Vermögen und Ungleichheit: Die paar Superreichen und wir anderen

Vermögen in Österreich sind ungleich verteilt. Und müssen dringend bestuert werden.
Verteilungsexpertin Franziska Disslbacher im Interview über Ungleichheiten, die (fast) alle treffen.
Fotos (C) Michael Mazohl
Die einen müssen trotz Corona-Lockdowns inmitten einer globalen Pandemie im Supermarkt stehen, die anderen genießen die entspannende Entschleunigung in ihrer Villa mit Pool. Die einen wissen nicht, wie sie die Heizungsrechnung bezahlen sollen, die anderen rätseln, welche Aktien sie kaufen könnten. Und wer weiß eigentlich wirklich, wie viel die eigenen Kolleg*innen in Wahrheit verdienen? Wir haben mit einer jungen Ökonomin über die krasse Ungleichheit in Österreich gesprochen – und wie man da rauskommt.
Sie ist erst 30 Jahre alt, geborene Oberösterreicherin und studierte Volkswirtin: Franziska Disslbacher. Und sie ist noch etwas, nämlich Expertin auf einem Gebiet, das uns alle betrifft: Vermögen und Verteilungsthemen. Wenn sie nicht gerade spät abends Interviews wie dieses gibt, arbeitet sie in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften und Statistik in der Arbeiterkammer oder schreibt an ihrer Dissertation an der Wiener Wirtschaftsuniversität. In ihren freien Momenten liest sie übrigens leidenschaftlich süditalienische Romanepen von Elena Ferrante, der anonymsten Autorin der Welt, und feilt an ihren Boxkünsten. Wir sind mit ihr in den Ring gestiegen. (Nicht wirklich, aber es klingt so gut.)

Anja Melzer: Warum reden wir seit Corona eigentlich so intensiv über Ungleichheit? Es wirkt, als wäre das Thema gesellschaftsfähiger als je zuvor.

Franziska Disslbacher: Ungleichheiten, die vorher schon bestanden haben, sind jetzt viel offensichtlicher geworden. Zum Beispiel die Vermögensungleichheit. Es macht einen riesigen Unterschied, ob man auf ein Vermögen zurückgreifen kann oder nicht, wenn man den Job verliert, um diese Periode der Arbeitslosigkeit besser zu überstehen. Oder: Es sind ja in den letzten Wochen überall diese Bilder von Reichen kursiert, die sich auf ihre Privatanwesen zurückziehen, um sich von der Bedrohung des Virus abzuschotten.

Familie Swarovski, zum Beispiel.

Genau. Einerseits wurde also die unterschiedliche Betroffenheit von diesem Virus an sich offensichtlich, und andererseits die krassen Unterschiede, wie man mit den Konsequenzen umgehen kann. Die einen, die weiter arbeiten gehen müssen, Supermarktverkäufer*innen, Menschen im Gesundheitswesen, usw. Und die anderen im Homeoffice, die sich Gedanken darüber machen, wie schnell die Internetverbindung ist. Bestehende Unterschiede sind sichtbarer und greifbarer geworden. Die waren aber vorher auch schon da. Sie haben sich aber jetzt noch einmal zugespitzt.

Bestehende Unterschiede sind sichtbarer und greifbarer geworden. Die waren aber vorher auch schon da. Sie haben sich aber jetzt noch einmal zugespitzt.

Welche Ungleichheiten meinen wir in der Debatte eigentlich?

Es geht um verschiedene Dimensionen. Etwa um die Vermögensungleichheit. Um die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern. Die Ungleichheit zwischen Berufsgruppen. Die Ungleichheit in der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit, was übrigens wiederum viel mit Geschlecht und Bildung zu tun hat. Überwiegend Frauen haben ihren Job verloren, Akademiker*innen hat es viel weniger stark getroffen. Diese Dimensionen sind miteinander verschränkt. Bei Ungleichheit geht es nie nur um eine Dimension.

Eine Frage, die uns in Zukunft alle beschäftigen wird: Wer soll das alles zahlen? Immer lauter wird der Ruf nach einem Beitrag der Reichen. In Österreich aber gibt es keine Besteuerung von Vermögen. Wie sieht das eigentlich in anderen EU-Staaten aus?

In vielen Ländern gibt es – allerdings niedrige – Erbschaftssteuern, in Deutschland zum Beispiel. Manche haben niedrige Vermögenssteuern, wie Spanien. Der Trend in den letzten Dekaden ging aber in Richtung Abschaffung solcher Steuern. Und zwar immer mit dem Argument, das sei schlecht für die Wirtschaft, schlecht für das Wachstum. Wir wissen aber heute, dass das nicht stimmt. Das zeigt die empirische Evidenz. Im Gegenteil, solche Steuern behindern das Wachstum nicht, sie bringen einer Gesellschaft eher Vorteile.

Dieser Abschaffungstrend geht einher mit konservativen Regierungen, nehm ich an.

Ganz genau. 

Ich habe vor ein paar Tagen darüber mit einer Millionärin diskutiert. Die meinte: Vermögen zu besteuern sei deshalb der falsche Ansatz, weil man ja damit diejenigen bestrafe,, die etwas „schaffen“. Als würden die anderen nichts leisten. Seltsamerweise nimmt aber auch die breite Masse Vermögenssteuern oft als Sanktion wahr.

Wir wissen ja, dass Vermögen zum größten Teil vererbt wird. Das Bild vom Milliardär, der es ganz allein geschafft hat, so reich zu werden, ist ein Mythos. Der Großteil des Vermögens in Österreich wird von Dynastie zu Dynastie, also innerhalb der Familie, weitervererbt. Gleichzeitig profitieren die Vermögenden, die keine Steuern auf ihr Vermögen zahlen, von der öffentlichen Infrastruktur. Diese wird wiederum von allen Menschen, die Steuern auf Einkommen und Konsum bezahlen, finanziert. Zum Beispiel das Bildungssystem, oder Straßen. Die Vermögenden profitieren auch davon, wenn sie gut ausgebildete Arbeitskräfte haben – vor allem wenn sie die Menschen dann noch schlecht bezahlen.

Wir wissen ja, dass Vermögen zum größten Teil vererbt wird. Das Bild vom Milliardär, der es ganz allein geschafft hat, so reich zu werden, ist ein Mythos.

Jede*r wäre irgendwie gerne vermögend, und viele argumentieren wohl auch deshalb gegen eine solche Steuer auf Vermögen – theoretisch –, obwohl sie gar nicht betroffen wären.

Das sehen wir auch in der Forschung. Menschen sind sehr schlecht darin, ihre eigene Position in der Vermögensverteilung richtig einzuschätzen. Alle – sowohl die ganz oben als auch die ganz unten – sehen sich in der Mitte. Das hat zur Folge, dass sehr viele Menschen denken, sie wären betroffen von Vermögenssteuern, obwohl sie es gar nicht sind. Vor allem nicht von den Modellen, die derzeit diskutiert werden. Vermögende denken zum Beispiel: Es wird schon noch jemanden geben, der noch viel vermögender ist. Andererseits überschätzen Menschen oft den Wert ihres Vermögens massiv, zum Beispiel von einem ein Haus, das sie selbst gebaut haben. Und niemand möchte ganz unten sein, weil Armut leider oft als Ergebnis fehlender Anstrengungen gedeutet wird.

Die AK fordert eine Steuer auf hohe Vermögen und Erbschaften, und zwar ab einer Million Euro. Davon wären nur vier bis fünf Prozent aller Haushalte in Österreich betroffen. Aber das könnte bis zu sieben Milliarden Euro im Jahr bringen.

Genau. Es gibt verschiedene Modelle, und auch wenn ständig neue Gegenargumente ausgepackt werden – es gibt für alles Lösungen. Der Konsens in der Vermögensforschung ist inzwischen: Es geht nicht um technische Probleme, für die es keine Lösungen gäbe, es geht um den politischen Willen.

Vermögen werden kaum selbst erschaffen, sondern in den meisten Fällen vererbt.
Erbschafts- und Vermögenssteuern behindern das Wachstum nicht, sie bringen einer Gesellschaft eher Vorteile, erklärt Ökonomin Franziska Disslbacher

Mir fällt an der Stelle auch das Zitat ein, in dem Kurz vor ein paar Jahren von „Reichenhetze“ sprach, und das – unmöglich – mit Rassismus gleichsetzte. Inwiefern hat die Diskussion um Vermögen mit Framing zu tun?

Die Leute müssen verstehen: Vermögenssteuern kommen ja allen zugute. Und daran hängt die zentrale Frage: Warum ist Vermögensungleichheit ein Problem? Und warum ist es ein Problem, dass einzelne Familien ein Vermögen in Milliardenhöhe haben? Die zentrale Antwort ist: Weil Vermögen die Grundlage für Machtausübung sein kann. Und sei es nur über Medien, um den Diskurs zu dominieren, indem sie gewisse Themen auf die Tagesordnung bringen, oder verhindern das bestimmte Themen überhaupt diskutiert werden.

Warum ist Vermögensungleichheit ein Problem? Und warum ist es ein Problem, dass einzelne Familien ein Vermögen in Milliardenhöhe haben? Die zentrale Antwort ist: Weil Vermögen die Grundlage für Machtausübung sein kann.

Weil wir eher denen zuhören, die viel haben? Wer also genug Geld hat, hat mehr Mitsprache?

Ja! Der Ökonom Martin Schürz schreibt: Vermögensungleichheit zersetzt Demokratie.

Wie soll man sich auch politisch engagieren, wenn man nur damit beschäftigt ist, genug Geld zum Überleben zu verdienen?

Absolut. Die Ressourcen, sich selbst einzubringen, sind oft einfach nicht da, wenn man zuerst an das Begleichen der Rechnung für die Heizung denken muss. Vermögensungleichheit ist auch deshalb ein Problem, weil Vermögen ab einer gewissen Vermögenshöhe von Quantität in Qualität umschlägt. Das heißt, es geht dann nicht mehr nur darum, dass ich Geld am Konto hab, um im Notfall einen neuen Kühlschrank bezahlen zu können. Sondern dass Vermögen dann irgendwann andere Funktionen ausüben kann, wie die Vererbung innerhalb der Familie, um auf diese Weise den Status quo zu verfestigen, oder zur Machtausübung, wenn es darum geht, aus sehr viel Vermögen immer noch mehr zu machen.

Und es gibt wirklich gar keine Superreichen in diesem Land, die das anders sehen, also gerechter?

Vermögende haben sich immer wieder für Vermögens- und Erbschaftssteuern eingesetzt. Aber wenn man da genauer hinsieht, sieht man, dass die Steuersätze lächerlich niedrig waren und es sich in Wahrheit um keinen substanziellen Beitrag gehandelt hat. An der Ungleichheit hätte das kaum etwas geändert. Und dazu kommt: Die jährlichen Vermögenszuwächse sind so hoch, dass sie diese Steuern im Grunde nicht spüren würden. Weil höhere Vermögen viel höhere Renditen und Wachstumsraten haben als niedrigere Vermögen.

Die jährlichen Vermögenszuwächse sind so hoch, dass sie diese Steuern im Grunde nicht spüren würden.

Das heißt, je mehr man hat, umso schneller vermehrt sich das Vermögen?

Genau. Und deshalb wird die Vermögensungleichheit immer gravierender. Gleichzeitig haben diejenigen ohne Vermögen, nur mit Arbeitseinkommen, viel niedrigere Wachstumsraten.

Ein anderer Ansatzpunkt wäre ja zum Beispiel auch das Sozialversicherungssystem. Das wird oft als unfair bezeichnet. Menschen, die sehr viel verdienen, zahlen nur marginal mehr ein als Menschen mit weniger Einkommen.

Das Steuersystem in Österreich ist in Wahrheit nicht sehr progressiv. Das heißt: Alle Haushalte zahlen zwischen 30 und 40 Prozent ihres Einkommens an Steuern, also zum Beispiel in Form von Konsumsteuern, Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Und natürlich könnte man die Progressivität erhöhen, dass die unteren Schichten geringere Steuersätze und die oberen höhere Steuersätze zahlen.

Gibt es noch andere Punkte, an denen man vielleicht ansetzen könnte?

Eine Idee wäre zum Beispiel ein Maximaleinkommen. So wie es Mindestlöhne gibt, könnte man Maximallöhne einführen. Und was wir auch wissen: Starke Gewerkschaften sind extrem wichtig, um die Ungleichheit in Grenzen zu halten. Sie haben eine zentrale Rolle in Bezug auf Kollektivverträge oder Mindestlöhne. Sie bringen die Themen oft überhaupt auf die Agenda, sie üben eine Kontrollfunktion aus, und sie organisieren Menschen. Es werden derzeit auch Vorschläge diskutiert, die in Richtung Obergrenzen für Vermögen gehen. Der Ökonom Thomas Piketty zum Beispiel schlägt für Multimillardär*innen Vermögenssteuern von 90 Prozent vor!

Der Ökonom Thomas Piketty zum Beispiel schlägt für Multimillardär*innen Vermögenssteuern von 90 Prozent vor!

Dagegen wirkt der folgende Vorschlag ja direkt zärtlich: Eine Arbeitszeitverkürzung würde doch auch schon spürbar für weniger Ungleichheit sorgen, oder?

Das ist ganz zentral. Und hat mehrere Effekte. Einerseits geht es wirklich um die Verteilung der Arbeit zwischen den Arbeitenden und den Arbeitslosen. Aber auch die Geschlechterperspektive spielt mit rein, also dass Frauen zusätzlich zur bezahlten Erwerbsarbeit so viel unbezahlte Arbeit leisten, und weil sie ohnehin weniger bezahlt arbeiten, haben sie auch niedrigere Pensionen als Männer. Arbeitszeitverkürzung könnte das angleichen.

Eine Möglichkeit wäre doch eine Art Mindestlohn für bis dato unbezahlte Arbeit.

Ja! Ein Lohn für Reproduktionsarbeit.

Im Burgenland gibt es ja schon ein ähnliches Modell.

Es braucht einfach Umverteilung, und zwar sowohl von bezahlter als auch unbezahlter Arbeit. Und eine substanzielle Arbeitszeitverkürzung – als zentraler Mechanismus – kann den Weg dafür ebnen. Und zu mehr Gerechtigkeit führen. Und die Frage dabei ist auch, was wir überhaupt als Arbeit anerkennen. Denn unbezahlte Arbeit wird oft nicht als Arbeit gewertet, sondern als Selbstverständlichkeit. Dabei ermöglicht die unbezahlte Arbeit doch erst, dass Menschen bezahlte Arbeit machen können.

Unbezahlte Arbeit wird oft nicht als Arbeit gewertet, sondern als Selbstverständlichkeit. Dabei ermöglicht die unbezahlte Arbeit doch erst, dass Menschen bezahlte Arbeit machen können.

Eigentlich ist es doch seltsam, dass sich die ÖVP so gegen die monetäre Anerkennung von unbezahlter Arbeit wehrt, wo doch zum Beispiel Pflege im Familienkreis so prägend im konservativen Weltbild ist.

Ja, das ist wirklich eine gute Frage. Unverständlich. Aber im Grunde ist die konservative Ideologie nie wirklich weggekommen von dem Modell Mann als Ernährer, Frau am Herd.

Franziska Disslbacher im Interview über die ungleiche Verteilung von Vermögen.
„Erklären lässt sich der Anstieg der unbezahlten Arbeit bei Akademiker*innen dadurch, dass ihnen die Kinderbetreuung und vor allem die privaten Babysitter und Reinigungskräfte weggebrochen sind.“

Weshalb natürlich Männer besser verdienen müssen, weil nur ihr Einkommen allein zählt… (Seufzt theatralisch.) Gerade unter Corona ächzen Frauen unter der Mehrfachbelastung. Frauen sind die Verliererinnen dieser Krise. Viele fürchten auch deshalb eine zweite Welle, weil sie kräftemäßig  längst am Limit sind.

Das ist sehr spannend. Bei unserer Studie kommt heraus, dass der Anstieg von unbezahlter Arbeit in der Corona-Zeit bei höher gebildeten Frauen am größten ist. Und diese Gruppe ist auch am unzufriedensten damit. Erklären lässt sich der Anstieg der unbezahlten Arbeit bei Akademiker*innen dadurch, dass ihnen die Kinderbetreuung und vor allem die privaten Babysitter und Reinigungskräfte weggebrochen sind. Viele Frauen haben den Haushalt davor auch schon ganz alleine geschupft.

Wir haben also gesehen, dass Emanzipation und eine gleichwertige Rollenverteilung gar nicht krisensicher sind?

Ja, leider. Weil die Rollenverteilung davor auch nicht gleich war.

Nochmal zu den Gehältern. Welche Rolle spielt Transparenz bei Einkommen für die Eliminierung von Ungleichheit? Also zu wissen, was die anderen verdienen? Was zum Beispiel Topverdiener tatsächlich kriegen?

Vor allem die Vermögenden sind sehr gut darin ihre Vermögen zu verstecken. Und dieser Faktor trägt dazu bei, dass es Menschen schwerfällt, Einkommen oder Vermögen einzuschätzen und Vergleiche zu anderen zu ziehen. Transparenz kann da eine wichtige Funktion erfüllen. Es gibt eine Erhebung der Europäischen Zentralbank, den Household Finance and Consumption Survey, wo Privatvermögen erhoben werden. Doch diese Befragung ist nicht verpflichtend. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, bei einer Stichprobe wirklich Vermögende zu erfassen, ist gering. Genauso übrigens wie die Bereitschaft Vermögender, überhaupt daran teilzunehmen. Außerdem wissen wir nicht, ob sie die wahren Werte angeben oder etwas verschleiern. Ein Vermögensregister könnte für echte Transparenz sorgen.

Wo auf der Welt herrscht eigentlich Gehaltstransparenz?

In den skandinavischen Ländern jedenfalls gibt es einen ganz anderen Umgang mit Gehaltstransparenz als bei uns. In Schweden sind Gehälter tatsächlich transparent, jeder kann die Einkommen der anderen durch ein paar wenige Klicks erfahren. Wir sehen, dass das in Österreich sehr schwer durchzusetzen ist, obwohl es wichtig wäre.

Dabei wäre es doch gar nicht so denkunmöglich, das flächendeckend einzuführen. Im Ernst, wir wissen doch wirklich nicht, wie wenig die einen und wie viel die anderen verdienen.

Besonders das obere Ende versinkt im Nebel, ja. Da sind wir lediglich auf Schätzungen angewiesen.

Und wie kommuniziert man diese Ungleichheiten in der Gesellschaft am besten?

Besonders ungleiche Verhältnisse in irrsinnigen Beträgen und unvorstellbar hohen Summen zu beschreiben, also hundert Millionen irgendwas, zum Beispiel, ist nicht zielführend. Besser sind Bilder: Das Vermögen der unteren Hälfte entspricht einem Auto, das in der oberen Mitte einem Einfamilienhaus, und das am oberen Ende ein paar Luxusvillen, ganz oben sind es dann hunderte davon. So kann man sich die Ungleichheit vielleicht besser vorstellen. Man muss sich das ja immer wieder klar machen: Der unteren Hälfte der Bevölkerung in Österreich gehört gemeinsam drei Prozent vom Vermögen, also quasi nichts. Ein Eigenheim ist überhaupt nur typisch für die obere Mitte. Und das oberste ein Prozent – ein einziges Prozent – in Österreich hält vierzig Prozent des gesamten Vermögens. Am wichtigsten finde ich aber, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, welche Auswirkungen Ungleichheiten auf unsere Leben haben, und zu welchen Verwerfungen das führt.

Das Vermögen der unteren Hälfte entspricht einem Auto, das in der oberen Mitte einem Einfamilienhaus, und das am oberen Ende ein paar Luxusvillen, ganz oben sind es dann hunderte davon. So kann man sich die Ungleichheit vielleicht besser vorstellen.

Bietet uns Corona die Chance, an diesen Ungleichheiten eventuell tatsächlich etwas zu verändern?

Es geht für viele gerade wirklich um die eigene Existenz. Ich tu mir schwer damit, eine so drastische Situation, mit der gerade Tausende gerade konfrontiert sind, als reine Chance zu beschreiben. Aber eines ist klar: Ein breiter Diskurs über unsere Gerechtigkeitsvorstellungen, an dem möglichst viele verschiedene Menschen beteiligt sind, wäre wirklich essenziell.

Im Märchenwald: Keine Vermögenssteuern, aber kein Geld gegen Kinderarmut?

Arbeit&Wirtschaft-Chefredakteur über Mythen zur Vermögenssteuer – und warum wir sie dringend brauchen.

Über den/die Autor:in

Anja Melzer

Anja Melzer hat Kunstgeschichte, Publizistik und Kriminologie in Wien und Regensburg studiert. Seit 2014 arbeitet sie als Journalistin und Reporterin für österreichische und internationale Zeitungen und Magazine. Seit März 2020 ist sie Chefin vom Dienst der Arbeit&Wirtschaft.

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