Geschäft mit der Verunsicherung

Foto (C) Jens Büttner / dpa / picturedesk.com
In schillernden Worten wird für die private Vorsorge geworben. Damit stehen KonsumentInnen vor der Herausforderung, klar und gezielt zu kalkulieren – und sich nicht von der allgemeinen Pensionshysterie und den gewinngetriebenen Werbebotschaften blenden zu lassen.

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Die Pensionsdebatten lassen viele zu privater Vorsorge greifen. Doch sind sie wirklich eine Alternative zur angeblich schlechter werdenden sozialen Absicherung?
Jahrzehntelang vertrauten die ÖsterreicherInnen dem staatlichen Pensionssystem und wurden nicht enttäuscht. Trotzdem zweifeln viele am Umlageverfahren, obwohl die Finanzkrise herbe Verluste bei den privaten Vorsorgeprodukten brachte. Die Werbebotschaften der Versicherungswirtschaft feuern die Verunsicherung an und machen glauben, dass Altersarmut nur mit einer privaten Vorsorge zu verhindern sei. Junge Menschen binden sich an Langzeitverträge und Eltern und Großeltern schließen bereits für Neugeborene Versicherungsverträge ab. Die geschürte Angst vor dem sozialen Abstieg im Alter lässt die Kassen der Versicherungs- und Finanzunternehmen klingeln.

Reale Bedingungen unberücksichtigt

Völlig unberücksichtigt bleiben in der Diskussion um die private Altersvorsorge die realen Lebensbedingungen. Junge Menschen benötigen zuerst Ersparnisse für ihre Ausbildung, die Schaffung von Wohnraum und die Gründung einer Familie. In den erwerbstätigen Jahren bleibt in vielen Familien nach Abdeckung der Wohn- und Lebenshaltungskosten wenig übrig, um noch regelmäßig eine private Vorsorge zu besparen. Da mit der Zeit die Ausbildung der Kinder abgeschlossen und der Kredit für Haus oder Wohnung abbezahlt ist, reduzieren sich die Ausgaben im Alter. Warum also sollten wir bereits in jungen Jahren für das Alter vorsorgen, anstatt für Ausbildung und Wohnraum zu sparen?

Nicht selten laufen private Pensionsvorsorgeverträge parallel zu Kreditverträgen. Das ist unwirtschaftlich, da die zu zahlenden Kreditzinsen naturgemäß über der Guthabenverzinsung liegen. Viel sinnvoller ist es, nach Möglichkeit etwas zur Seite zu legen und bei Bedarf darauf zuzugreifen. Je kostengünstiger die gewählte Sparform ist, umso mehr Ertrag bleibt. Und je flexibler das Finanzprodukt ist, desto geringer der finanzielle Nachteil bei Zugriff im Bedarfsfall.

Am Beispiel der Zukunftsvorsorge zeigt sich, dass die staatliche Förderung kein Garant für ein gutes Vorsorgeprodukt ist. Bei ihrer Einführung im Jahr 2003 wurde sie als der große Wurf verkauft. Die staatliche Förderung, die sich die Versicherten übrigens über Steuergelder selbst bezahlen, und die Garantie des Rentenkapitals zum Vertragsende ließen die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen. Nicht zuletzt deshalb, weil die staatliche Prämie von anfangs 9,5 Prozent von den KonsumentInnen als Jahreszinssatz verstanden wurde und nicht als Zuschuss zur jährlichen Einzahlung.

Keine Wertsteigerung

Die Kombination aus Wertpapierspekulation und Kapitalgarantie verursacht hohe Kosten und führte aufgrund der stetig sinkenden Aktienkurse dazu, dass viele der Verträge ausgestoppt wurden. Die Aktienanteile mussten zur Absicherung der Veranlagung laufend reduziert werden, was eine Wertsteigerung ausschloss. Das Recht zur Vertragsauflösung vor Ablauf der gesetzlichen Mindestbindefrist bekamen die VertragsinhaberInnen trotzdem nicht. Wirklich gelohnt hat sich diese Vorsorge wohl für die Wenigsten. Und statt dieses Vorsorgeinstrument im Sinne der AnlegerInnen zu reformieren, wurde 2012 die staatliche Förderung halbiert und beträgt seither nur mehr 4,25 Prozent.

Verlustrisiken

Auch fondsgebundene Lebensversicherungen wurden und werden als Vorsorgeprodukte angepriesen. Während sich viele InhaberInnen einer solchen noch von den Verlusten durch die Finanzkrise zu erholen versuchen, werden schon wieder neue Verträge dieser Art vertrieben. Dabei besteht grundsätzlich ein vom Fonds abhängiges Verlustrisiko, welches bis zum Totalverlust gehen kann. Erfahrungsgemäß ist den betroffenen KundInnen dieses Risiko sehr oft nicht bewusst.

Um dem Wunsch nach Sicherheit Rechnung zu tragen, statten die Anbieter fondsgebundene Lebensversicherungen mit Kapitalgarantie, Höchststandsgarantie oder garantierten Mindestauszahlungen aus. Wie bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge kostet diese Sicherheit auch hier: je höher das Verlustrisiko, desto höher die Garantiekosten. Zusätzlich sind diese Produkte besonders unflexibel, da die Garantien nur zum Laufzeitende gelten. Und Kapitalgarantien sichern in der Regel nicht das eingezahlte Kapital, sondern nur den sogenannten Sparanteil, also jenen Teil der Prämie, der nach Abzug der Kosten veranlagt wird. Manche Anbieter versuchen sich nun aus der Haftung zu stehlen, indem Fondswechsel angeboten werden und ganz nebenbei Garantien wegfallen. Dies zeigt, dass auch Garantieprodukte nicht die gewünschte Sicherheit in der Vorsorge bieten.

Bleibt die klassische Rentenversicherung mit laufender Einzahlung und lebenslanger Rente. Doch auch sie ist aufgrund der hohen Vertragskosten und dem aktuellen Garantiezinssatz von 0,5 Prozent nicht attraktiv. Selbst wenn der Vertrag über viele Jahre bespart wird, ist aus heutiger Sicht von Verlusten auszugehen, da zuerst die erheblichen Abschlusskosten und die laufenden Verwaltungskosten erwirtschaftet werden müssen. Besonders hoch sind die Verluste, wenn die Verträge vorzeitig gekündigt werden. Wer dennoch eine Rentenversicherung abschließt, sollte daher sicherstellen, dass der Vertrag eingehalten werden kann.

Für eine lebenslange garantierte Rente muss nicht unbedingt eine klassische Rentenversicherung inklusive Einzahlungsphase abgeschlossen werden. Alternativ kann jede beliebige Sparform gewählt werden und der ersparte Betrag zum gewünschten Auszahlungsbeginn in eine Lebensversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung eingebracht werden. Bei diesem Modell können Sparformen mit höherem Ertrag, geringeren Kosten und/oder größerer Flexibilität gewählt werden. Voraussetzung ist diszipliniertes Sparen.

Immer abenteuerlicher

Schlechte Erfahrungen mit herkömmlichen Vorsorgeprodukten und die Niedrigzinssituation führen dazu, dass immer abenteuerlichere Finanzdienstleistungen angeboten werden: Beteiligungen an und nachrangige Darlehen für Unternehmen versprechen hohe Erträge, jedoch sind die Risiken sehr hoch. Ob und wie hohe Erträge ausgezahlt werden, hängt vom Erfolg des jeweiligen Unternehmens ab. Durch Verluste können Beteiligungen auf null schrumpfen und manche Verträge beinhalten sogar eine Nachschusspflicht. Wer glaubt, sein Geld bei nachteiliger Entwicklung noch rasch abziehen zu können, der irrt: Lange Vertragsbindungen oder Kündigungsfristen verhindern das meist. Aktuell sehr beliebt sind auch Gold- und Edelmetallsparpläne. Sie sind aufgrund der hohen Kosten und der großen Kursspannen bei kleiner Stückelung meist unrentabel. Selbst bei seriöser Veranlagung in Gold ist das grundsätzliche Kursrisiko zu beachten.

Wie also sollen wir vorsorgen und wofür? Es macht für jede/n Einzelne/n Sinn, Reserven zu schaffen für unerwartete Ereignisse und Zeiten mit geringerem Einkommen – nicht vorrangig für die Pension, sondern für Weiterbildung, Kindererziehungszeiten, Arbeitslosigkeit, Krankheit und sonstige Auszeiten. Ein simples Sparbuch ist der erste Schritt, denn alles Sparen ist Vorsorge. Bei größeren Summen lohnt es sich, unterschiedliche Produkte, Institute und Laufzeiten zu wählen und nicht alles auf ein Pferd zu setzen.

Der ideale Zeitpunkt für eine Pensionsvorsorge ist nicht möglichst früh, sondern dann, wenn das Geld dafür zur Verfügung steht. Und es muss kein langfristiger, kostenintensiver und unflexibler Vertrag sein. Wichtig ist, dass die Sparform der Lebenssituation, den finanziellen Möglichkeiten und der individuellen Risikobereitschaft entspricht.

Solidarsystem weiterentwickeln

Die individuelle Herausforderung bei der privaten Vorsorge ist es, klar und gezielt zu kalkulieren und sich nicht von der allgemeinen Pensionshysterie und den gewinngetriebenen Werbebotschaften blenden zu lassen.

Die gesellschaftliche Aufgabe der Arbeiterkammer zur kollektiven Vorsorge wiederum besteht darin, die Voraussetzungen für gute Aus- und Weiterbildung zu schaffen, Arbeit und Vermögen fair zu verteilen und ein effizientes und solidarisches Sozialsystem weiterzuentwickeln.

Linktipp:
AKOÖ-Online-Anlageberater
ooe.konsumentenschutz.at

Von
Ulrike Weiß
Konsumentenschutz Arbeiterkammer Oberösterreich

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.

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