Keine Chance am Arbeitsmarkt, weil zu wenig „österreichisch“?

Eine Frau und ein Mann mit weißer Hautfarbe schauen argwöhnisch auf einen Mann mit schwarzer Hautfarbe. Symbolbild für eine Bewerbungssituation, in der es zu Diskriminierung gekommen ist.
Falsche Hautfarbe? Bereits beim Bewerbungsprozess kann es zu diskriminierenden Vorfällen kommen. | © Adobestock/New Africa
Menschen mit Migrationshintergrund sind auf dem österreichischen Arbeitsmarkt deutlich häufiger von Diskriminierung betroffen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Probleme beginnen bereits beim Bewerbungsprozess, bei dem häufig aufgrund von Nationalität aussortiert wird.
Nach einem Vorstellungsgespräch eine Absage zu bekommen, kann vorkommen und durchaus frusten. Meist sind fehlende Qualifikationen der Grund dafür, warum man nicht selbst, sondern ein:e andere:r Bewerber:in den Vorzug erhält. Eine Absage kann aber auch andere Gründe haben. Bewerber:innen mit Migrationshintergrund erhalten unter anderem auch deswegen keine Chance, da sie Unternehmen zu wenig „österreichisch“ sind. Ein klarer Fall von Diskriminierung aufgrund der Herkunft.

So zeigt die Eurobarometer-Meinungsumfrage der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2019, wie diskriminierend der Arbeitsmarkt in Österreich sein kann. 47 Prozent aller Befragten mit Migrationshintergrund sagen, dass sie in Österreich schon aufgrund ihrer Hautfarbe von Diskriminierung betroffen waren. Der EU-Schnitt lag hier bei 37 Prozent. 46 Prozent gaben an, wegen ihrer Religion oder religiösen Symbolen negative Erfahrungen gemacht zu haben. Im EU-Schnitt sind es 28 Prozent. Wegen der ethnischen Herkunft waren es 43 Prozent, im Vergleich zu EU-weiten 32 Prozent, die Diskriminierungserfahrungen machen mussten. Österreich liegt also im negativen EU-Spitzenfeld, wenn es darum geht, Menschen wegen ihrer Religion oder Hautfarbe auf dem Arbeitsmarkt zu stigmatisieren.

Diskriminierung kann vielfältig sein

„In Österreich muss ein großer Teil der Migrant:innen viele Hürden überwinden, um hier arbeiten zu können und zu dürfen. Unter vielen Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund gibt es daher die Meinung, dass Österreich rassistischer und fremdenfeindlicher ist als andere europäische Länder wie beispielsweise die Niederlande, Deutschland oder Spanien“, sagen Blagovesta Nikolova und Marina Yazici von der muttersprachlichen Beratung des ÖGB. Nikolova bietet muttersprachliche Beratung im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts auf Bulgarisch an und Yazici berät arabischsprachige Arbeitnehmer:innen. Diskriminierung kommt dabei auf sehr unterschiedlichen Ebenen vor und ist oft auch gar nicht auf den ersten Blick also solche zu erkennen. Niedrigeres Einkommen von Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Arbeitnehmer:innen ohne Migrationshintergrund und das, obwohl des sich um denselben Beruf handelt, oder auch das Übergangenwerden beim beruflichen Aufstieg oder bei der Gehaltserhöhung, sind nur zwei vergleichsweise niederschwellige Formen der Diskriminierung.

Eine Gruppe von Landwirtschaftsarbeiter:innen bestellen ein Feld. Symbolbild für die Diskriminierung in der Landwirtschaft.
Auch in der Landwirtschaft kommt es mancherorts zur Diskriminierung. | © Adobestock/Heather Craig

„Laut Gleichbehandlungsgesetz dürfen Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft nicht diskriminiert werden. Nicht in der Arbeitswelt, aber auch außerhalb der Arbeitswelt nicht“, sagt Johannes Peyrl, Experte für migrationsrechtliche Themen in der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der Arbeiterkammer Wien. „Wenn sich eine Person verletzt fühlt, dann kann sie sich an die Gleichbehandlungskommission wenden, jedoch ist es der Kommission nicht möglich, rechtliche Schritte einzuleiten und so muss die betroffene Personen auch vor dem Arbeits- und Sozialgericht klagen. Die Gerichte sind allerdings nicht an die Meinung der Kommission gebunden“, beschreibt Peyrl die Möglichkeit, gegen eine Diskriminierung vorzugehen. Es gibt aber keine öffentlich-rechtliche Stelle, die Gleichbehandlung in den Betrieben überwacht. Das bedeutet, dass betroffene Arbeitnehmer:innen selbst aktiv werden müssen.

„Falsche“ Nationalität

Beispiele, wie die Diskriminierung in der Praxis aussehen kann, gibt es zahlreiche. Der muttersprachlichen Beratung des ÖGB sind solche Fälle bekannt. „Sehr oft gibt es Beschwerdefälle in der bulgarischen Beratung, dass andere Migrant:innen bei Unternehmen bevorzugt werden. Ein Fall betrifft eine Reinigungsfirma, die nur Reinigungskräfte aus Ex-Jugoslawien anstellen möchte und das auch nach dem Vorstellungsgespräch als Grund für eine Absage angibt“, nennt Nikolova eines jener Beispiele. „Wenn ein Arbeitgeber offen kommuniziert, dass die Person deshalb nicht eingestellt wird, dann verstößt das gegen das Gleichbehandlungsgebot und die betroffene Person hat das Recht auf Schadensersatz in der Höhe von zwei Monatsgehältern“, erklärt Peyrl die Rechtslage.

Auch in der Landwirtschaft kommt es mancherorts zur Diskriminierung, wie ein anderes Beispiel belegt. Manche Beschäftigte bekommen Dienstquartiere bereitgestellt, andere wiederum nicht. „Arbeitnehmer:innen aus bestimmten Ländern bekommen Quartiere, doch viele Arbeitnehmer:innen aus Bulgarien und Rumänien bekommen keine Dienstquartiere gestellt und müssen sich selbst eine Wohnung suchen und Miete zahlen“, schildert Nikolova einen weiteren Fall aus der Praxis. Ein drittes Diskriminierungsbeispiel schildert Yazici. „Ein Dienstnehmer wurde in seiner Arbeitstätigkeit diskriminiert, indem er die körperlich schwierigeren Tätigkeiten durchführen musste und kaum in Kundenkontakt stehen durfte, obwohl er für die gleiche Stelle wie seine Kolleg:innen eingestellt war“, berichtet Yazici.

Überlastung und Distanziertheit

Diskriminierung und Ungleichheit am Arbeitsplatz tritt nicht nur in unterschiedlichen Formen auf, sondern kann auch unterschiedliche Auswirkungen auf die betroffenen Personen haben. Neben Langzeitarbeitslosigkeit und Armutsgefährdung können Sensibilität am und Distanziertheit zum Arbeitsmarkt Folgeerscheinungen sein. „Manche Betroffene fühlen sich am Arbeitsplatz dadurch überlastet und glauben, dass sie viel mehr leisten müssen als vereinbart, was in manchen Fällen auch stimmt“, meint Nikolova. Im Verdachtsfall auf Diskriminierung können Betroffene die Arbeiterkammer oder die Fachgewerkschaften kontaktieren. Sie beraten die betroffene Person hinsichtlich rechtlicher Schritte, um nach dem Gleichbehandlungsgebot zum ihr zustehenden Recht zu kommen.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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