„Freiwilligkeit ist eine Schimäre“ – Hans Trenner im Interview

Inhalt

  1. Seite 1 - Hauptpunkt der Diskussion ist die Freiwilligkeit
  2. Seite 2 - Die Schierigkeit, Auflösung eines Dienstverhältnisses anzufechten
  3. Seite 3 - 4-Tage-Woche nicht im Gesetz
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Die neuen Arbeitszeitregelungen werfen für ArbeitnehmerInnen viele Fragen auf. Hans Trenner, Bereichsleiter für Beratung der Arbeiterkammer Wien, erklärt im Gespräch die wichtigsten Fallstricke.

„Ein Beispiel aus dem Gastgewerbe: Der Arbeitnehmer lehnt nach der 10. Stunde die Mehrarbeit ab. Der Chef akzeptiert das scheinbar, zwei Wochen später folgt die Kündigung.“ Trenner über die Schwachpunkte des neuen Arbeitszeitgesetzes.

Was sind die Schwachpunkte in Bezug auf Anfechtungen?

Das Benachteiligungsverbot muss ich zuerst einmal durchsetzen. In der Vergangenheit war es so, wenn der Arbeitnehmer ab der 10. Stunden gesagt hat, ich höre jetzt auf, hat er Recht gehabt. Nun kann der Arbeitgeber mit Recht ab der 10. Stunde auch mehr verlangen. In Zukunft wird es so sein, dass ein Arbeitnehmer, der sich auf das Ablehnungsrecht der 11. und 12. Stunde beruft und seinen Job verliert, dem Gericht glaubhaft machen muss, dass die Ablehnung der Mehrarbeit der Grund für den Hinauswurf war. Ein Beispiel aus dem Gastgewerbe: Der Arbeitnehmer lehnt nach der 10. Stunde die Mehrarbeit ab. Der Chef akzeptiert das scheinbar, zwei Wochen später folgt die Kündigung. Der Arbeitnehmer ficht an, er hätte das Recht gehabt, die verlangte Überstunde nach 10 Stunden Tagesarbeitszeit abzulehnen.

Vor Gericht gibt der Chef aber einen anderen Kündigungsgrund an: Es hätten sich drei Kunden beschwert, weil die Pizza verbrannt war. Wem wird der Richter glauben? Er könnte sagen, ich verstehe, dass sie deshalb den Pizzakoch nicht weiter beschäftigen wollen. Das Anfechtungsrecht garantiert die Freiwilligkeit keineswegs.

Das bedeutet, in Österreich trägt der Arbeitnehmer die Beweislast, wie ist das etwa in Deutschland?

In Deutschland ist das Kündigungsschutzrecht umgedreht. Hier muss zuallererst der Arbeitgeber nachweisen, warum er jemand gekündigt hat. 

In Deutschland ist das Kündigungsschutzrecht umgedreht. Hier muss zuallererst der Arbeitgeber nachweisen, warum er jemand gekündigt hat. Dieser Kündigungsgrund ist im Vorverfahren zu fixieren und kann nicht im Verfahren beliebig erweitert werden. In unserem Verfahrensrecht ist es so, dass der Arbeitgeber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, und das kann sehr lange dauern, jeden Grund nachliefern kann, etwa wenn er sagt, ich bin draufgekommen, dass der Arbeitnehmer regelmäßig zwei übriggebliebene Semmeln mit nach Hause genommen hat.

Haben Sie das Gefühl, dass sich Anfragen mehren zum 12-Stunden-Tag?

Das Gesetz ist seit knapp zwei Monaten in Kraft. Tendenziell haben wir das Gefühl, dass es die Mitglieder sehr interessiert, wie sie hier stehen. Betroffene vertreten wir und informieren sie, wie das Verfahren funktioniert. Das ist ein mühevoller Prozess. Vor einem Gericht zu stehen und zu sagen: „Ich bin zu Unrecht aus dem Arbeitsverhältnis hinausgedrängt worden“, aber gleichzeitig in der Erwartungshaltung zu sein: Der Arbeitgeber wird jetzt anfangen, Schmutzwäsche zu waschen – das ist nicht jedermanns Sache. Viele suchen sich lieber einen neuen Job, ohne einen Konflikt mit dem Arbeitgeber ausgetragen zu haben.

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Über den/die Autor:in

Sandra Knopp und Udo Seelhofer

Sandra Knopp ist freie Journalistin für verschiedene Radio und Printmedien, und hat die Themen Arbeitsmarkt, Soziales und Gesellschaftspolitik als Schwerpunkte. Udo Seelhofer war früher Lehrer und arbeitet seit 2012 als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Gesellschaft, soziale Themen und Religion. Im Team wurden sie beim Journalismuspreis „Von unten“ 2017 für ihre Arbeit&Wirtschaft Reportage „Im Schatten der Armut“ ausgezeichnet.

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