Jetlag ohne Zeitzonen

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Der frühe Vogel fängt den Wurm. Unser Zeitmanagement verursacht dem menschlichen Körper jedoch unnötigen Stress: den sozialen Jetlag.
Wer bereits das Vergnügen hatte, in die USA oder nach Asien zu fliegen, ist mit dem unvermeidlichen Reisebegleiter Jetlag bestens vertraut: Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, unregelmäßiges und weniger intensives Hungergefühl sowie Schlafschwierigkeiten trüben oft die ersten Tage, bis der Körper sich an die neue Zeitzone gewöhnt hat. Nicht selten können sogar Depressionen einsetzen.

Aber um unter Jetlag zu leiden, brauchen oft keine Zeitzonen durchflogen und keine weit entfernten Länder bereist zu werden. Manchmal reicht einfach nur die innere biologische Uhr, die sich nicht mit dem Alltag und dem Berufsleben vereinbaren lässt, um einen permanenten Jetlag entstehen zu lassen.

Drei Uhren

Der Mensch in der industrialisierten Welt richtet sich gleich nach drei Uhren. Die biologische Uhr ist bereits vorprogrammiert und lässt die Prozesse im Körper in einem 24-stündigen Takt ablaufen. Dazu kommt die innere Uhr, die sich mit der äußeren Uhr synchronisiert und über das Sonnenlicht den Tag-Nacht-Wechsel koordiniert. Die dritte, „soziale“ Uhr ist nach den Anforderungen des Alltags gestellt, sie tickt nach Arbeits- und Schulbeginn, Schichtplänen, Terminen, eingeplanten Pausen und weiteren zeitlichen Vorgaben, die wir uns setzen oder die uns gesetzt werden. Diese drei Uhren entsprechend dem eigenen Biorhythmus zu koordinieren ist für den Großteil der Menschen fast nicht möglich. Dies hat Till Roenneberg, Chronobiologe an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität festgestellt. Rund 80 Prozent leiden an der Diskrepanz zwischen der inneren Uhr und den äußeren Anforderungen. Das Leben in den Industrieländern ist streng durchgetaktet – hinzu kommen Freizeitstress, Schichtarbeit oder lange, unregelmäßige Arbeitszeiten, wie jene der PilotInnen oder Krankenschwestern. Innere Uhr und Lebensstil vertragen sich also oft nicht. Durch diesen sogenannten „sozialen Jetlag“ entsteht ein permanenter Schlafmangel, der wiederum zu Erkrankungen und Leistungsabfällen führt.

Buchtipp: Till Roenneberg: Wie wir ticken

Till Roenneberg hat zwei bestehende Chronotypen bestimmt. FrühaufsteherInnen nennt er „Lerchen“. Sie gehen entsprechend früh schlafen und haben keine Schwierigkeiten, früh in den Tag zu starten, sie sind am Morgen produktiv und kreativ. Die Eulentypen hingegen – sie gehen spät schlafen und wachen spät auf – gehören zum Gros der Bevölkerung. Das späte Schlafengehen, kombiniert mit dem erzwungenen frühen Aufstehen, lässt ein substanzielles Schlafdefizit entstehen, das nur am Wochenende ausgeglichen werden kann. Dabei sind SchülerInnen und Teenager am Stärksten betroffen, da sie generell eher zu den SpätaufsteherInnen gehören, jedoch durch den frühen Schulbeginn gezwungen sind, früh aufzustehen – zu ihrem Nachteil: Durch den Schlafmangel werden kognitive Leistung und das Gedächtnis stark beeinträchtigt. Der deutsche Chronomediziner Horst-Werner Korf empfiehlt sogar, Prüfungen nicht vor zehn Uhr morgens abzuhalten, sondern erst zwischen zehn und halb elf. Zu dieser Zeit verfügen sowohl Lerchen als auch Eulen über die gleiche Leistungsfähigkeit. Zu Beginn der Pubertät rückt der Schlaf-Wach-Rhythmus durchschnittlich zwanzig Minuten jährlich nach hinten, nach rund fünf Jahren entwickelt sich der Rhythmus wieder zurück, die Einschlafzeiten rücken nach vorne.

Wie viel Schlaf im Endeffekt fehlt, lässt sich an den ausgeglichenen Schlafstunden am Wochenende erkennen: Teenager schlafen im Schnitt drei Stunden mehr als unter der Woche, nur bei Kleinkindern und PensionistInnen sind die Aufstehstunden konstant.

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