Beschäftigten zu bezahlen, aber auch seine Rechnungen begleichen zu können. Sie wissen auch nicht, wie es als Beschäftigte/r ist, der bzw. die – wenn das Unternehmen gut läuft – einen fairen Anteil vom Kuchen haben möchte. Oder wie es ist, wenn der eigene Arbeitsplatz davon abhängt, dass das Unternehmen floriert. Und schon gar nicht kennen sie diese ganz vielen anderen Faktoren, die eigentlich die entscheidenden Faktoren in der Arbeits- und Unternehmenswelt sind, die den Erfolg einer Firma ausmachen. Weder kennen sie sich mit Unternehmen und echter Arbeit aus noch mit Makroökonomie, also dem Funktionieren einer Volkswirtschaft als Ganzer.

Das Regierungsteam von Sebastian Kurz hatte nie, aber wirklich nie etwas mit dem echten Wirtschaftsleben zu tun. Sie haben nie ein Unternehmen geführt. Sie haben auch nie in einem Unternehmen gearbeitet. Sie haben einfach keine Ahnung.

Robert Misik, Journalist und Autor

 

Drei Ausnahmen mit wirtschaftspolitisch fraglicher Kompetenz

Innerhalb der JVP und ÖVP gibt es lediglich drei Ausnahmen, die in ihrem Leben etwas mit Wirtschaft zu tun hatten: ein Kabinettschef, ein Referent im Kanzleramt und eine Wirtschaftsberaterin. Und es spricht Bände, wo die ihre „Expertise“ herhaben! Der eine war mal beim ultrarechten Hayek Institut, benannt nach jenem Hayek, der gegen die Demokratie war, weil diese eine Gefahr für die Wirtschaftsfreiheit des Einzelnen darstelle, denn wenn die Mehrheit abstimmen kann, dass man Steuern erhöht, greift das in die Wirtschaftsfreiheit des Einzelnen ein. Danach war er bei der Unternehmensberatung Boston Consulting. Dort war auch die Wirtschaftsberaterin tätig. Und der Wirtschaftsreferent, der war bei einem anderen Consulting-Unternehmen, nämlich bei McKinsey.

Unternehmensgeist vs. rechnerische Effizienz

Und das legt den Verdacht nahe, dass es kein Zufall ist. Denn es sagt etwas aus über die wirtschaftspolitische Kompetenz dieser Regierung, wenn die Einzigen, die dem realen Wirtschafts- und Arbeitsleben irgendwie nahegekommen sind, bei internationalen globalen Consulting-Firmen waren. Sie kommen aus der Welt der Theorie-Ökonomie, die zu den Praktiker*innen geht und sagt, sie wüssten, wie es besser ginge. Sie sind meistens Zahlenhengste, die Unternehmen auf „rechnerische Effizienz“ trimmen, ohne auch nur ein Gespür für den Geist des jeweiligen Unternehmens zu haben.

Und was ist der Geist eines Unternehmens? Alle, die schon einmal in einem Unternehmen gearbeitet haben, kennen ihn – egal in welcher Branche. Ist man stolz, für dieses Unternehmen zu arbeiten? Oder muss man sie eher genieren, für dieses Unternehmen zu arbeiten? Das hat Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit, auf die Arbeitsmotivation und damit auch auf die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Ist man mit dem Job und den Tätigkeiten selbst zufrieden? Fühlt man sich kreativ gefordert? Oder fühlt man sich eher nur wie ein Zahnrad im Getriebe, das befohlene Kommandos ausführt, ohne dass es besonders geistreich sein muss? Fühlt man sich aufgewertet oder abgewertet im Unternehmen? Also das, was im Leben der meisten Menschen und im Wirtschaftsleben zentral ist, das ist für Zahlenhengste völlig unsichtbar.

Was passiert, wenn Beratungsunternehmen in Betriebe einfallen …

Wenn Beratungsunternehmen in Betriebe einfallen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist, dass man als Belegschaft die Zeit irgendwie übersteht und wartet, bis sie wieder weg sind und man wieder ordentlich arbeiten kann. Die zweite Möglichkeit ist, dass das Unternehmen danach ruiniert worden ist und man nicht mehr ordentlich arbeiten kann. Und das Problem mit diesen Unternehmensberater*innen ist auch, dass der Grad ihrer Kompetenz und das Ausmaß ihrer – nennen wir es mal überheblichen Aufgeblasenheit – in aller Regel umgekehrt proportional zueinander ist, wie wir Ökonom*innen sagen würden.

Rolf Hochhuth, der gerade eben jetzt verstorbene deutsche Dramatiker, hat über all das sogar mal ein Theaterstück geschrieben, das heißt „McKinsey kommt“. Und einer dieser zentralen Sätze in diesem Theaterstück lautet: „Aktien steigen, wenn Arbeitnehmer fallen.“

Über den/die Autor:in

Robert Misik

Robert Misik ist Journalist, Ausstellungsmacher und Buchautor. Jüngste Buchveröffentlichung: "Die falschen Freunde der einfachen Leute" (Suhrkamp-Verlag, 2020). Er kuratierte die Ausstellung "Arbeit ist unsichtbar" am Museum Arbeitswelt in Steyr. Für seine publizistische Tätigkeit ist er mit dem Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet, 2019 erhielt er den Preis für Wirtschaftspublizistik der John Maynard Keynes Gesellschaft.

Sie brauchen einen Perspektivenwechsel?

Dann melden Sie sich hier an und erhalten einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.

Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.