Keine halbe Sache

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
Die Interessen der weiblichen Beschäftigten müssen sich verstärkt in der strategischen Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit widerspiegeln.
Gegenwärtig steigt der öffentliche Druck für mehr Gerechtigkeit der Geschlechter, wie das Frauenvolksbegehren 2.0, die #MeToo- oder die „Time’s Up“-Bewegung zeigen. Denn noch immer leisten Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit und sind bei Einkommen und beruflichem Aufstieg benachteiligt. Gerade im Arbeitsleben wird die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern spürbar. Gewerkschaft und Betriebsrat sind von daher mehr denn je gefordert, Interessenpolitik für die (wachsende) Gruppe der weiblichen Beschäftigten zu betreiben.

Bedeutende gleichstellungspolitische Handlungsfelder wie z. B. der Gender Pay Gap oder Frauen in Führungspositionen sollten – nachhaltig und mit Zielvorgaben – ihren Platz in der strategischen Gewerkschafts- und Betriebsratspolitik bekommen. Gleichzeitig muss verstärkt in den eigenen Reihen für mehr Geschlechtergerechtigkeit gesorgt werden. Gesetze wie die verpflichtende Geschlechterquote von 30 Prozent für den Aufsichtsrat ab 2018 nehmen dabei auch betriebliche Interessenvertretungen in die Pflicht.

Gewerkschaftliche Frauenpolitik

„Um den Kampf um die Gleichstellung der Frau in der Privatwirtschaft zu führen, bedarf es erst einmal der Gleichstellung der Frauen in der Gewerkschaft“, hat Johanna Dohnal, die österreichische Ikone der Frauenbewegung, bereits 1987 formuliert.

In der Zwischenzeit hat sich in dieser Frage viel bewegt: Gleichstellungspolitische Strukturen wurden nicht nur im ÖGB, sondern in allen Fachgewerkschaften etabliert (z. B. Quoten für Führungsgremien). Zudem ist es gelungen, zahlreiche Initiativen für die Zielgruppe der weiblichen Beschäftigten auf den Weg zu bringen. So hat die Gewerkschaft maßgeblich an der gesetzlichen Verankerung der Einkommenstransparenz mitgewirkt und unterstützt nunmehr bei der praktischen Umsetzung.

Als eine weitere Maßnahme zur Verringerung der Einkommensschere hat sich u. a. die PRO-GE dem Thema Anrechnung der Elternkarenz, insbesondere bei Vorrückungen im Gehaltssystem, erfolgreich angenommen. Die GPA-djp beispielsweise hat sich zuletzt immer wieder für Frauen in Führungspositionen starkgemacht. Mit der neuen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat ist ein Schritt in Richtung mehr Frauen (auch für die ArbeitnehmerInnenvertretung) in der Unternehmensaufsicht gelungen. Zum anderen setzt sich die Gewerkschaft vida unter der Initiative „Tatort Arbeitsplatz“ gegen (sexuelle) Übergriffe und Gewalt an Frauen am Arbeitsplatz ein. Über alle Fachgewerkschaften hinweg kommt dem Schwerpunkt „Frauen in Teilzeit“ eine bedeutende Rolle zu.

Luft nach oben

Trotz der Gleichberechtigungsbestrebungen in den eigenen Reihen gibt es nach wie vor Handlungsbedarf. Was für Organisationsstrukturen in privatwirtschaftlichen Unternehmen gilt, lässt sich nämlich auch in Interessenvertretungen beobachten: Mit jeder Hierarchieebene nimmt der Frauenanteil ab. „So ist zum einen nur eine geringe Anzahl von Frauen in Führungspositionen vertreten und zum anderen orientieren sich Verhandlungsinhalte und -ergebnisse stark an der männlichen Norm“, hält die Soziologin Claudia Sorger in diesem Zusammenhang fest.

Laut Sorger ist dies darauf zurückzuführen, dass sich die Gewerkschaft nach wie vor primär an der ursprünglichen Zielgruppe des männlichen Facharbeiters in Vollzeit ausrichtet. Die Zielgruppe der Frauen, die überwiegend in Teilzeit beschäftigt ist, findet sich kaum in den Verhandlungsteams der Kollektivverträge noch in den dort diskutierten Themen und Ergebnissen wieder.

Männliche Kultur

Die Wirtschaftssoziologin Sabine Blaschke führt noch weitere Gründe für die niedrige Vertretung von Frauen in Gewerkschaften an, unter anderem die Organisation gewerkschaftlicher Aktivitäten (z. B. Sitzungen am Abend) und eine männlich geprägte Organisationskultur (z. B. informelle Netzwerke). Auch auf Ebene der betrieblichen Interessenvertretungen herrscht, was die gleichberechtigte Vertretung von Frauen betrifft, Aufholbedarf. Obwohl der Frauenanteil an den Beschäftigten bei 47 Prozent liegt, sind Frauen in Betriebsratsgremien unterrepräsentiert: Unter den BetriebsrätInnen in Österreich findet sich rund ein Drittel Frauen, unter den Betriebsratsvorsitzenden sind es nicht ganz ein Viertel.

In den Aufsichtsratsgremien liegt der weibliche Anteil etwas niedriger: Im Jahr 2017 sind 21,8 Prozent Frauen als Stimme der ArbeitnehmerInnenvertretung in den Aufsichtsräten der umsatzstärksten 200 Unternehmen Österreichs vertreten. Damit liegt der Frauenanteil unter den BetriebsrätInnen deutlich höher als jener der Kapitalvertretung, der bei 16,7 Prozent liegt. Gerade diese größeren Betriebsratsteams sind – wie das Forschungsinstitut FORBA kürzlich erhoben hat – in den meisten Fällen gemischtgeschlechtlich zusammengesetzt, was als sehr positiv zu beurteilen ist.

Betriebsrat mit und für Frauen

Dennoch: In vielen Betriebsratsgremien sind Frauen nicht entsprechend ihrem Anteil in der Belegschaft vertreten. Dies ist selbst dann nicht der Fall, wenn sie die Mehrheit der Gesamtbelegschaft stellen, wie eine Studie von Christoph Hermann und Jörg Flecker zeigt: So setzt sich zum Beispiel in Handelsunternehmen mit einem hohen Teilzeitbeschäftigungsgrad der Betriebsrat oft aus den wenigen (in Vollzeit beschäftigten) Männern zusammen. Zudem halten Hermann und Flecker fest, dass die meist weiblichen Teilzeitbeschäftigten nicht zu den primären Bezugsgruppen der Betriebsräte zählen. Dabei können teilzeitarbeitende Frauen das Betriebsratsteam mit ihren Erfahrungen bereichern und neue Perspektiven einfließen lassen.

Immerhin fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet Teilzeit, die in vielen Fällen kein eigenständiges, existenzsicherndes Einkommen ermöglicht. Es ist daher wichtig, dass Maßnahmen rund um Teilzeit verstärkt Eingang in die Betriebsratspolitik finden. Selbst wenn es keinen generellen gesetzlichen Rechtsanspruch auf eine Vollzeitstelle gibt, besteht seit 2016 ein Recht auf Information über frei(werdend)e Jobs mit höherem Stundenausmaß im Unternehmen. Der Betriebsrat hat hier darauf zu achten, dass die Informationspflicht an Teilzeitbeschäftigte umgesetzt wird.

Nützliches Instrument

Schon einzelne Maßnahmen im Betrieb können also einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit leisten. So sollte das Betriebsratsteam insbesondere die Benachteiligung von Frauen beim Einkommen aufgreifen. Der Einkommensbericht ist dafür ein nützliches Instrument, um Diskriminierungen aufzuspüren. Dabei ist vor allem auf die Einstufung bei den (Einstiegs-)Gehältern und die Anrechnung von Vordienst- und Karenzzeiten zu achten. Nicht nur beim Berufs- oder Wiedereinstieg, sondern auch im Karriereverlauf werden Frauen häufig benachteiligt: Immer wieder werden Männer bei der Besetzung von Führungspositionen, Gehaltserhöhungen oder bei Prämien/Zulagen bevorzugt.

Dabei ist hervorzuheben, dass die beliebte Ausrede beim Entgelt, „Er hat eben besser verhandelt“, nach dem Gleichbehandlungsgesetz keine zulässige Begründung für eine höhere Entlohnung ist.

Vertrauensvolle Ansprechpersonen

Mit der alleinigen Feststellung von Benachteiligungen kann es aber nicht getan sein: Der Betriebsrat sollte aus dem Einkommensbericht konkrete Maßnahmen ableiten, wie z. B. Frauenförderpläne oder antidiskriminatorische Betriebsvereinbarungen. Gerade Betriebsvereinbarungen eignen sich zudem bestens dafür, klare Regeln für den Umgang mit dem brennenden Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verankern. BetriebsrätInnen sollten in sensiblen Situationen als vertrauensvolle Ansprechpersonen sichtbar sein, gerade junge Arbeitnehmerinnen (z. B. Lehrlinge, PraktikantInnen) sind dabei ins Auge zu fassen. Denn: Will der Betriebsrat bei der Zielgruppe Frauen gefragt sein, dann müssen jene Themen (verstärkt) aufgegriffen werden, mit denen Frauen in der Arbeitswelt konfrontiert sind.

Claudia Sorger: „Gleichstellungspolitische Strategien österreichischer Gewerkschaften“, In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie (ÖSZ, Februar, 2017)

Von
Bianca Schrittwieser
Abteilung Frauen und Familie der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.

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