Ist Kaufen smarter?

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Produkte haben heute oft ein rasches Ablaufdatum. Dabei ist Reparieren meist nicht nur smarter, sondern jedenfalls besser für die Umwelt.

Recht erfolgreiche Initiativen wehren sich jedoch gegen die Entwicklungen: iFixit ist z. B. eine mittlerweile weltweite Gemeinschaft aus professionellen wie ehrenamtlichen HelferInnen, die Anleitungen von vielen elektronischen Gadgets zur Selbstreparatur ins Netz stellen. Repaircafés sind oftmals privat oder gemeinschaftlich organisierte Treffen, bei denen jede/r KonsumentIn mit defekten Geräten vorbeikommen kann. Ehrenamtliche Fachkräfte bieten Hilfe bei der Selbsthilfe und unterstützen die KonsumentInnen bei der Reparatur. Dies kann als Form des Empowerments gesehen werden und zeigt ein gesellschaftliches Bedürfnis nach langlebigen und reparierfähigen Produkten.

Ein kritischer Blick muss auf vermeintlich neue, vor allem smarte Innovationen geworfen werden. Bei den großen Elektronikmessen werden viele dieser Geräte vorgestellt, insbesondere Haushaltsgeräte werden „intelligent“: z. B. Kühlschränke mit integriertem Tablet und Innenkamera, wodurch man von unterwegs in den Kühlschrank sehen kann und weiß, was drin ist.

Risiken

Kritisch hinterfragt werden sollte, ob diese Geräte einen echten Mehrwert haben und den Alltag erleichtern. Unter Umständen machen sie den Alltag nämlich noch komplexer, von der großen Datenschutzfrage ganz abgesehen. Weiters bergen gerade solche Geräte durch den Einsatz neuer Technologien das Risiko, dass die Produkte noch schneller veralten als bisher, vor allem auch wegen der wartungsintensiven Software.

Schon jetzt zeigen Studien wie beispielsweise vom deutschen Umweltbundesamt, dass die Nutzungsdauer bei vielen Produkten wie Fernseher oder Kühlschränke in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist. Mit smarten Geräten könnte sich diese noch um ein Vielfaches verkürzen – so wurden etwa laut AK-Studie gewöhnliche Tastenhandys im Schnitt 3,7 Jahre genutzt, während Smartphones nur 1,8 Jahre verwendet werden. Diese Konsumrealitäten und Trends belasten Umwelt, Haushaltsbudgets und auch die Gesellschaft. Bei Modeprodukten ist es oft wichtig, das neueste Ding zu besitzen, um nicht exkludiert zu werden. Vor allem junge Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, sind diesem Risiko besonders ausgesetzt. Diese Entwicklungen können damit auch die soziale Ungleichheit verstärken.

Gefordert sind zum einen Hersteller: Sie müssen langlebige und reparierfähige Produkte konstruieren – und sollen mitbedenken, dass smart nicht immer smart ist. Ein EU-Ziel ist es etwa, Energiefresser zu reduzieren. Die Ökodesign-Richtlinie auf EU-Ebene geht in die richtige Richtung, vor allem, wenn diese jetzt im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspakets neu unter die Lupe genommen wird. In diesem Rahmen wird auch die Verlängerung von Gewährleistungsfrist und Beweislastumkehr angestrebt – eine langjährige Forderung der AK.

Reparaturen attraktiver machen

Einen anderen Vorstoß wagte Schweden: Anfang 2017 wurde der Mehrwertsteuersatz auf Reparaturen halbiert. Gleichzeitig werden mittels einer „Chemiesteuer“ Haushaltsgeräte höher besteuert. Es ist ein interessanter Ansatz, jedoch muss noch an vielen anderen Schrauben gedreht werden. Reparieren muss (design-)technisch möglich und für KonsumentInnen zugleich ökonomisch reizvoll werden. Zudem müssen Produkte so gestaltet sein, dass sie langfristig attraktiv sind und nicht aus der Mode geraten.

Ausgrenzungsgefahr

Auf einer gesellschaftlichen Ebene muss über Werte verhandelt werden: Was sagt es über eine Gesellschaft aus, bei dem der Besitz bestimmter Güter über soziale Zugehörigkeit entscheidet? Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an Verantwortung trägt die Werbung. Werbung, die darauf abzielt, Produkte immer frühzeitiger auszutauschen, weil sonst die Gefahr der Exklusion droht, sollte eingeschränkt werden. Zugleich bräuchte es eine Regulierung, die sinnlose und umweltschädliche Produkte überhaupt nicht auf dem Markt zulässt. Wer muss wirklich das Wasser in der Dusche per Handy-App steuern oder benötigt eine smarte Bürste, die den Druck analysiert? Politisch müssten hier Grenzen gesetzt werden.

Von
Nina Tröger
Konsumforscherin der Abteilung für Konsumentenpolitik der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.

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