Eine Frage des Geldes?

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Inhalt

  1. Seite 1 - Alleinegelassen vom Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen
  2. Seite 2 - Vollzeit Mutter - Teilzeit bezahlt
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Bei der Jobsuche ist das mangelhafte Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen eine große Hürde. Die Vereinbarkeit bleibt an den Frauen hängen.
Wahlfreiheit: Zumindest theoretisch schreibt die Regierung dieser in ihrem Programm eine „bedeutende Rolle“ zu. Betrachtet man die reale Politik in den Bundesländern, in denen die beiden Regierungsparteien schon länger in Koalition miteinander arbeiten, so sind deutliche Zweifel angebracht. So führte Oberösterreich wieder Gebühren für die Nachmittagsbetreuung ein und die Zumutbarkeitsbestimmungen für die Annahme von Teilzeitjobs wurden verschärft. Denn die beiden Koalitionäre sind sich einig: Die Menschen brauchen mehr Druck, um arbeiten zu gehen. Zugleich aber legen sie den Menschen große Stolpersteine in den Weg.

Existenzbedrohend

„Die Kindergartengebühren sind für mich und meine Familie existenzbedrohend. Diese Gebühr kostet mich nämlich keine 50 oder 100 Euro, sie kann mich meinen Job kosten“, schrieb Christiane Seufferlein in einem Brief an Landeshauptmann Thomas Stelzer. Gemeinsam mit tausend anderen protestierte die in den Medien als „Wutmami“ bezeichnete Julbacherin vor dem Linzer Landtag. Oberösterreich liegt bei der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen, die mit einer Vollzeitarbeit vereinbar ist, österreichweit an letzter Stelle. Da könnte man sich wohl zu Recht fragen: Das Netz ist ohnehin nur schwach ausgebaut und jetzt soll ich auch noch dafür bezahlen? Dennoch: Wer die Leserbriefe studiert, merkt, dass es nicht wirklich ums Geld geht. Vielmehr ist es die politische Haltung, die Achtlosigkeit und die erlebte Abhängigkeit, die Eltern beschämt und empört.

Alleingelassen

Gerade im ländlichen Raum fühlen sich viele Frauen alleingelassen. Das ist nicht nur in Oberösterreich so, sondern auch in der Oststeiermark, im Waldviertel oder im südlichen Burgenland. Es gilt als ein Grund, warum gerade junge Frauen abwandern. Work-Life-Balance heißt das in der Theorie – in der Praxis ist es ein Jonglieren mit brennenden Bällen. „Von Unternehmensseite werden flexible Arbeitszeiten gefordert. Die stehen aber im krassen Gegensatz zu starren Öffnungszeiten der Kindergärten sowie monatelangen Schließzeiten in den Ferien“, kritisiert Erika Rippatha, Leiterin des Frauenbüros der AK Oberösterreich.

Die Kinderbetreuung ist (immer noch hauptsächlich) für Frauen eine Herausforderung, wenn sie bereits Arbeit haben. Bei der Jobsuche wird sie erst recht zu einem großen Hindernis. Oftmals führt die mangelnde Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen sogar dazu, dass Frauen ihren Job verlieren. Besonders betroffen sind Frauen im Handel oder in der Schichtarbeit. Diese Situation kennt auch Claudia aus Niederösterreich. Über zehn Jahre arbeitete sie im Verkauf in einer größeren Bäckerei mit mehreren Standorten im Raum St. Pölten. Mit zweieinhalb Jahren kam ihr Sohn in den Kindergarten, Teilzeit war kein Problem, die Arbeitszeiten sehr wohl. Zunächst arbeitete sie am Nachmittag in einer Filiale – etwas außerhalb, aber gut erreichbar. Doch dann bestand die Unternehmensführung auf Frühdienste, Dienstbeginn spätestens um halb sieben. Das Problem: Der Kindergarten öffnete erst um sieben Uhr. Anfangs waren die Nachbarn behilflich, aber auf Dauer geht das nicht. Trotz mehrerer Gespräche erhielt Claudia nach dem Ende der gesetzlichen Behaltefrist die Kündigung. Jetzt ist sie schon längere Zeit auf Arbeitsuche.

Jede fünfte arbeitslose Frau in Österreich ist Wiedereinsteigerin. In der Praxis fühlen sich arbeitslose Mütter zu Recht in einem Teufelskreis gefangen: Ohne Betreuungsplatz tut man sich schwer, Arbeit zu finden, wer aber keine Arbeit nachweisen kann, verliert – wenn Plätze knapp sind – die Betreuung. Das gilt nicht nur für Krabbelstube und Kindergarten, sondern auch für die heiß begehrten, aber raren Plätze an Ganztagsschulen.

Vollzeit Mutter – Teilzeit bezahlt

Es gibt sie: die Politikerinnen, Fernsehmoderatorinnen, Unternehmerinnen, die Kinder und Job scheinbar spielend leicht vereinbaren können. Allerdings schaffen sie dies auch nur durch lückenlose, intensive, persönliche und bezahlte Unterstützung. In einer WU-Forschungsarbeit sagt eine dazu befragte Führungskraft: „Das Betreuungsangebot ist in Österreich völlig fernab: Ohne Hort und Leihoma ginge nichts, sonst müsste ich um 16 Uhr aufhören zu arbeiten, das ist etwas für Hausfrauen und für Teilzeitkräfte.“

Für Vanessa ist das Problem anders gelagert. Sie arbeitete als Kellnerin in Krems. Als ihre Tochter ein Jahr alt war, begann sie, am Wochenende wieder in ihrer alten Arbeitsstelle geringfügig zu arbeiten. Ihr Partner und ihre Mutter kümmerten sich gerne um das Kind. Nach der Karenzzeit wollte sie die Arbeitszeit reduzieren, aber ihre Chefin war „wenig begeistert“, stimmte jedoch der 30-Stunden-Woche zu. Arbeiten am Wochenende ist für Vanessa selbstverständlich. Sie braucht nun öfters die Tagesmutter, die zwar recht entgegenkommend und flexibel ist. Billig ist das aber nicht: Rechnet sie den Stundensatz der Tagesmutter und das Essensgeld ab, arbeitet sie für knapp vier Euro in der Stunde. Dafür läuft sie täglich bis zu 20 Kilometer hin und her, verbrennt sich an heißen Tellern und bleibt dabei immer freundlich.

Zwang zur Teilzeit

„Wahlfreiheit gibt es, wenn es ganztägige, ganzjährige und leistbare Angebote der Kinderbetreuung gibt. Ansonsten entspricht es eher einem Zwang zur Teilzeit“, hält Martina Maurer, frauenpolitische Fachreferentin beim AMS Österreich, fest. Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit, für ganze 80 Prozent der Mütter mit Kindern im Vorschulalter ist dies Alltag. Österreich hat die zweithöchste Teilzeitrate in Europa. Viele Mütter mit Kleinkindern streben gar keine Vollzeitbeschäftigung an, um mehr Zeit mit dem Kind verbringen zu können. Die Teilzeit hat weitreichende Folgen. Jede Statistik zu Einkommen und Pensionshöhe zeigt, dass sie für Frauen eine Falle ist. Sie belässt Frauen in der ökonomischen Abhängigkeit zum „Haupternährer“.

Die Hauptverantwortung für die Familienarbeit bleibt bei den Frauen und diesen droht Armut in der Pension. Studien zur Zeitverwendung und zu Arbeitsbelastungen zeigen, dass Teilzeit fast ebenso belastend ist wie Vollzeit – nur gibt es dafür weniger Geld. 19 Prozent aller KarenzgeldbezieherInnen sind Männer, allerdings bleiben sie dem Arbeitsmarkt viel kürzer fern. Frauen gehen durchschnittlich 607 Tage in Karenz, Männer nur 91 Tage.

Dies ist nur einer von vielen Unterschieden, wie der Gleichstellungsindex des AMS zeigt. Männer verdienen nach der Karenzzeit im Schnitt um zwei Prozent mehr, Frauen hingegen im Schnitt um 20 Prozent weniger Geld. 93 Prozent der Männer arbeiten nach der Karenz wieder Vollzeit, bei den Frauen sind es nur 22 Prozent. Erneut setzt die Regierung bei den Menschen an, statt die Rahmenbedingungen zu verbessern: In Zukunft soll es für arbeitslose Frauen zumutbar sein, einen Job anzunehmen, wenn die Anfahrt zwei statt bisher nur eineinhalb Stunden dauert – eine weitere halbe Stunde, in der Frauen sich über die Betreuung ihrer Kinder Gedanken machen müssen.

Uneingelöstes Versprechen

Um dem Versprechen der Wahlfreiheit gerecht zu werden, müsste der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen weiter vorangetrieben werden. Um Chancengleichheit zu erreichen, schwebt AMS-Expertin Martina Maurer ein partnerschaftliches Modell vor: „Statt dem Eineinhalb-Verdiener-Modell kann ein Modell, bei dem beide Elternteile eine hohe Teilzeitstundenanzahl – zum Beispiel 32 Stunden – arbeiten, für die gesamte Familie positiv erlebbar sein. Wir sehen bei vielen Vätern, dass sie am Leben ihrer Kinder mehr teilhaben möchten. Das ist eine positive Entwicklung und sollte nicht mit der Karenzzeit enden.“

Lippenbekenntnisse?

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen ist Aufgabe der Politik. Nach den ersten Ankündigungen der Regierung bleibt Skepsis angebracht, ob sie den eigenen Ansprüchen gerecht werden kann, die sie in ihrem Programm formuliert hat: „In den Familien werden auch für die Zukunft unseres Landes wertvolle, unbezahlbare Leistungen erbracht, die in der Gesellschaft finanziell und ideell Anerkennung finden sollen. Familien sind Leistungsträger unserer Gesellschaft und verdienen Gerechtigkeit.“

Von
Beatrix Beneder

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/18.

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