Kommentar: „Ich will mein eigenes Geld verdienen!“

Junge Frau schreibt auf die Tafel eines Cafès. Symbolbild für einen inklusiven Arbeitsmarkt und die Einstufung als arbeitsunfähig.
Von einem inklusiven Arbeitsmarkt sind Österreich und Deutschland noch meilenweit entfernt, sagt unser Autor Nikolai Prodöhl. | © Adobe Stock/pressmaster
Autor Nikolai Prodöhl weiß aus eigener Erfahrung, welche Folgen der Bescheid „arbeitsunfähig“ mit sich bringt. Er findet seine Einstufung nicht gerechtfertigt und wünscht sich finanziell mehr Spielraum.
Ich arbeite in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Hamburg, da ich als arbeitsunfähig eingestuft wurde. Meine Arbeitsunfähigkeit bedeutet, dass ich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht arbeiten kann und stattdessen in einer Werkstatt tätig bin. Der Grund dafür ist meine Lernbehinderung.

Auf dem ersten Arbeitsmarkt ist der Leistungsdruck hoch, und es gibt wenig Unterstützung. Ein geschützter Arbeitsplatz ist für mich wichtig, da ich ohne Leistungsdruck arbeiten kann und einen Kündigungsschutz habe. Meine Aufgaben in der Werkstatt sind: Erntearbeiten, Beetvorbereitung, Pflanzarbeiten und Gießen.

Meiner Meinung nach ist der Arbeitsmarkt nicht inklusiv. Die meisten Betriebe zahlen lieber eine Ausgleichstaxe, anstatt Menschen mit Behinderungen wie mich einzustellen. Dabei sind Betriebe in Deutschland und Österreich verpflichtet, Menschen mit Behinderungen einzustellen. In Österreich müssen Betriebe ab 25 Beschäftigten mindestens einen Menschen mit begünstigter Behinderung einstellen. Begünstigt behindert bedeutet, dass Personen einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent haben. Meine Arbeitsunfähigkeit wurde von einem Arzt der Rentenversicherung festgestellt. Danach erfolgte die Eingliederung in die Werkstatt. Ich finde, dass die Einstufung als arbeitsunfähig bei mir nicht richtig ist. Ich kann gute Artikel schreiben, auch wenn ich Unterstützung bei der Recherche, beim Führen von Interviews und beim Schreiben der Artikel benötige.

Als Beschäftigter in einer Werkstatt bin ich kein Arbeitnehmer, sondern stehe in einem sogenannten arbeitnehmer:innenähnlichen Rechtsverhältnis zur Werkstatt. Ich habe daher auch keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Während meiner Arbeit werde ich unterstützt, wo immer ich Hilfe benötige. Jedoch erhalte ich anstelle eines Gehalts nur ein Taschengeld von etwa 230 Euro im Monat.

Um meinen Lebensunterhalt zu sichern, habe ich Anspruch auf Grundsicherung. Die deckt meine Miete, die Nebenkosten und den Lebensmittelkauf ab.

Wenn meine journalistische Arbeit entlohnt wird, darf ich das Honorar nicht behalten. Es wird mir von meiner Grundsicherung abgezogen. Ich muss schauen, dass Medien meine Fahrtkosten und die Unterkunft bezahlen, wenn ich über Sportevents berichte. Sonst muss ich selbst zahlen, und dafür reicht die Grundsicherung nicht.

Ich wünsche mir die Möglichkeit, zusätzliches Einkommen zu verdienen, um meine Spesen und meine Ausrüstung für die Sportberichterstattung selbst bezahlen zu können. Derzeit fehlt mir die Motivation, mehr zu verdienen, da das Sparen durch die Abzüge erschwert wird. Das ärgert mich!

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Über den/die Autor:in

Nikolai Prodöhl

Nikolai Prodöhl lebt in Hamburg. Er arbeitet in einer Gärtnerei für Menschen mit Behinderungen und als Journalist und Sportreporter. Er ist bekannt für seine Arbeiten im Podcast "Reporter inklusive", seine Kolumne bei "Tagesspiegel" sowie seine Beiträge für das österreichische inklusive Medium "andererseits".

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