Historie: Die Preistreibereibremse

Foto (C) Plakatarchiv des ÖGB
1955 setzte der ÖGB zunächst durch, dass die „Wirtschaftskom- mission“ der Nachkriegsjahre wieder einberufen wurde, um zu ver­hindern, dass die Preise den Löhnen davonrasen. Ihre gesetzliche ­Verankerung war nicht möglich, aber die Preiskontrolle auf freiwilliger ­Basis funktionierte Jahrzehnte.
Bis 1994 gab es im Rahmen der Sozialpartnerschaft eine freiwillige Beteiligung der Wirtschaft, um Preissteigerungen in Grenzen zu halten.
Vor fast genau 60 Jahren, am 27. März 1957, trat unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers erstmals die „Paritätische Kommission für Preis- und Lohnfragen“ zusammen. Die ArbeitnehmerInnenvertretungen, die Wirtschaftskammer, die Landwirtschaftskammer und die Regierung beteiligten sich freiwillig. Die Initiative ging vom Österreichischen Gewerkschaftsbund aus, der in der wirtschaftlich schwierigen und neuen Situation nach dem Staatsvertrag verhindern wollte, dass die erkämpften Lohnerhöhungen durch Preissteigerungen aufgefressen würden – zum Schaden der KonsumentInnen im beginnenden Aufschwung und damit der Volkswirtschaft. Im Gegenzug zur geforderten Regulierung von Preiserhöhungen erklärte sich die Gewerkschaftsseite dazu bereit, die Freigabe von Lohnverhandlungen mit der Arbeitgeberseite abzuklären.

Anfang 1957 verlangte der ÖGB in einem „Exposé“, das sich an die Bundesregierung, die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer richtete, unter anderem:

Im laufenden Jahre sollte es auf dem Gebiete der Preisbildung möglich sein, folgende Ziele zu realisieren:

a) Die Letztverbraucherpreise für Mehl und Mehlprodukte …, Zucker und für Milch sowie Milchprodukte bleiben unverändert erhalten;

b) ebenso werden die Preise für Speisefette … und für Fleisch und Fleischwaren stabilisiert. …;

d) Bei der in Aussicht genommenen Tarifregulierung ist auf die geringe finanzielle Leistungsfähigkeit der Arbeiterhaushalte Bedacht zu nehmen…

e) mit besonderer Aufmerksamkeit ist die Preisentwicklung bei Haushaltswaren zu verfolgen, die von der Textil-, Eisen-, Metall-, der Holz- und der chemischen Industrie erzeugt werden.

Die in diesem Exposé noch getrennt vorgeschlagenen „Paritätischen Kommissionen“ zur Überprüfung der Preisentwicklung und zur Freigabe von Kollektivvertragsverhandlungen wurden dann in einem Gremium zusammengefasst, für die Preisregulierung setzte die Vollversammlung der „Paritätischen“ noch in ihrer ersten Sitzung einen eigenen Unterausschuss ein. Dieser „Preisunterausschuss“ war grundsätzlich für alle Preiserhöhungswünsche aller österreichischen Unternehmen zuständig, soweit die Preise nicht von einer Gebietskörperschaft genehmigt oder amtlich reguliert wurden. In der Praxis hatte es der Unterausschuss allerdings vorwiegend mit inländischen Industrieprodukten zu tun.

Das Ergebnis der Kompromissfindung konnte sich durchaus sehen lassen: Die Steigerung der Lebenshaltungskosten fiel 1957 mit zwei Prozent sehr niedrig aus, die Reallohnsteigerungen waren für die ArbeitnehmerInnen spürbar. Allerdings bekämpften AnhängerInnen des absoluten freien Marktes das volkswirtschaftliche Regulierungssystem, und mit dem Vormarsch eines neoliberalen Politikverständnisses setzten sie sich ab den 1980er-Jahren immer stärker durch. 1994 wurde der letzte Erhöhungsantrag an den „Preisunterausschuss“ gestellt und 1998 endete die Tätigkeit der „Paritätischen Kommission“ mit Ausnahme ihres „Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen“ ganz.

Ausgewählt und kommentiert von
Brigitte Pellar
Historikerin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.

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Über den/die Autor:in

Brigitte Pellar

Brigitte Pellar ist Historikerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen und war bis 2007 Leiterin des Instituts für Gewerkschafts- und AK-Geschichte in der AK Wien.

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